2025 – 020: Langsam

Auch ein Ende mit Schrecken kann dauern.

To get a Google translation use this link.

 

Vier Jahre. Sogar etwas mehr als vier Jahre … Und davon jetzt zu schreiben, fällt mir nicht leicht.

Wenn ich es recht bedenke, dann habe ich mir heute vier Jahre meines Online-Lebens angesehen. Und jeden einzelnen Tweet dieser vier Jahre gelöscht. Ich weiß, es gibt Hilfsmittel, die alles auf einmal entfernen können – aber es widerstrebt mir, die zu nutzen.

Ganze zwei Menschen sind es, wegen denen ich noch dort war. Von den vielen, mit denen ich mehrere Jahre lang dort verbunden war, sind die meisten nicht mehr dort oder nicht mehr dort aktiv. Das ist verständlich. Nicht wirklich verstehen kann ich, warum nur wenige von ihnen den Weg ins Fediversum fanden.

Es ist nicht das erste Mal, daß ich eine Plattform verlasse, verlassen muß. Aber ich kann dort nicht mehr sein, habe seit 8. Oktober 2023 nicht eine einzige eigene Nach­richt mehr geschrieben. Auch damit war ich schon sehr spät, so denke ich, für meine Einstellungen, die ich so habe. Jetzt mag ich wirklich nicht mehr dort sein. Jetzt lasse ich mich Tweet für Tweet, Follower um Follower von dort verschwinden. Absichtlich „zu Fuß” und ohne Hilfsmittel. Weil ich verstehen und begreifen will, wie groß und wichtig ich das werden ließ für mich, wie viel von mir ich dort investiert, eingebracht habe – für nix im Endeffekt.

Wahrscheinlich wird es sich irgendwann ganz ähnlich anfühlen, wenn ich meinen Führerschein abgebe. (Dummer Vergleich, ich weiß, aber ein besserer fällt mir nicht ein für das Gefühl dabei.)

Es ist ein langsamer, bewußter Abschied, weil ich es genau so haben will. Und: Ich verabschiede mich von Twitter, weil ich nicht bei X sein will.

 

Erinnerung des Tages:
Ich kann nicht zählen, wieviele schöne und gute Aktionen ich auf dieser Plattform miterleben konnte.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 20. Januar 2025 war ich zufrieden mit meinem teilweisen Verschwinden, mit Kartoffeln und Quark und Leberwurst, mit der Hoffnung auf mehr.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Veröffentlicht unter 2025, Erlebtes, One Post a Day | Verschlagwortet mit , , , , , | 4 Kommentare

2025 – 019: Wetterlage

In einem grauen Dorf in den Bergen.

To get a Google translation use this link.

 

 

Seit vier Tagen liegt das Dorf schon im Nebel, nein, in den Wolken. Das könnte ich ziemlich eindrucksvoll sehen, wenn ich nur knapp fünfzig Höhenmeter weiter hinaufginge am Berg. Dann liegt unter mir das Tal, das ganz mit Wolke gefüllt zu sein scheint. Heute ist der fünfte Tag, an dem man kaum zehn Meter weit sehen kann. Trotz­dem drehe ich meine Runde draußen; ich habe zwar keinen Hund auszuführen, will und muß die Wohnung aber jeden Tag für ein oder zwei Stunden verlassen. Seit ich vor einigen Wochen in dieses Dorf gezogen bin, habe ich das trotz der zum Einzug notwen­digen Arbeit täglich geschafft. Seit zwei Wochen gehe ich immer den gleichen Weg, muß nichts anderes mehr erkunden. Ich will nur noch um unsere Häusergruppe herumgehen: Vorm Haus nach rechts bis zum Dorfplatz, wo ich meine notwendigen Einkäufe erledigen kann, stehen fünf Häuser. Dort biege ich um 180 Grad nach rechts ab und gehe auf der Parallelstraße an den Häusern vorbei, die hinter denen an unserer Straße stehen. Am Ende der Straße ist dann ein altes Gehöft, das zu jeder der beiden Straßen hin offen ist. Ich habe nachgefragt, ja, jeder darf durch den Hof gehen, um von der einen zur anderen Straße zu kommen. Und von da aus geht es an zwölf Häusern vorbei zurück bis zum Haus, in dem ich seit Kurzem im ersten Stock wohne.

