Tagebuch A: Sonnabend, 15. Januar.
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Beim Kaffee heute früh ließ ich die ersten beiden Wochen dieses Jahres Revue passieren. Und merkte, daß kaum etwas vom bisher Erlebten sich so aus dem Alltag hereushebt, daß ich es für aufhebenswert halte – nun ja, bis auf die Tatsache, daß meine Frau noch immer nicht wieder zuhause ist. Oder: Hat sie jetzt ein neues Zuhause gefunden, eines ohne mich? Ich wundere mich, wie sehr mich ihre Abwesenheit beeinträchtigt in Dingen, die ich als kaum von ihr abhängig wahrnahm: das Essen, das Schreiben und das Schlafen zum Beispiel. Es scheint, als hätte ich ziemlich viele Schreibanregungen mehr oder weniger von ihr bekommen, ihr abgelauscht, in ihrem Handeln gesehen. Sonderbar und merkwürdig.
Ich will alle meine Kladden zusammensuchen, sichten und an einem Ort lagern.Unsicher bin ich, ob ich sie besser doch alle abfotografiere oder scanne (zum späteren Abtippen in den Computer, momentan bin ich dazu zu faul). Und mit meinen Handschriften wird eine Texterkennung wahrscheinlich nicht zurechtkommen. Ob überhaupt etwas von dem Gekritzel erhaltenswert ist und in der Zukunft jemanden interessiert, ist ungewiß – wenn nicht gar unwahrscheinlich. Jedenfalls bin ich mir sicher, daß ich nichts von meinen Notizen vernichten oder wegwerfen werde, auch keinen von den roten Texten. Das überlasse ich denjenigen, die sie vielleicht irgendwann einmal finden werden.
Am Nachmittag war ich draußen. Es ist Schmuddelwetter, kein wirklicher Winter. Grau und naß, ungemütlich. Da ich aber eine Treppe fotografieren wollte, die direkt neben einer Brücke hinunter ans Wasser führt, war ich eben unterwegs. Der Pegel des Flusses war etwas höher als normal; ich bin mir nicht sicher, ob zwei oder drei Stufen im Wasser verschwunden waren. Das floß träge dahin, gemächlich und auch grau, ganz dem Wetter entsprechend. Es hat nicht geregnet, ich blieb also trocken heute. Zu kalt war es auch nicht gewesen … Nur eben ungemütlich. Auf dem Heimweg holte ich dann gleich noch Brot und Kartoffeln und Milch, und auch zwei Tafeln von der billigen Schokolade.
Ein Weilchen war ich heute Abend mit meinem Kladdenplan beschäftigt, begann damit, ihn umzusetzen. In einer Klappbox, die natürlich erstmal im Weg herumsteht, liegen jetzt die ersten Kladden, die ich aus dem einen Schubkasten und aus einem Fach ganz unten im Schrank hervorholte, 13 Stück bisher. Darin zu lesen versagte ich mir heute.
Mit diesem Text wird das geerbte Tagebuch fortgesetzt. Alle Teile der Erbkladden-Serie sind in diesem Link in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge (neueste zuerst) zu finden. Über eines der Notizbücher erzählte ich ja schon vor langer Zeit, im November 2012. Ich tippe die kleinen blauen lateinischen Buchstaben ab, immer mal wieder. Erst jetzt nämlich darf ich abschreiben aus den „von einem Freund geerbten” Kladden mit dieser winzigen Schrift.
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Am 11. September 2023 war ich zufrieden mit dem Ausschlafen und der in Ruhe getrunkenen ganzen Kanne Kaffee, mit den Nudeln mit roter Soße.
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