Fahrstuhlfahren (#219)

Das therapeutische Bild umsetzen

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Wie – drei Tage lang immer nur ein Spruch? Da muß doch was … So ist der Kerl doch sonst nicht?

Stimmt. Da ist was. Ein ganz großes Loch, an dessen Abgrund ich stehe. Es ist ein privates, genauer: ein Ungewißheits-Loch. Randvoll mit Ängsten. Ein paar Brocken Panik sind daruntergemischt. Vergiftet wird das Ganze mit drohendem Selbstwertverlust.

Gefragt sind jetzt die Dinge, die ich in der Tagesklinik gelernt habe: Erst die Suppe loben, dann die möglichen Verbesserungen aufzeigen. Meine eignen Bedürfnisse finden, und sie auch aussprechen. Und zwar an der richtigen Stelle, also nicht hier im Blog.

Nicht von den Ängsten darf ich mich leiten lassen. Das Schöne hier in meiner Umgebung muß ich sehen, es aufnehmen in mich und mich daran erfreuen. Eine Angst ist nur eine Angst. Mit rationalen Gedanken kann ich das irrationale der Angst aufdecken und sie damit platzen lassen, sie besiegen.

Die Angst darf sich nicht vergrößern, darf nicht noch «Kinder kriegen». Wenn ich sie nämlich gewähren lasse in ihrer Unmöglichkeit, dann dreh‘ ich durch, werde ich verrückt vor Angst. Dann (re-) agiere ich unüberlegt.

Unüberlegt handelte (Konjunktiv!) ich dann auch gegenüber den Menschen an meiner Seite, um mich herum. Vielleicht würde ich sie bedrängen, Unterstellungen und Vorwürfe und Vorhaltungen machen, völlig überzogene Forderungen stellen. Die Freundschaften wären arg belastet.

Und wenn ich mich sogar gegenüber meiner Liebsten so danebenbenähme, dann … Dann könnte ich wohl alle Hoffnung fahrenlassen- Also?

Ach, wahrscheinlich kennen es viele. Mein Wissen ist da, aber seine Anwendung und Umsetzung sind sooooo schwierig. Es ist nicht leicht, wirklich nicht leicht, eine Angst nicht aufkommen zu lassen; und es ist noch schwerer, sie im Fall des Falles wieder niederzukämpfen.

Es ist – glaube ich – Zeit, den Fahrstuhl nach unten anzuhalten. Ah, er steht schon. Jetzt nur noch den Knopf finden, der das Ding wieder nach oben fahren läßt.

Oder kann jemand den Fahrstuhl nach oben rufen? Nein?

Ich such‘ den Knopf. Ich werde ihn schon finden. Vorerst ist es gut, daß es nicht weiter abwärts geht. Das fühlt sich schon fast wie ein kleiner Erfolg an.

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

Nachsatz, den ich in einem Krimi aufschnappte: «Es soll Menschen geben, für die verwandelt sich ein Geschenk gleich in eine Schuld.» (Hakan Nesser, Sonntag 1.22 Uhr gesehen) Bin ich auch so?

P.S.: Positiv am 5. August 2012 war der Spaziergang in der Stadt.

© 2012 – Der Emil. Text & Bilder stehen unter der Creative Commons 3.0 Unported Lizenz
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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu Fahrstuhlfahren (#219)

  1. Follygirl sagt:

    („gefällt mir“… natürlich gefällt es mir nicht, das es Dir nicht gut geht, soll nur heißen, ich habs gelesen)
    Hoffe sehr, das Du Dich erfolgreich aus dieser Situation heraus holen kannst… denke an Dich!
    LG, Petra

  2. die luzie sagt:

    Du sprichst mir aus der Seele …

  3. Ich finds gut, das du es geschafft hast , den Fahrstuhl anzuhalten. Du wirst es auch schaffen, den Knopf zu finden, der dich wieder nach oben bringt.

  4. sweetkoffie sagt:

    Angst … ja die kenne ich auch, sie ist ein aufdringliches Ding, das immer wieder, wenn ich gerade nicht gut aufpasse, versucht ihren spitzen Schuh in meine Tür zu schieben, aufdringlich klopft und sich bemerkbar macht. Ich will sie aber nicht hereinlassen, sie soll weiterziehen, dieses Scheißangst ….