Immer der gleiche Weg. Seit zwei Wochen. An einer bestimmten Stelle gehe ich auf die andere Straßenseite, bleibe eine Weile stehen und rauche eine Zigarette. Erst danach gehe ich weiter. Und während ich rauche, beobachte ich so unauffällig als möglich die an jenem Haus seitlich angebaute, teilweise überdachte Terasse. Sehe ich aus meinem von unserer Straße abgewandt liegenden Schlaf­zimmer nach rechts zum Fenster hinaus, so sehe ich genau diese Terasse schräg von oben. Ich sehe die dort oft hängende Wäsche, und manchmal kann ich einen Blick auf die rothaarige Frau erhaschen, die dort wohnt. Ich sah sie auch schon, als ich rauchend auf dem Fußweg stand. Bei solchem Nebel wie heute traue ich mich, direkt am Zaun des Hauses entlangzugehen, sehr, sehr lang­sam entlangzugehen. Und zufällig sehe ich, wie sie, die bei jedem Wetter ihre Wäsche auf der Terasse zum Trocknen aufhängt, gerade Wäsche abnimmt. Etwas grau, etwas undeutlich durch den Nebel hindurch. Aber ich erkenne, daß auch heute zwar Slips, aber nicht ein einziger BH zur Wäsche gehören, wie immer, seit ich hier wohne. Beziehungsweise seit ich sie entdeckt habe mit ihren flam­men­den Locken.

Morgen ist Sonnabend. Morgen werde ich wieder meine Runde gehen. Morgen fasse ich mir ein Herz und klingele bei ihr. Morgen stelle ich mich bei ihr vor als ihre neue Nachbarin. Und es wird mir egal sein, ob auch morgen wieder alles in der grauen Wolkensuppe hängt: Morgen schaffe ich es endlich.

 

 

Erinnerung des Tages:
Ich habe es in meinem Leben bisher nur ein einziges Mal geschafft, von oben auf eine geschlossene Wolkendecke zu sehen: vom Auersberg hinab ins Tal nach Sosa.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 19. Januar 2025 war ich zufrieden mit Schreibübungen, mit ausreichend Kreativität, mit Bockwurst und Brot.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Veröffentlicht unter 2025, Geschriebenes, Miniatur, One Post a Day | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar

2025 – 018: Schrecklich

Eine Annäherung an Unertägliches.

To get a Google translation use this link.

 

 

Der fehlende Schlaf
Nicht nur unter dem Vollmond
Traumloser Schrecken

Ohne jede Erholung
Unerträgliches Leben

Ein Tanka.

 

 

Erinnerung des Tages:
Ich hatte heute Trophäen aus meiner jungen Erwachsenenzeit in der Hand und schmunzelte.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 18. Januar 2025 war ich zufrieden mit den fast noch nächtlichem Gespräch, mit dem Gang um die Ententeiche, mit der wohligen Müdigkeit am frühen Abend.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Veröffentlicht unter 2025, Geschriebenes, One Post a Day | Verschlagwortet mit , | Schreib einen Kommentar

2025 – 017: 22.500

Was sich in alten Tabellen so findet: unnützes Wissen.

To get a Google translation use this link.

 

Ich sortiere zur Zeit nicht nur Bilder, Bilddateien auf meinen Festplatten (und ja: Ich lösche viele davon). Nein, ich sah mir auch Dateien aus StarOffice, OpenOffice und Libre­Office an, die sich bei mir seit 1992/1993 angesammelt haben. Einige, die ich zu Unterrichtszwecken erstellt hatte und ganz gewiß nie wieder brauchen werde, habe ich auch gelöscht. Andere, darunter einige Dokumentvorlagen, werde ich weiterhin aufheben.

Wie das bei so alten Dateien ist, wußte ich meist nicht mehr, was genau in ihnen zu finden ist. Da halfen mir meine sprechenden Datienamen auch nicht immer weiter („Pers_Daten_Dozenten.sdc” oder „Matrix_Funkt_Datum.sdw”), ich mußte sehr viele davon öffnen. Und in einer dieser Dateien befanden sich ziemlich viele Rechnereien, die mit meinem Geburtsdatum zu tun hatten. Nach einer Neuberechnung waren die meisten Zahlen verändert.

