Es ist ein heißer Tag (gewesen), heute. Bei mehr als 28 °C im Schatten fühle ich mich absolut nicht mehr wohl. Allein: Daran werde ich mich – wie alle anderen Menschen auch – wohl gewöhnen müssen. Ebenso an das Fehlen eines richtigen Winters mit Schnee und der Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst. Klimawandel, der nicht erst in zwanzig oder dreißig Jahren, sondern gerade jetzt stattfindet.
Ja, ihr lest richtig: Ich jammere schonwieder. Immernoch. Immer öfter, befürchte ich. Denn das, was isch erlebe, ist nicht „nur” ein verrückt spielendes Wetter, wie es das früher™ einmal gab. Das ist global verändertes Wetter, also verändertes Klima. Und es wird aller Voraussicht nach noch unangenehmer werden, überall auf dieser Erde. Habe ich davor Angst? Ein wenig, ja; aber ich werde wohl nicht lange genug leben, um die weltweite Erwärmung um mehr als 2 Kelvin ertragen zu müssen.
Meiner Mutter würden nach ihren eigenen Aussagen zwei Grad mehr nichts ausmachen. Sie würde dann weniger frieren, glaubt sie. Das mag stimmen, aber die heißen Tage, an denen sie ob der Wärme stöhnt, blendet sie irgendwie komplett aus. Und wenn sich am Klima etwas ändert, dann liegt das ja nur an denen, die da oben im Weltraum herumfliegen, denn nur die machen das Wetter kaputt mit ihren Raketen. (Stellt euch bitte vor, wie ich resigniert den Kopf schüttle.) Und außerdem würden die Wärmepumpen ja auch dafür sorgen, daß es nicht nur in den Häusern, sondern auch draußen überall wärmer wird, deswegen heißen die Dinger ja Wärmepumpen. (Gut, sie ist 83 und hatte schon immer etwas andere Meinungen; soetwas sagt sie nicht nur, wenn es draußen zu warm ist. Außerdem kann, was ich sage, ja nicht stimmen, denn ich bin nicht ihrer Meinung.)
Wunderlich war sie schon immer etwas. In den Jahren, die sie jetzt alleine leben muß (Vater lebt wegen seiner Demenz in einer Pflegeeinrichtung), scheint sie mir dennoch immer wunderlicher zu werden. Vielleicht liegt, daß ich das erkenne, auch daran, daß ich sie nicht ständig, sondern immer nur in Abständen von mehreren Wochen sehe und erlebe. Ihre eigene Welt wird wichtiger, ist die doch die einzige, in der Mutter noch lebt. Und Angst habe ich davor, daß auch sie in der Demenz verschwinden wird.
So komme ich von 28 °C zur Endlichkeit des Seins. Nicht der gesamten Menschheit, aber zur Endlichkeit des Seins, des Lebens einzelner Menschen.
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Am 22. Mai 2023 war ich zufrieden mit dem Nudelauflauf zu Mittag, mit den geschriebenen Sätzen, mit dem Gelernten über Minuskeln.
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