193–2024: Dorfeinkauf

Ein heutzutage übliches und selten beachtetes Phänomen.

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Es waren keine paradiesischen Zeiten, aber andere, als es in jedem Dorf wenigstens einen Bäcker/eine Backwarenverkaufsstelle und einen Konsum, eine HO oder einen anderen Tante-Emma-Laden gab, der u.a. auch Wurst und Fleisch verkaufte. Die Menschen konnten sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad vor Ort mit allem versorgen.

Nun, die meisten (kleinen) Bäcker haben zugemacht, die Fleischer auch. Von den kleinen Lebensmittelläden haben nur sehr wenige überlebt bis heute. Aber irgendwo am Dorfrand oder im nächsten Dorf, in der nächsten Stadt gibt es ja jetzt Discounter, in denen man alles bekommt, was man zum Leben braucht. Industriebackwaren, Industriewurst und -fleisch, Obst und Gemüse zumeist aus dem Ausland. Nur: Ohne Auto kommt man da als (älterer) Mensch kaum noch hin! Auf dem Dorf fahren die Busse selten, in den Schulferien mancherorts gar nicht. Wie kauft man da ohne Auto ein? Wie versorgen sich Menschen dort mit dem Lebensnotwendigen?

Nicht überall halten die mobilen Händler/Bäcker/Fleischer, nicht überall gibt es einen (sortimentserweiterten) Hofverkauf. Nicht alle Menschen haben Kinder oder andere Verwandte oder Bekannte bzw. Nachbarn, die sie zum Einkauf fahren oder mit­nehmen. Wie machen all diese Menschen das mit dem Einkaufen? Liefern lassen von Lieferdiensten oder Versandhändlern? Auch das kann nicht jede:r. Also was tun? Wie kauft die achtundsiebzigjährige Witwe ein, deren Kinder Hunderte Kilometer weit weg wohnen wegen ihrer Arbeit, deren ähnlich alte Nachbarn sie als einzige Alte im Dorf zurückgelassen haben beim Sterben oder weil sie in ein Heim ziehen mußten? Wie soll das gehen?

In meiner Herkunftsfamilie gibt es eine Lösung für dieses Problem, zum Glück. Aber wir erinnerten uns heute an die Dörfer von früher – hier z. B. sechs Fleischer, acht Bäckereien, neun Lebensmittelläden, drei RFT-Händler mit Werkstatt, Textil- und Schuhläden, sogar zwei Lampengeschäfte u.a.m., auch Post, Sparkasse und fünf Kneipen, die ich alle noch kannte …

 

Erinnerung des Tages:
Als Kind ging ich sonnabends durch den Bach zum Nachbarn, einer Bäckerei, und holte die vorbestellten Sachen durch die Hintertüre ab, sommers wie winters.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Zufrieden war ich am 11. Juli 2024 mit den einfacher zu überstehenden Temperaturen, mit einem Spaziergang im Dorf, mit sehr guten Nachrichten.

© 2024 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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7 Antworten zu 193–2024: Dorfeinkauf

  1. Elvira Volckmann sagt:

    Kennst du den Begriff des Anschreiben lassen? Meine Familie war ziemlich arm. In unserer Straße gab es einen Lebensmittelladen, Rothbergs, zu dem ich als Kind (ich muss unter neun gewesen sein, denn mit neun zogen wir dort weg) geschickt wurde, um Milch o.ä. zu kaufen und anschreiben zu lassen. Ich wusste nicht, was das genau bedeutet und auch nicht, warum ich nicht bezahlen musste. Das wurde mir erst viel später bewusst. Es ist viel verloren gegangen in der Zeit von gestern zu heute!

  2. @deremil In dem Dorf, wo ich vor etwas mehr als 10 Jahren eine Weile wohnte, kamen 1-2 x jeweils der Bäcker- & der Tante-Emma-Wagen. Unabdingbar für viele alte Leute dort. Nächster Supermarkt in 5 km in der Kleinstadt. Dorfleben fand, außer Kneipe, nur noch hinter den Hoftoren statt. Schade. Wie auch die Stadtviertel in der Großstadt veröden. Das Viertel meiner Kindheit ist heute nur noch lebendig, weil es Szeneviertel ist. Ich weiß noch, welcher Laden sich einst in den heutigen Bars befand. 🥺

  3. Gudrun sagt:

    Bei Heinigs Marie konnte man auch sonntags eine Tüte Mehl bekommen, wenn man durch den Hof zur Küchentüre ging. Ich war gern in dem Laden, wo die kleine alte Frau hinter dem Ladentisch stand. Für uns Kinder gab es immer ein Bonbon aus dem schrägen Glas, nichts Besonderes und nicht viel, aber ich war glücklich. Mehr brauchte es auch nicht.

    • Der Emil sagt:

      Im Nachbardorf gab es das Meier-Traudl, da war das genauso. Die kam auch Sonnabend früh halb drei in ihren Laden, wenn eins klingelte, und verkaufte drei oder vier Bier.

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