Eine von denen fiel mir auf: die Anzahl der Tage, die ich bisher lebe. Da stand (und steht noch) 22.499. Tja, dann lege ich mich also morgen Abend zu meiner 22.500sten Nacht nieder. Die anderen Zahlen erspare ich euch aber, denn wen außer mir inter­essieren wohl Stunden, Minuten und Sekunden meiner Lebensdauer? Und trotzdem beeindruckt mich schon die Zahl der Tage, die in knapp 62 Jahren zusammenkamen. Denn mal ehrlich: Wer hat schon ein Gefühl für deren Anzahl? Ich jedenfalls nicht …

Natürlich habe ich dann weiterrechnen lassen. Und siehe da, in sechs Jahren zum Jahresende hin werden es 25.000 Tage und Nächte sein, die ich dann – wenn alles gutgeht – gelebt habe. Ob ich? Keine Ahnung, aber vielleicht feierte ich dann auch schon 20 Jahre tägliches Bloggen und in der Mitte des Jahres 7.500 Blogbeiträge …

Große Zahlen, große Zahlen.

 

Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Bei meiner Datenträgerarchäologie löschte ich viele Dateien (auch die zugehörigen Kopien und Backups).

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 17. Januar 2025 war ich zufrieden mit einer schnell noch umgesetzten Idee, mit gekauften Löffeln, mit meinem Widerstehen gegen den Kauf weiterer Kladden.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Veröffentlicht unter 2025, Erlebtes, One Post a Day | Verschlagwortet mit , , , , , , , | 2 Kommentare

2025 – 016: Ungestört

Das unwohle Gefühl, anscheinend Nebensache zu sein.

To get a Google translation use this link.

 

 

So ein Telefonat – warum nennen wir es nicht mehr Ferngespräch? – kann ja auch ziemlich anstrengend sein.

Gestern zum Beispiel. Eine sehr gute Bekannte rief an. Wir telefo­nieren regelmäßig, alle zwei Wochen zu einem festen Termin. Wenn ich einmal sehr abgelenkt bin, schreibe ich ihr eine Nachricht, daß ich gerade anderweitig zu beschäftigt bin, um mit ihr ein sinnvolles Gespräch führen zu können. Sie macht das nicht. Und so hörte ich all die anderen Dinge, die sie während der knappen Stunde „neben­her” erledigte, komplett mit; und auch die mir völlig Fremden, mit denen sie bei sich auf Arbeit sprach, verstand ich. Ich weiß jetzt also Dinge, die ich nicht wissen sollte. Meine mehrfach geäußerte Bitte, doch zu einer anderen Zeit mit weniger Ablenkung das Gespräch zu führen, wurde ignoriert: Sie ist ja multitaskingfähig und kann auch mehrere Dialoge gleichzeitig führen, und darunter leidet deren Qualität mit Sicherheit nicht.

Ich bin da ganz andrer Meinung. Ich spreche mit meinen Freunden gerne ungestört, bin sehr ungern Nebensache im direkten Kontakt. Daß das auch mit ihr möglich ist, weiß ich. Was ich nicht weiß: warum das gestern nicht möglich war. Es kam nichts zur Sprache, was so dringend gewesen wäre, daß sofort geredet werden mußte. Da waren keine lebenswichtigen Neuigkeiten, keine schwerwie­gen­den Probleme, keine großen Gefühle zu erkennen. Wie auch, in diesem heillosen Durcheinander? Wahrscheinlich war nur die halbe Zeit unser Gespräch das dominierende, die nebenher geführten brauchten wesentlich mehr ihrer Aufmerksamkeit. Und das ließ mich nicht nur etwas ratlos zurück. Deshalb grübele ich seit gestern über eine angemessene Reaktion. Soll ich meinen Unmut äußern in einer Nachricht, die ich ihr schreibe? Wie kann ich das formulieren, ohne mit ihr zu meckern? Wie kann ich ihr deutlich machen, daß ich mich im gestrigen Gespräch nicht wohlfühlte, mich zu nettem Beiwerk degradiert wahrnahm? Sie ist mir als … Ja, sie ist mir als Freundin in der Ferne zu wichtig, als daß ich sie vor den Kopf stoßen und am Ende gar verlieren möchte. Ach, immer diese Dilemmata.

