Ein Drittel war noch geblieben, sogar weniger als ein Drittel.
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Dann ging er einfach. Sagte kein Wort mehr. Drehte sich um und ging. Einfach so. Was sollte er denn auch anderes tun? Es war wohl alles gesagt. Er hatte alles gesagt. Hatte von seiner Liebe zu ihr gesprochen. Vom Moment des Kennenlernens. Von der Wärme, die er da plötzlich gespürt hatte. In sich. Jedes Mal, wenn er sie sah. An sie dachte. Nicht einen einzigen Vorwurf hatte er ihr gemacht, nicht den kleinsten. Obwohl da auch Momente waren, in denen er sich verletzt gefühlt hatte. Und ganz sicher hatte er ihr auch viel öfter wehgetan als er wollte und überhaupt bemerkte. Mit Tränen gingen sie allerdings beide sparsam um all die Jahre. Sehr sparsam. Nie gespart hatte er an Versuchen, ihr nahe zu sein. Sie zu berühren. Körperlich und seelisch und vor allem im Herzen. Jetzt ging er einfach weg.
Nach zwanzig Jahren war ihr Grab eingeebnet worden. In all den Jahren hatte er sie jede Woche besucht. Jetzt war er sechs Wochen im Krankenhaus gewesen. Und das Grab war weg. Es hatte sicher auch keinen Sinn, ihr nach diesen zwanzig Jahren einen ergänzten Nachruf zu schreiben: „Es fehlen mir zwei Drittel meines Lebens. Du bist weg und unser gemeinsames Leben ist weg. Da bin nur noch ich. Ich bin allein und habe jetzt keine Gelegenheit mehr, Dich in den Arm zu nehmen. Auch Dein Grab fehlt mir von nun an.”
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Entstanden aus einer Notiz, die ich im Herbst 2000 zu einem Erlebnis auf einem Friedhof machte:
- Alter Mann auf frisch eingeebnetem Gräberfeld
- höre ihn sprechen, versteh aber nichts
- Mann geht schw.(eren) Schrittes von dannen
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Gut fand ich am 01.03.2022 die verarbeitete Notiz, die letzte produzierte Magazinsendung, die für zwei Wochen gestellten Medikamente.
Für morgen zog ich die Tageskarte Sieben der Schwerter.
© 2022 – Der Emil. Text Bilder unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Bewegend, Emil !
Danke.
Gern gelesene Miniatur/Kürzestgeschichte.
Wie eine Regieanweisung:
alter Mann geht schweren Schrittes – ab…
Sehr eindrücklich!
Danke.
(Ja, so sah das damals wohl aus.)