083–2024: Bummelzug

Heute unter dem Namen Regionalbahn bekannt …

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… und zumeist noch langsamer unterwegs als der damalige Bummelzug. Warum? Weil die Bahnstrecken mittlerweile an viel zu vielen Stellen maroder sind (ich sag nur Brücken!) als zu der Zeit, da die Deutsche Bahn noch kein privatisiertes, trotzdem komplett im Besitz der Bundesrepublik sich befindendes Unternehmen, sondern eine Behörde war. Und damals ware die Beschäftigten der Bahn ganz überwiegend Beamte. Und selbst in der DDR, bei der Deutschen Reichsbahn, gab es nur selten so kaputte Schienenwege. Damals waren auch die Streckennetze noch weit dichter, Bahnhöfe – echte Bahnhöfe mit Gebäude, Fahrdienstleiter, Fahrkartenschalter, Klo und Kneipe – gab es in vielen Dörfern und Kleinstädten. Und weil damals noch kein Profit erwirtschaftet werden mußte und keine exorbitant utopisch hohen Boni und Managergehälter gezahlt werden mußten, fuhren die Bummelzüge auch recht oft am Tag. Und sogar sonnabends und sonntags.

Ich fand und finde diese langsame Art des Reisens ganz angenehm. Ja, die Lebens­zeit war noch nicht so verdichtet wie heute, man arbeitete zwar mehr Stun­den in der Woche, hatte aber trotzdem mehr freie Zeit, denke ich. (Heute ist doch bei vielen jede Minute vollgestopft, und freie Zeit wird im Internet und/​oder mit Daddeln und Messengerdiensten verbracht.) In Regionalbahnen, den Bummelzügen von heute, könnte man all das auch tun und nebenbei noch von A nach B gelangen. Aber leider: Auch derer werden immer weniger. (Jetzt ließe sich trefflich streiten, ob das Aus­dünnen des Nahverkehrs dazu geführt hat, daß man auf dem Land nicht mehr ohne Auto von hier nach da kommt, ober ob durch die vielen Autos die Nutzung des Nahverkehrs nachgelassen hat, so daß der deshalb unwirtschaftlich und ausgedünnt bis gestrichen wurde.)

Irgendwann schrieb ich schon darüber, daß ich auf der Strecke nach Krakow am See sogar Bekanntschaft schloß mit den Einzelabteilwagen, in denen die herunter­ge­zo­gen geöffneten Fenster mit Lederriemen gegen das sebsttätige Schließen gesichert waren. Das war ein echter Bummelzug, der an wirklich jedem Dorfbahnhof auf der Strecke hielt. Er war langsam, wurde von einer Dampflok gezogen, und hatte den typischen DR-Geruch nach Tabakrauch, Kunstleder, Ölkehrspänen und natürlich dem Rauch aus der Lokomotive.

Ich gestehe: Ich brauche keine Hochgeschwindigkeitszüge, deren Fahrpreise ich nicht zahlen kann und – falls ich ein Sparpreis-Ticket haben möchte – für die ich sehr viele persönliche Daten angeben muß. Mir ist der Bummelzu, Verzeihung, die Regio­nal­bahn oder auch die S-Bahn viel lieber. Man sieht von denen aus auch mehr von dem, was draußen vorm Fenster ist auf dem Weg.

Eine Frage hätt' ich dann noch: Wann seid ihr das letzte mal mit einem Bummelzug oder einer Regionalbahn gereist?

 

(Ich hatte bei dem schlechten Wetter heute Vormittag viel Zeit zum Denken.)

 

Erinnerung des Tages:
Etwas unangenehm, aber die geteerte Pißrinne der Männertoilette auf einem mir bekannten Bahnhof ging damals einmal quer durch das Gebäude, von Bahnsteig 1 & 2 zu Bahnsteig 3.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Zufrieden war ich am 23. März 2024 mit dem dichtgebliebenen Zelt, mit dem sich zu Mittag besserndem Wetter, mit netten Scherzen.

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Über Der Emil

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4 Antworten zu 083–2024: Bummelzug

  1. Gudrun sagt:

    Wenn die Orte nicht all zu weit weg sind, vom Heimat- oder Urlaubsort, dann reise ich mit der Regionalbahn, weil ich mit meiner Behinderung nichts bezahlen muss. Ich sehe mir auch gerne die Umgebung an. Das geht im ICE nicht so gut.

    • Der Emil sagt:

      ICE ist zumeist auch für mich viel zu teuer – und braucht seit kurzem auch viele, viele persönliche Daten …

      Und außerdem bin ich ja sowieso in vielen Dingen dafür, sie mit wesentlich geringerer Hast – am besten ganz ohne – und ohne Zeitdruck zu erledigen.

  2. Carsten sagt:

    Richtig, zahlreiche Nebenstrecken sowohl im Osten als auch im Westen wurden seit den Fünfzigerjahren stillgelegt und abgebaut, im besten Fall werden die ehemaligen Trassen heute als Radweg genutzt. Richtig ist aber auch: Einige Strecken wurden seit Gründung der DBAG reaktiviert. So manche der überlebenden Strecken hat heute ein Zugangebot, auch spätabends und am Wochenende, von dem zu Zeiten von Reichs- und Bundesbahn niemand zu träumen gewagt hätte. Bei aller berechtigten Kritik an der Bahn, auch und regelmäßig durch mich, manches ist deutlich besser geworden.

    • Der Emil sagt:

      Diese Wahrnehmung hängt m.M.n. auch stark von der Gegend ab, in der eins mit der Bahn unterwegs sein muß bzw. möchte. (Die für mich einzig rühmliche Ausnahme vom oben Gesagtem sind die Mitteldeutschen S-Bahnen …)

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