Ich denke, ich werde ihr keine Nachricht schreiben. Ich werde mich im nächsten Telefonat auch nicht ähnlich verhalten wie sie in dem gestern. Das paßt nicht zu mir, das bin nicht ich. Aber ich werde mich hinsetzen und ihr einen Brief schreiben. In dem kann ich ihr mitteilen, was mich aus welchen Grund gestört hat, was zu meinem Unwohlsein führte, zu meinem Unbehagen; und das schaffe ich schriftlich ganz sicher besser als in einer (wahrscheinlich wesentlich kürzeren) Nachricht oder einem Telefonat zwischendurch, in dem sie mir (wahrscheinlich) mehrfach ins Wort fallen und mich so aus dem Tritt bringen könnte beim Erklären und Bitten. Aber beim Briefschreiben bleibe ich ungestört. Ich kann nur hoffen, daß sie mich dann versteht.

 

 

Erinnerung des Tages:
Vor 17 Jahren fanden sich in meinem Rucksack nicht nur Kondome, sondern immer auch Tampons und Binden; das endete, als das schwarze Gemüse hierzustadt sich verstreute.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 16. Januar 2025 war ich zufrieden mit dem späten Aufstehen (ja, ich mache mir dehalb keine Vorwürfe), mit einem glücklich erledigten Auftrag, mit Sauerkrautsalat am Abend.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Veröffentlicht unter 2025, Geschriebenes, Miniatur, One Post a Day | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , | 5 Kommentare

2025 – 015: Dichtung

Eine einfache Reimübung zur Jahreszeit.

To get a Google translation use this link.

 

 

Wenn's Winter ist und draußen kalt,
dann bleib ich gern zuhause.
Wenn Sturm geht, ja dann mach ich halt
eine sehr lange Pause.

Der graue Tag vergeht nicht schnell,
auch wenn ich drüber nöle.
So kratz' ich mir mein Winterfell,
bleib' in der Deckenhöhle.

 

 

Gegen die Langeweile, die mich doch hin und wieder ereilt, gehe ich mit lockeren Übungen an. Nein, weiß Gott nicht mit sportlichen – aber Schreibübungen beschäf­tigen mich, ohne mich übermäßig anzustrengen. So sitze ich dann oft und reime herum, einfach so. Manchmal holpert und stolpert der Rhythmus und ich feile und schleife daran herum. Es gibt Worte, auf die ich keinen (guten) Reim finde, dann suche ich manchmal länger herum, als mir lieb ist. Meist entstehen Dinge wie das da oben, nur selten gefällt mir etwas viel besser („Nachts im Wald”).

Und jetzt zeige ich das doch her, das mißlungene Herumgereime? Nun, ihr wißt ja, unter welcher Lizenz ich üblicherweise veröffentliche (steht unter fast jedem Beitrag hier). Heute ist die etwas anders, denn heute ist die Bearbeitung/Veränderung ausdrücklich erlaubt. Tut euch keinen Zwang an (und falls ihr etwas anderes daraus macht, laßt es mich bitte wissen).

 

Erinnerung des Tages:
Ich erinnerte mich heute an ein erstes Mal, das ich gerne ein zweites und ein drittes Mal und immer wieder erleben möchte.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 15. Januar 2025 war ich zufrieden mit der Zeit in meinem Bad, mit dem Leckermäulchen, mit sortierten Fotos.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung).
Veränderungen, Bearbeitungen, Remixe ausdrücklich erwünscht.

Veröffentlicht unter 2025, Geschriebenes, One Post a Day | Verschlagwortet mit , , , , | Ein Kommentar

2025 – 014: Stille⟺Leere

Beinahe eine philosophische Persönlichkeit.

To get a Google translation use this link.

 

 

Es ist wohl eine jener zum Glück seltenen, aber absolut ideenlosen Zeiten, die jetzt schon drei Tage andauert. Wieder sitze ich vor dem Papier, habe die Stifte in der Hand und starre auf Linien, Kästchen und weiße Flächen. Nur die Uhr und der Wind draußen sind zu hören. Ich versuche, mir nicht das Hirn zu zermartern über den Grund der Stille in meinem Kopf. Da, wo sonst Phantasien sprießen und pausenlos Gedanken murmeln, geschieht zur Zeit nämlich nichts. Selbst die Ängste und Zweifel einer Depression fehlen.