    LG
    SK

  5. Elvira sagt:

    Die Angst als steten Begleiter müssen wir akzeptieren. Sie ist eine uralte Überlebensstrategie. Ohne Angst gäbe es uns Menschen nicht mehr. Soweit gehen wir sicher konform. Aber da sind diese Ängste, die uns kein Überleben sichern, sondern uns scheinbar an selbiges gehen wollen. Gegen die wir manchmal kämpfen wie gegen die berühmten Windmühlenflügel. Dein Vergleich mit dem Fahrstuhl ist ein sehr guter, wenn Du weißt, wieviele Stockwerke er nach oben und nach unten erreichen kann. Und da Du ihn anhalten konntest, kannst Du Stockwerk für Stockwerk wieder nach oben fahren. Gib den Stockwerken nach oben doch Namen, so ähnlich wie Deine Positiveinträge am Ende der Posts. Ich wünsche Dir eine gute Fahrt nach oben!

    • Der Emil sagt:

      Dieser Fahrstuhl. Er war ein Bild, das bei der Überwindung der depressiven Abwärtsspirale helfen soll oder kann und mir hilft. Die Namen sind einfach die Stockwerksnummern: eigentlich -10 bis +10; aber es geht für mich als Depressivem eben bis -100. Das Gleichgewicht in der Bewertung / im Erleben von Hoch (max. +10) und Tief ist gestört.

      Deshalb ist für mich -5 von -100 schon gut. Und bei -5 hätte ich noch nicht darüber schreiben können, ich bin also im Ergeschoß. 🙂

  6. Gudrun sagt:

    Wenn ich nicht so ein Schlaffi wäre und nicht so ein technisches Rindviech, dann würde ich den Fahrstuhl anhalten. Aber Moment! Reichen auch Wollfusseln?
    Pass mal auf, lieber Emil. Du wolltest zu einem Workshop nach Leipzig, gell. Wenn du möchtest, kannst du auch eher mal kommen. Wenn alle Stränge reißen mit dem Fahrrad. Bis zum Donnerstag Abend ist mein Jan noch da. Der ist aber wirklich in Ordnung. Kannste glauben.
    Das Schlimmste, was dir passieren kann im Moment ist, dass du mitkommen musst in einen Leipziger Garten. Dort gibt es Brunnenwasser und ich darf dort Schafwolle waschen. (Naja, und Grillen und ein Bierchen trinken darf ich auch. :D)
    Manchmal ist es nicht gut, alleine mit seinen Ängsten zu sein. Und manchmal, wenn man überhaupt keine Zeit für sie hat und auch noch ab und zu was zum Lachen hat, werden sie ganz klein. Sie verstecken sich, lauern, aber zu melden habe sie nix.

    Einen Gruß von gleich nebenan

    • Der Emil sagt:

      Liebe Gudrun,

      so schlimm ist es nicht und so schlimm laß ich es nicht wieder werden. Danke trotzdem für Dein liebes Angebot, Garten find ich immer richtig schön. Wir werden am 15. abends irgendwo ein leckeres Bierchen trinken – vielleicht kommt ja noch jemand dazu? – darauf freu ich mich.

      Danke!

      • Gudrun sagt:

        Ja, ganau so! Es geht ja nicht um tränenreiches Trösten, aber was unternehmen sollte man immer. Wenn es dir zu weit ist bis Leipzsch, dann können wir auch probieren, wer als erstes in Bad Dürrenberg ist. 😀 (Und mitbringen kannst du auch noch andere. Gerne.)

  7. Himmelhoch sagt:

    Lieber Emil, gut, dass du dennoch einiges hier im Blog über deine Ängstge und Gefühle schreibst bzw. schreiben kannst. Ich für mich muss das Wort „Angst“ gegen ein anderes austauschen, was mir ähnliche Beschwerden macht – und auch bei der Depression bin ich eher am anderen Ende angesiedelt – beides ist für mich und die Umwelt nicht immer leicht.
    Toitoitoi sagt Clara

  8. april sagt:

    Anhalten und nicht weiter nach unten ist schon mal gut. Jetzt aussteigen oder weiter nach oben, vielleicht zu Fuß, auch wenn das mühsamer ist …
    Alles Gute für dich, April

    • Der Emil sagt:

      Oben sagte ich ja schon, daß ich wieder im Erdgeschoß bin. An meinem Bewertungsmaßstab muß ich ganz sicher auch noch feilen.

