2025 – 014: Stille⟺Leere

Beinahe eine philosophische Persönlichkeit.

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Es ist wohl eine jener zum Glück seltenen, aber absolut ideenlosen Zeiten, die jetzt schon drei Tage andauert. Wieder sitze ich vor dem Papier, habe die Stifte in der Hand und starre auf Linien, Kästchen und weiße Flächen. Nur die Uhr und der Wind draußen sind zu hören. Ich versuche, mir nicht das Hirn zu zermartern über den Grund der Stille in meinem Kopf. Da, wo sonst Phantasien sprießen und pausenlos Gedanken murmeln, geschieht zur Zeit nämlich nichts. Selbst die Ängste und Zweifel einer Depression fehlen.

Neunzig Minuten. Neunzig Minuten lasse ich einen jeden Versuch zu schreiben dauern. Neunzig Minuten, die immer viel zu kurz sind, eine Geschichte vollständig aufzuschreiben, die ich so häufig über­schreite. Neunzig Minuten, in denen auch heute, jetzt wieder nichts geschieht, nichts anklingt. Neunzig Minuten absolute Stille und Leere in meinem Kopf. Gespenstische Stille. Nicht nur ich bin der Meinung, daß ein Mensch nicht nicht denken kann; heute beweise ich mir, daß das doch geht. Denn diese stille Leere, diese leere Stille ist nichts andres als Nichtdenken. Als wär' in einem Tunnel jegli­che Beleuchtung ausgefallen oder in einem Bergwerk, und zusätzlich sind in eben dieser Situation alle Geräusche verstummt. Auch der eigene Atem, der eigene Herzschlag und das Rauschen des Blutes im Ohr schweigen.

Unvorstellbar ist mir diese Stille, wenn ich nicht gerade tief in ihr gefangen bin. Nach ihrem Ende bleibt auch nichts von ihr, an das ich mich erinnern könnte. Heute stand ich nach neunzig Minuten auf und da war nichts anderes übrig von ihr als ein Loch in der Zeit, eine Fehlstelle. Ich zweifle an der Existenz des Nichts, erlebe aber in diesen ideenlosen Zeiten genau dieses Nichts am eigenen Leib. (Natürlich, ich erlebe ja dennoch den Tagesablauf mit Kaffee und Bad und Essen usw. usf. Aber dieses Gefühl!) Jedesmal versuche ich in den ideenlosen Zeiten, mich durch bisher immer untaugliche, ergebnislose Anstrengungen zu produktiven Gedanken zu zwingen, zu animieren, zu motivieren. Nein, das stimmt nicht, denn auch die sind ohne Gedanken nicht möglich und entstehen somit nur außer­halb dieses Zeitraums.

Am Abend schaffe ich es dann auch an Tagen wie heute, ein paar Sätze in meinem Tagebuch zu notieren. Gerade eben fragte ich mich dabei, wie ich denn etwas beschreiben könnte, das nicht ist, das nichts ist. Wie ich einer Leserin, einem Leser denn verständlich machen könnte, was diese Leere, was diese Stille ausmacht: Das Fehlen jedes Vorhandenseins. Und ich bin glücklich, daß ich aus der Stille immer wieder heraustreten kann, die Leere immer wieder aus mir hinausbringen kann. Um auch in den ideenlosen Zeiten etwas zu haben, das ich Leben nenne.

 

 

Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Ich schaffte es, Zettel mit mir im Moment nichts sagenden Worten und Sätzen wegzuwerfen, zu schreddern sogar.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 14. Januar 2025 war ich zufrieden mit weggeworfenen Textanfängen und -bruchstücken (woah, daß ich das einmal schaffe), mit einem doch noch verwendeten Teil einer als untauglich eingestuften Phantasie, mit vereinbarten Terminen bei Ärzten.


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Über Der Emil

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3 Antworten zu 2025 – 014: Stille⟺Leere

  1. Wolfgang sagt:

    Danach sucht man bei der Meditation oft vergebens.

  2. Sonja sagt:

    Deine Schilderungen der inneren Leere gefallen mir!
    Eine tüchtig gedimmte Kreativlampe, oder so.
    Meint Sonja

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