Neunzig Minuten. Neunzig Minuten lasse ich einen jeden Versuch zu schreiben dauern. Neunzig Minuten, die immer viel zu kurz sind, eine Geschichte vollständig aufzuschreiben, die ich so häufig über­schreite. Neunzig Minuten, in denen auch heute, jetzt wieder nichts geschieht, nichts anklingt. Neunzig Minuten absolute Stille und Leere in meinem Kopf. Gespenstische Stille. Nicht nur ich bin der Meinung, daß ein Mensch nicht nicht denken kann; heute beweise ich mir, daß das doch geht. Denn diese stille Leere, diese leere Stille ist nichts andres als Nichtdenken. Als wär' in einem Tunnel jegli­che Beleuchtung ausgefallen oder in einem Bergwerk, und zusätzlich sind in eben dieser Situation alle Geräusche verstummt. Auch der eigene Atem, der eigene Herzschlag und das Rauschen des Blutes im Ohr schweigen.

Unvorstellbar ist mir diese Stille, wenn ich nicht gerade tief in ihr gefangen bin. Nach ihrem Ende bleibt auch nichts von ihr, an das ich mich erinnern könnte. Heute stand ich nach neunzig Minuten auf und da war nichts anderes übrig von ihr als ein Loch in der Zeit, eine Fehlstelle. Ich zweifle an der Existenz des Nichts, erlebe aber in diesen ideenlosen Zeiten genau dieses Nichts am eigenen Leib. (Natürlich, ich erlebe ja dennoch den Tagesablauf mit Kaffee und Bad und Essen usw. usf. Aber dieses Gefühl!) Jedesmal versuche ich in den ideenlosen Zeiten, mich durch bisher immer untaugliche, ergebnislose Anstrengungen zu produktiven Gedanken zu zwingen, zu animieren, zu motivieren. Nein, das stimmt nicht, denn auch die sind ohne Gedanken nicht möglich und entstehen somit nur außer­halb dieses Zeitraums.

Am Abend schaffe ich es dann auch an Tagen wie heute, ein paar Sätze in meinem Tagebuch zu notieren. Gerade eben fragte ich mich dabei, wie ich denn etwas beschreiben könnte, das nicht ist, das nichts ist. Wie ich einer Leserin, einem Leser denn verständlich machen könnte, was diese Leere, was diese Stille ausmacht: Das Fehlen jedes Vorhandenseins. Und ich bin glücklich, daß ich aus der Stille immer wieder heraustreten kann, die Leere immer wieder aus mir hinausbringen kann. Um auch in den ideenlosen Zeiten etwas zu haben, das ich Leben nenne.

 

 

Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Ich schaffte es, Zettel mit mir im Moment nichts sagenden Worten und Sätzen wegzuwerfen, zu schreddern sogar.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 14. Januar 2025 war ich zufrieden mit weggeworfenen Textanfängen und -bruchstücken (woah, daß ich das einmal schaffe), mit einem doch noch verwendeten Teil einer als untauglich eingestuften Phantasie, mit vereinbarten Terminen bei Ärzten.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Veröffentlicht unter 2025, Geschriebenes, Miniatur, One Post a Day | Verschlagwortet mit , , , , , , , , | 3 Kommentare

2025 – 013: Tagessammelsurium

Irgendwie war heute fast alles nichts Richtiges.

To get a Google translation use this link.

 

Zuerst wollte ich ein Zitat von Peter Hacks über die Entstehung von Gedichten hier erscheinen lassen. Dann versuchte ich mich selbst an einem Gedicht – an einem Tanka. Beides stellte mich nicht zufrieden. Beides paßte heute nicht zu mir, zu meinen sonstigen Einträgen. Also muß ich etwas anderes finden …

Allerdings ist heute ein Tag (gewesen), an dem mich nur sehr wenig zufriedenstellen konnte. Ich sortierte einen Karton den Inhalt eines Paketkartons. Drin waren Bücher, lokalgeschichtliche Dokumente (Prospekte und Broschüren zu einem Dorffest vor 11 Jahren), eine Urkunde der NVA von 1984, zwei evangelikale Machwerke (die im Altpapier landeten). Ich weiß noch nicht wirklich, wohin mit all dem, das ich behalten möchte. Dazu habe ich etwa 20 Musik-CDs aussortiert, die ich irgendwann in dieser Woche in ein Öffentliches Bücherregal bringen werde. Nur 20 von keine Ahnung wieviele das noch sind.