      Und mittlerweile weiß und erlebe ich ja, daß es der Mühe lohnt. (Denke Dir hier noch einen kleinen, stolzen Freudenschrei, so ein „chakkah“.)

  9. christA sagt:

    „Erst die Suppe loben“? – Wenn sie versalzen ist, was gibt es dann zu loben? – Mir schmeckt dieser Therapeutenrat nicht.
    Den Vergleich zwischen Deiner Befindlichkeit mit dem Fahrstuhl finde ich gelungen. Es geht nicht von selbst weiter abwärts (es sei denn, das Seil reißt.), und aufwärts gehts nur, wenn Du selbst den Knopf drückst.
    Ein großer Erfolg ist es, täglich zu schreiben und täglicher etwas Positives im Tagesgeschehen zu finden.
    Zum Gedanken aus dem Krimi fällt mir ein, dass im virtuellen Zeitalter z.B. per Hand geschriebene Briefe seltener werden, obwohl sich Empfänger sehr über dieses „Geschenk“ freuen. Eine Weile denken sie daran, zurück zu schreiben. Dann tun sie es nicht, und nach einer Weile entwickeln sie Schuldgefühle wegen ihrer Unfähigkeit, sich einfach an einen Tisch zu setzen und zu schreiben. Anstatt dessen machen sie den PC an und sind gierig, wer ihnen Emails geschickt hat… Ist das etwa ein geschickter Umgang mit sich selbst?

    • Der Emil sagt:

      Zunächst ist es – unabhängig vom Geschmack – etwas zu essen, und die Suppe ist vielleicht nicht kalt und mit wirklich vielen guten, frischen Zutaten gekocht. Das kann ich dem Koch mitteilen, ehe ich ihm dann sage, daß er in Zukunft weniger Salz verwenden sollte? Auf die Art ist der Rat nicht ganz so dumm: etwas Positives finden und nicht nur das Schlechte sehen ist eine der Verhaltensweisen, die ich als Depressiver lernen mußte.

      Ich schreibe grad wieder einen Brief mit der Hand – diesmal bei der Aktion von Frau Sieben 😉

  10. luiselotte sagt:

    Ich war früher so….bekam ich ein Geschenk, war in meinem Kopf, was schenke ich dann? Und trug die ‚Schuld‘ in mir. Meine Freundin ist immer noch so…hab ich Geburtstag werde ich wochenlang bedrängt, was sie mir teures Wertvolles schenken kann, genau so, dass ich nur Ihres betrachte und sehe.
    Für mich hat sich die Welt verändert. Ich bin achtsam und erlebe Glücksminuten als Geschenk. Heute z. B. erfuhr ich, dass meine abgeschlossene Erzieherinnenausbildung 1993 und meine langjährige Berufsausbildung einem Hochschulabschluss gleich kommt und ich mit diesem Wissen studieren darf un einem Bachelor of Arts machen kann.
    Ich kann noch nicht sofort reagieren. Ich kann nur hier sitzen und staunen, und lächeln und mich freuen. Es ist ein Riesengeschenk.
    Als Mädchen durfte ich nämlich nicht aufs Gymnasium gehen, obwohl mein IQ überdurchschnittlich war bzw. ist. Ich durfte auf eine Klostermädchenrealschule gehen, obwohl ich viel lieber auf die staatliche Schule gegangen wäre, um dort den mathematischen Zweig zu belegen.
    Und jetzt wird ein Traum wahr und nur dieses eine Glücksgefühl unter ganz vielen Ängsten und einem äusserst regen unguten Kopfkino, macht mich heute stolz.

    Die allerherzlichsten Grüße….Luise-Lotte

  11. minibares sagt:

    Mit Depressionen kenne ich mich gar nicht aus.
    Aber es ist prima, dass du den Abwärtstrend anhalten kannst. Das bedeutet, dass es nach und nach wieder aufwärts gehen wird.

  12. syntaxia sagt:

    Ich nenne es die Achterbahn des Lebens, es war die Fahrt nach unten angesagt, jetzt nur nicht zu stark bremsen, sonst kommst du ja nicht hoch – also Gas geben und es geht AUFWÄRTS!! Es klappt bestimmt! (habe es viele viele Male auch getan)

    ..grüßt dich Monika herzlich

  13. kreadiv sagt:

    Ich freue mich an dieser Stelle einfach mal (zusammen mit Dir?) über diese vielen mitfühlenden und herzlichen Kommentare! Ist doch ein positiver Hammer!!!
    🙂

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