Nº 251 (2016): Überfordert?

Sitzend vorm leeren Blatt

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Horror vacui wird (in der Kunst) der Zwang genannt, alle leeren Flächen zu füllen. Ich hatte gestern eher Angst (oder Abscheu?) vor den leeren Seiten der Kladde und saß davor wie das Kaninchen vor der Schlange. Und saß. Und saß und saß und saß und saß (da capo al fine ad libitum). Zuhause, in der Funkenkutsche, auf dem Marktplatz, im Radio. Kladde auf, Hirn leer, Schreibhand gelähmt. Kein einziger Satz, keine kurzen Gedichte, nichts wollte.

Das ist seltsam. Bisher war ich immer in der Lage – und wie es aussieht, bin ich es jetzt doch wieder –, einen Blogbeitrag zu verfassen? An diesem Tag aber schien es zum ersten Mal wirklich nicht zu … Aber Moment, da waren ja auch schon einige Pausen, in denen ich “nur” Pausenbilder veröffentlichte und keine “richtigen” Beiträge. Naja, aber auch für so ein Bild hatte ich gestern keine Idee. Ich fand auch nichts, das ich hätte fotografieren wollen für den Blog. Die Arbeit lief routiniert und ohne Höhepunkte oder Probleme ruhig vor sich hin. Die Sendungen gestern Abend waren so, daß ich gerne zuhörte, mit den Gedanken in die Vergangenheit eintauchen konnte, mich an schöne Zeiten und Erlebnisse erinnerte. Blickte ich auf die leeren Seiten, wollte sich ein schlechtes Gewissen anschleichen, das merkte ich. Deshalb machte ich irgendwann kurz vor elf die Kladde zu und fuhr ohne fertigen Text heim.

War ich nach so langer Zeit, da mir das tägliche Bloggen zur lieben Gewohnheit, zur Konstante im Leben wurde, jetzt damit überfordert? Bin ich damit überfordert? Bin ich leergeschrieben? Ist meine Phantasie erschöpft (im Sinne von aufgebraucht) oder nur erschöpft (im Sinne von erholungsbedürftig)? Darüber machte ich mir auf dem Heimweg Gedanken. Und schrieb dann doch noch unterwegs in die Kladde (okay, eigentlich schreibe ich ja gerade, jetzt, im Augenblick; aber wenn der Text gelesen werden kann, liegt seine Entstehung ja in der Vergangenheit). Ich mußte sogar umblättern, weil es mehr wurde als eine Seite fassen kann …

 

Ich skizzierte auch noch einen kleinen Text, der sich irgendwann wieder in eine Anzahl miteinander verwobener Geschichten auswachsen kann. Die Idee ist festgehalten, verschiedene Seitenstränge sind in Stichworten notiert. Werde ich es schaffen, daraus runde “Kapitel” zu formen, vielleicht nicht in sich geschlossen, aber doch zueinanderpasssend, aufeinanderaufbauend? Ich will es versuchen, ja, das will ich. Denn irgendwann sollte es doch auch mir gelingen, einen unterbrochenen Schreibfluß wiederaufnehmen zu können, mich wieder einzufühlen in eine meiner Geschichten. Und wenn es mit einer klappt, da bin ich mir sicher, dann klappt es auch mit vielen anderen; dann bin ich sogar in der Lage, meine herumliegenden Anfänge (Prinz Hans zum Beispiel) zu einem Ende zu bringen. Leider kann ich nicht versprechen, daß es immer ein gutes, ein glückliches Ende werden wird. Aber der Wunsch ist da. Und vielleicht ist es ja wie mit dem Gehen: Ich muß es nur tun …

 

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

Der Emil

P.S.: Positiv am 6. September 2016 waren das Ausschlafen und gute Musik in den Abendsendungen.
 
Tageskarte 2016-09-07: DIe Vier der Münzen.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu Nº 251 (2016): Überfordert?

  1. Jaelle Katz sagt:

    Für nix ist das ganz schön viel

  2. wildgans sagt:

    Kann denn ein Mensch jemals „leer geschrieben“ sein?
    Das glaube ich nicht, es sei denn, man sinkt ins Koma oder versteinert – Emil aber läuft noch lange mit offenen Sinnen durch die Welt – und da kommt immer was…

    • Der Emil sagt:

      Manchmal ist nur wenig – gefühlt nichts – da, was rausgeschrieben werden will, und das fühlt sich wie leer an. Klar, dann hängt alles nur hinter einer Mauer, einem Damm fest …

      Das Kunststück, dann trotzden etwas zu schreiben, gelingt mir meist. 😉

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