Der einfach mit heißem Wasser aufzugießende Kartoffelbrei im Becher (Marken­pro­dukt) schmeckte nach nichts und wird von mir nicht mehr gekauft. Bäh, war der enttäuschend. Den Bleistifttext hatte ich heute vormittag beim Wickel: So, wie ich ihn niederschrieb, ist er zu absolut nichts zu gebrauchen außer als verdammt schlechtes Beispiel (Zeitformenfehler, Wortwiederholungen, logische Fehler im Ablauf). Was hab ich mir dabei nur gedacht? (Wie ich bereits schrieb: nicht viel.)

Vom Vermieter bekam ich Post, die ich nicht verstehen kann. Ich rechne zusammen, zweimal, dreimal, ein viertes Mal: Ich kann keine Differenz zwischen Soll und Haben finden und verstehe nicht, wie die beim Vermieter zustandekommen konnte. Das nervt wieder. Ich muß also anrufen.

Der 13. ist – auch wenn es ein Freitag sein sollte – immer mein Lieblingstag im Monat. Ich habe keine Bedenken hinsichtlich der 13 als Unglückszahl, nein, ich bin an einem 13. geboren (an einem Donnerstag). Der heutige Tag fand und findet ganz untypisch eher als Nichtglückstag statt. Nun, dann wird wohl morgen wieder gut werden. Oder übermorgen. Ich laß mich da überraschen und von heute nicht aus dem Tritt bringen.

 

Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Zwei Bücher der Sorte „Machwerk, übel” landeten im Altpaier.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 13. Januar 2025 war ich zufrieden mit neuen Pillenboxen, mit der wiedergefundenen Urkunde, mit leckerem Abendessen.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Veröffentlicht unter 2025, Erlebtes, One Post a Day | Verschlagwortet mit , , , , , | 2 Kommentare

2025 – 012: Anders

Wie ich mich über mich selbst wundere.

To get a Google translation use this link.

 

Nachdem mir gestern diese Figur unterkam, passierte heute am Schreibplatz das nächste „Wunder”.

Feder und Tinte (und für spezielle Zwecke ein Vierfarbkugelschreiber) sind seit vielen Jahren meine üblichen Schreibwerkzeuge. Außerdem schreibe ich ja auch Kurrent, deutsche Handschrift mit deutschen Buchstaben. Eigentlich immer und überall. Seit Januar 2023 liegt aber auch eine Blanko-Kladde hier, in der seither 22 Seiten zuneist zur Hälfte beschrieben sind. Mit Bleistift beschrieben sind. Und ja, ich habe auch eine ganze Menge Bleistifte.

Heute saß ich ideensuchend am Schreibplatz, hatte verschiedene Federn und Stifte in der Hand und notierte etwas über eine Stunde nichts außer einem einzigen Wort: Unbemerkt. Das wars. Ein Wort nur und keine verwendbare Idee. Vor lauter Frust begann ich, einen der Haufen gleich neben mir zu sortieren. Dabei fiel mir ein Block DIN A5 unliniert in die Hände, wie ich ihn immer auf den Märkten dabeihabe. Die normale Kladde legte ich zu Seite, den Block vor mir auf den Tisch. Ich griff nach einem Bleistift, dachte nicht länger als zwei oder drei Minuten nach und begann zu schreiben. Ich schrieb ohne abzusetzen sechs Seiten voll, mit Bleistift und – auch das war anders als normal – in lateinischen Buchstaben. Das fühlte sich so normal, so gewohnt an, daß mir die Unterschiede zum sonst üblichen Schreiben überhaupt nicht auffiel.

Aber als ich nach diesen Seiten eine Pause machte, mir eine weitere Tasse Kaffee holte und mich wieder hinsetzte, da schaute ich mir das andersartig Gekritzelte an. Was ich geschrieben hatte, wußte ich (Schweinkram-Phantasie, muß ich gestehen). Aber so ganz anders!? Unliniertes Papier mit Bleistift und lateinischen Buchstaben – ich wunderte mich schon darüber … Ich glaube, ich war von dem, was ich da dachte und schrieb, so sehr abglenkt, daß ich keine Gelegenheit hatte, Hirnkapazität für Schrift und Schreibgerät bereitzustellen. (Obwohl: Normalerweise muß ich mich konzentrieren, um lateinische Buchstaben zu schreiben.) Nachdem ich aufgehört hatte, mir deswegen den Kopf zu zerbrechen, kam dann auch noch ein wenig Text zu der gestern aufgetauchten Figur dazu.

Jetzt gleich werde ich mich nochmal hinsetzen und an vorhandenen Texten und Textteilen schleifen; mal sehen, ob ich überhaupt einen oder welche ich herzei­ge­fertig machen kann.

