Warum ich NICHT im Kloster bin

Wieso ich nicht im Kloster bin

Im Juli 2004, ich war wenige Wochen vorher gerade 41 geworden und auf dem absoluten Höhepunkt meiner Lebensmittenkrise, klopfte ich nach zweijähriger Recherche und reiflicher Überlegung an die Pforte eines Klosters in der tatsächlichen Absicht, Ordensmitglied – vulgo Mönch – werden zu wollen. Ich hatte tausend gute Gründe, nichts zu verlieren und meinen Glauben sehr exakt ausgerichtet auf das Leben als Franziskaner – ich fühlte mich berufen und bereit.

Warum das Kloster? Weil ich mir auch andere communitäre Lebensformen angesehen hatte, wie z. B. die Schenker oder Naturkommunen – und keine versprach mir die Lösung aller meiner Probleme so einfach und gründlich wie das monastische Leben. Und es sollte ganz traditionell sein, zurückgezogen auf mich selbst, ohne einen nennenswerten Rest des von mir nicht mehr gewünschten "normalen" Lebens.

Communitär? Etwa sowas wie die legendäre "Kommune 1" damals in Berlin? Mit "freier Liebe"? Nein. Einfach eine Gemeinschaft von Menschen, die gleich unter Gleichen leben und sich an die selbstauferlegten Regeln halten, und dann noch ohne den Streßfaktor sexueller Leistungsdruck.

Zu den Schenkern wollte ich dann doch nicht, weil Öff!Öff! und Co. zu "naturnah" leben (wer nicht weiß, was damit gemeint ist, bemühe eine Suchmaschine seiner Wahl: Schenker Bewegung Dargelütz). Andere Communen wollten Geld dafür, daß man ihnen beitritt. Manche "religiösen" Communitäten haben andere Zugangsvoraussetzungen. Klöster und / oder Orden fordern nur die evangelischen Räte:

  • Keuschheit
  • Armut
  • Gehorsam

So kam es an jenem Tag zu meinem Besuch im örtlichen Franziskanerkloster (ich war vorher schon in anderen Communitäten). Es ergab sich ein wunderbares Gespräch mit einem der Brüder, das etwa drei Stunden dauerte. Es ging um Gott, und um die Welt, um die monastische Lebensform und ihre Regeln. Ich fühlte mich an genau dem richtigen, für mich richtigen Platz. Bis zum Ende des Gespräches, einer Frage und meiner wahrheitsgemäßen Antwort darauf:

"Und wie alt sind Sie jetzt?"

"41."

"Damit sind sie als Nicht-Katholik für den Eintritt in unseren Orden zu alt."

Ein Traum. Einer, der mit nur einem Halbsatz, eigentlich nur mit zwei winzigen Worten platzte: "… zu alt …"

Diese zwei Worte waren der Grund, warum ich nicht im Kloster lebe.

Mittlerweile finde ich es sogar besser, daß es nicht so kam, wie ich es erträumte. Mittlerweile habe ich ein anderes Leben gefunden. Und viele Freunde, die ich nie kennengelernt hätte. Und einen anderen Glauben.

Danke, daß es das alles gibt.

Erstveröffentlichung 2009-07-28
Der Emil

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0 Antworten zu Warum ich NICHT im Kloster bin

  1. michelle sagt:

    Hi Emil,

    wie witzig, auch ich wollte nach vielen Besuchen bei Gemeinschaften bei den Franziskanerinnen eintreten. Es hat aus anderen Gruenden nicht geklappt. Und auch ich denke mittlerweile, dass das Leben „draussen“ auch nicht so schlecht ist.

  2. schwemmgut sagt:

    Hallo Emil,
    ich bin über deinen Blog gestolpert und habe ein paar deiner Blogeinträge gelesen. Auch wenn du kein Franziskaner wirst bzw werden kannst, möchte ich dir ein Buch empfehlen, welches ich gerade lese: „Franz von Assisi und die Liebe Gottes zu den Armen“ von Leonardo Boff. Da sind interessante Gedanken beschrieben, die dir als Querdenker gefallen könnten.

    • der_emil sagt:

      Herzlich willkommen hier,

      das Buch kenn ich (glaube ich, aber bin ein Vielleser und führe nicht Buch – kann mich also irren 😉 ).

      Meinen Gegenbesuch im schwemmgut trete ich nach MItternacht an.

      Danke!

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  10. Sofasophia sagt:

    Ich hätte dein Blog vermisst.
    Oder hättest du vom Kloster aus wohl auch gebloggt? 😉

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