Etwas aus einem Buch, das ich gerade (u. a.) lese.
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Eines der drei Bücher ist eine Anthologie der Reihe „SF Utopia” aus dem Verlag Das Neue Berlin, erschienen 1988 (1980). Darin sind Texte polnischer, sowjetischer und tschechischer Autoren über Kyborgs, Unsterbliche und Mutanten versammelt, in denen die Fragen nach Menschlichkeit und Menschsein gestellt werden. Eine der faszinierenden Geschichten heißt „Schaben”. Deren Anfang ist … Nun, das dort Beschriebene werden vielleicht viele kennen:
Ich habe keine Lust aufzuwachen. Ich weiß genau, mache ich die Augen auf, fängt das Karussell wieder von vorne an. Eine Umdrehung in vierundzwanzig Stunden. Tagaus, tagein, Monat um Monat und Jahr um Jahr. Im Schlaf kann mann die Welt formen, wie es einem gerade gefällt: sie nach eigenem Gutdünken zuschneiden und mit den wunderlichsten Gestalten besiedeln, die Zeit aufhalten oder sie mir nichts, dir nichts zurückdrehen.
Im Schlaf bin ich der Herr der Welt, doch am Tage … Aber es lohnt ja nicht, Gedanken daran zu verschwenden. Man soll zehn Minuten mit geschlossenen Augen liegenbleiben und sich ausschließlich angenehme Dinge vorstellen. Ein blödes Rezept. Mit anderen Worten, nicht an das denken, was einen in der Wirklichkeit erwartet. Nicht an den anbrechenden Tag, nicht an das Manuskript auf dem Tisch. Am besten an gar nichts denken! Eine uralte, naive Weisheit, kindliche Vorstellung von der Allmacht der menschlichen Psyche. Der bewußte Strohhalm für den Ertrinkenden.
Ilja Warschawski: Schaben. In Erik Simon (Hrsg.):
Die Rekonstruktion des Menschen. Phantastische Geschichten. S. 173
© Verlag Das Neue Berlin, Berlin, DDR · 1988 (1980).
1. Auflage dieser Ausgabe. ISBN 3-360-00846-5
Ich gönnte mir dieses Liegenbleiben sehr lange Zeit, pflegte währenddessen luzide zu träumen. Das dauerte durchaus auch mal zwei Stunden und war immer sehr angenehm für mich. Ich habe jedoch nie wachgelegen und an ausschließlich positive Dinge oder gar gar nichts gedacht.
Seit Juni dieses Jahres werde ich morgens zwischen 4.00 Uhr und 6.00 Uhr wach, ohne einen Wecker zu brauchen. Warum das so ist und wieso sich das sozusagen von einem auf den nächsten Tag änerte: Ich habe keine Ahnung. Ich habe üblicherweise Lust aufzustehen und den Tag so früh mit Kaffee und Keks beginnen. Ich lebe gut mit dem neuen Rhythmus, nicht schlechter und nicht besser als „damals” als Eule, nur anders. Das luzide Träumen am Morgen fehlt mir ein klein wenig, doch oft habe ich die Gelegenheit dazu in einem Nickerchen tagsüber. Diese dreiviertel bis eine Stunde Pause gönne ich mir.
Und über diese Allmachtsphantasie, die ich in der Depression in anderer Form hatte (ich wäre am ganzen Elend der Welt schuld, bildete ich mir oft ein), lächele ich heute nur müde. Denn sie hält keiner Überprüfung in der Wirklichkeit stand. Was würde meine Nichtexistenz denn schon an der Gesamtsituation ändern? Die Politikerdarsteller wären deshalb nicht empathischer als jetzt, die Kriege fänden auch ohne mich statt, Sozialleistungen in der BRD wären auch ohne mich oft viel zu niedrig.
Für viele ist das erwähnte Karussell nichts anderes als das Hamsterrad, in das man täglich gezwungen wird. Welcher Zwang das genau ist, spielt keine Rolle. Vier oder fünf Tage jeder Woche ist es mindestens notwendig, fall man sich nicht gerade „nur” um den Haushalt und / oder die Familie kümmern muß. Das oben im Zitat erwähnte Rezept jedenfalls: Hilft das irgendjemandem wirklich?
Erinnerung des Tages:
Vor vielen Jahren hatte ich die Idee zu einem Bastelprojekt, über das ich heute ein kurzes Gespräch führte.
Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.
P.S.: Zufrieden war ich am 22. November 2024 mit dem schnellen Einkauf (keine 45 min für zwei Geschäfte und Weg), mit der nachmittags auf der Couch verbrachten Zeit, mit dem unverhofften Gespräch über längst vergangene Zeiten.
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(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).