Nº 181 (2022) – Mangel

Eine Kulturtechnik, eine verschwindende oder schon verschwundene?

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Der Mangel. Kennt man ja hierzulande: Peronalmangel, Fachkräftemangel, Vitaminmangel, Schlafmangel usw. usf. Alles Zustände, die – Ach nein. Darüber lasse ich mich heute nicht aus.

Die Mangel. Also die Kaltmangel. Insbesondere die Steintrogmangel. Ich weiß, daß viele jüngere Menschen dieses (oft erstaunlich leise!) Ungetüm nicht mehr kennen; auch die Heißmangel fällt langsam der Vergessenheit an. Ich erinnere mich an den kleinen, leise surrenden Elektromotor, der über einen handbreiten Transmissionsriemen und ein riesiges Rad eine Zahnrad-/Zahn­stan­genkon­struk­tion und damit den Holzkasten bewegte! Jedenfalls waren die öffentlich zugänglichen Mangelstuben (oft in von außen zugänglichen Unter­geschossen zu finden) früher™ etwas völlig Normales. Im Heimatdorf gab es fünf oder sechs davon. Zu zweien begleitete ich meine Großmutter immer mal wieder. Und stolz war ich, wenn ich die Maschine ein- und ausschalten durfte. Oma wickelte die Wäsche mit dem Mangeltuch auf den Docken (die Mangel­rolle). Dann wurde die Rolle unter den schweren Holztrog mit Steinen gelegt, das Schutzgitter geschlossen. Eine einzige Bewegung des Ungetüms zur anderen Seite und dann dort eine zweite Rolle daruntergelegt. Und dann wurde die Wäsche kalt gemangelt. Ein paar Minuten lang, nach Gefühl. Maschine anhalten, erste Rolle wechseln, zur anderen Seite laufen lassen, zweite Rolle tauschen. So ging das für eine knappe Stunde, bis der große Wäschekorb auf dem Handwagen komplett druchgemangelt war. Der Vorteil des Kaltmangelns? Druch den hohen Druck auf das Gewebe wurde Bett- und Tischwäsche (und andere Haushaltwäsche) sehr glatt und glänzend. Das bekommt niemand so zuhause hin.

Jedesmal trug Oma sich auch ins Mangelbuch ein, ein Oktavheftchen an einer Schnur, an der auch ein kurzes Stück Bleistift hing, meist für vier Wochen später. Und es wurden Münzen in eine Blechkiste mit Schlitz gesteckt – ich weiß den Betrag nicht mehr, aber es waren weniger als fünf Mark. Und Oma ging NIE zur Heißmangel, das Ergebnis von der stand ihr nicht an … Ungefähr so sah das damals übrigens aus:

 

 

Was wohl (später) unsere Enkel von all den sonderbaren Dingen halten, die wir so im Alltag taten (CB-Funk zum Beispiel, Telegramme verschicken, Gepäck aufgeben bei Bahnreisen, Kartoffeln und/oder Kohlen einkellern)?

 

Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.

Der Emil

 

P.S.: Gut fand ich am 30.06.2022 das entspannte Lesen am Morgen (gegen 5 Uhr zum Wiedereinschlafen), die weggebrachten Bücher (ohne wieder mitgenommene).
 
Für morgen zog ich die Tageskarte VIII – Die Kraft.

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Über Der Emil

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11 Antworten zu Nº 181 (2022) – Mangel

  1. Nati sagt:

    Schade, ich hätte gern den ganzen Vorgang gesehen, mit Wäsche einlegen und Co. Finde solche Dinge immer interesant.

  2. Stefan Kraus sagt:

    „TM“ – cool 😂

    Im Zimmer nebenan steht eine alte Handmangel. An Mangel mangelts auch mir nicht.

  3. Gerel sagt:

    Meine Mutter nahm mich als Kind oft mit zur Kaltmangel in Wittenberg. Es war genauso, wie du es beschrieben hast. Doch bei uns lag zum Anmelden ein dickes Heft mit Holzflock dran.
    Kindheitserinnerungen!

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