Viele Tage habe ich es kaum geschafft, in anderen Blogs zu lesen. Ich war anderweitig, außerhalb des Netzes (off-line) beschäftigt, und ich habe viel geschrieben. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich das Lesen in den Blogs „vernachlässigt” habe. Dabei weiß ich, daß das so nicht stimmt. Naja, in meinem Kopf geht es manchmal sehr seltsam zu.
Immer öfter zögere ich auch, einen Kommentar oder eine Erwiderung/Antwort (reply) zu schreiben. Meinem Gefühl nach gibt es viel zu viele Fettnäpfchen, in die ich treten könnte, aber nicht treten möchte: mansplaining, sexism, ableism, classism, bodyshaming usw. usf. Ja, auch ich mußte und muß oft suchen, was diese fremdsprachigen Audrücke in gerade diesem Zusammenhang zu bedeuten haben. Und ja, ich wundere mich, warum im Deutschen Sprachgebiet für viele der angegebenen und noch viele Begriffe mehr, ohne sie und ihren Gebrauch im Deutschen zu hinterfragen. Schlimmer finde ich nur noch die Verwendung von Abkürzungen (was hab ich an LuL und SuS herumgerätselt), die – vom normal verständigen Bürger – nicht verstanden werden können (des–halb tauchen an den von mir benutzten auch die Hinweistexte – Tooltips – auf). So oft habe ich mir schon gewünscht, daß wenigstens bei der ersten Verwenshy;dung erklärt wird, was solche Fremdworte und/oder Abkürzungen bedeuten, oder daß zumindest ein Link zu einer Erklärung dabeisteht.
Aber zurück zu meinem Zögern. Die Angst, falsch verstanden zu werden, mich nicht deutlich genug ausdrücken zu können, die ist in den letzten Jahren gewachsen. Daran nicht ganz unschuldig sind verurteilende bzw. abwertende Antworten und Erwiderungen zu Sätzen, die ich zum Beispiel bei Kurznachrichtendiensten schrieb: shitstorm (wörtlich: Scheißesturm; das ist eine nicht unerhebliche Anzahl von Antworten und ähnlichen Äußerungen voller dahergelaberter Scheiße, die oft nichts mehr mit der Ausgangsaussage zu tun haben). Und immer wieder wurde mir auch „typisch männliches Gerede im oft belehrenden Ton” (mansplaining) unterstellt, oder eine ehrliche und wohlüberlegte Antwort als „Humbug” abgetan (von allen Geschlechtern). Ist es da ein Wunder, daß ich mir den Mund nicht mehr verbrennen will? Da ist die Schere im Kopf immer weiter gestärkt worden, weil mein Fell nicht dick genug dazu ist, all das einfach aussitzen zu können. Mag sein, daß ich im Laufe der Jahre auch selbst empfindlicher geworden bin. Mag sein, daß es im Lauf der Zeit auch wesentlich üblicher wurde, immer gleich Gift zu verspritzen, wenn etwas nicht hundertprozentig genehm ist. Was mich natürlich zu der Frage bringt, ob ich denn mittlerweile auch (zu) häufig so ablehnend reagiere? Ich hoffe nicht.
Diskussionskultur und Streitkultur sind den Bach runter, im Arsch auf viel zu vielen Gebieten. Diskussion wird heute geführt, um die eigene Meinung durchzusetzen, stelle ich oft fest. Auch deshalb verstumme ich immer häufiger, will ich mir auch das immer seltener antun.
Sonderbar, daß mir an mir gerade jetzt auffällt, was ich an Älteren schon oft bemerkte: dieses stiller, schweigsamer zu werden und der Rückzug in mich selbst. Mein Mitteilungsbedürfnis ist noch immer ungebrochen, nur habe ich wirklich keine Lust mehr, mich danebenzubenehmen oder sinnlos in Rede und Gegenrede mich zu verstricken.
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Am 28. November 2023 war ich zufrieden mit etwas Geschriebenem, mit Bockwurst mit Brot und Senf, mit den leuchtenden Lämpchen an den Fenstern.
© 2023 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).