 

Erinnerung des Tages:
Ich erinnerte mich heute lebhaft an meine Hortzeit und an das „Manöver Schneeflocke” am Gleesberg.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 12. Januar 2025 war ich zufrieden mit Geschriebenem, mit viel Tee, mit Kartoffeln und Quark und Leberwurst.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Veröffentlicht unter 2025, Erlebtes, One Post a Day | Verschlagwortet mit , , , , , , | 4 Kommentare

2025 – 011: Ungewohnt

Ob die Figur dazu dient, mich mit mir selbst zu beschäftigen?

To get a Google translation use this link.

 

 

Ich klappe das Buch zu. Ein bißchen verärgert, aber nicht wütend. Aber so, wie das Leben darin beschrieben wird, war es nie. Für mich nie. Ich fühlte mich nicht gegängelt, nicht bespitzelt oder einge­sperrt. Obwohl das ja nach heutiger herrschender Meinung allen damals so gegangen sein muß – eine Abweichung davon war nie und unter keinen Umständen möglich.

Also ich habe da andere Erfahrungen gemacht. Meine ersten Bezie­hungen waren nicht „gesellschaftlich” organisiert, ich fühlte mich diesbezüglich immer frei in meinen Entscheidungen und Gefühlen. Und das, was dann innerhalb der Beziehungen geschah, entsprach auch nur zu einem sehr kleinen Teil dem Normalen. Das war auch in ganz vielen anderen Bereichen meines Lebens so.

War ich denn wirklich der einzige Mensch, der so anders als dar­ge­stellt lebte? Und woher hat die Person, die dieses Buch schrieb, die Informationen über „unser” Leben? Selbst kann das nicht erlebt worden sein, da paßt schon das Alter nicht. Aber wo kommt das vermeintliche Wissen her? Ja, es ist Belletristik, die ich lese, es ist kein Geschichtsbuch, keine historische Wissenschaft. Dennoch fühlt es sich für mich so an, als wäre die künstlerische Freiheit zumindest etwas zu weit aufgefaßt worden. Dabei könnte ich das auch als reine Phantasie ansehen, wenn, ja, wenn ich die vermutlich beschriebene Zeit und das vermutlich beschriebene Leben nicht völlig anders erlebt und wahrgenommen hätte.

Zumindest ist dieser Blick auf etwas mir Geschehenes vermeintlich … Ja, worauf denn? Ich lese nichts anderes als einen ausge­dach­ten, zutiefst persönlichen Blick auf nichterlebte Vorgänge, auf einfach erfundene Gegebenheiten. Da ist keinerlei Anspruch auf Wahrheit in diesem Buch. Wieso rege ich mich dann so auf darüber? Ja, solches zu lesen ist ungewohnt, und vor allem empfinde ich es als unangemessen, daß sich da jemand erdreistet. Doch das ist ja nicht wahr. Es erdreistet sich niemand. Ich reagiere nur ungewöhnlich heftig angefaßt, sonderbar auf das, was ich lese.

Ich greife zum vorhin gerade beiseitegelegten Buch, schlage die erste Seite auf und beginne es erneut zu lesen, so, wie ich wohl ein utopisches (SciFi) oder surreal magisches (Mystery), ein rein fiktives Buch lesen würde.

 

 

(Anmerkung: Nein nein, ich habe kein solches Buch. Aber ich habe diese Figur, die mit einem Buch beim ersten Versuch, es zu lesen, ganz einfach nichts anzufangen weiß. Ich versuche, hinter die Verwirrung, die Irritation zu schauen (ja, es gibt mehr Text, der noch nicht herzeigbar ist). Es kann sein, daß ich mithilfe dieser Figur auch über mein Erleben, über mein Leben nachzudenken versuche. Sicher bin ich mir dessen nicht. Wohin sich das Ganze entwickeln wird, weiß ich nicht. Aber ich bin neugierig darauf.)

 

Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Ich brachte einige Bücher in ein öffentliches Bücherregal (und nahm eines mit nach Hause).

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 11. Januar 2025 war ich zufrieden mit Chili con Carne, mit den niedergeschriebenen Gedanken, mit dem Unterwegssein in der Stadt.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Veröffentlicht unter 2025, Geschriebenes, Miniatur, One Post a Day | Verschlagwortet mit , , , , , , , , | Schreib einen Kommentar