Gewerbehofhinterhofhundeausführkrimi. Mit Happy End.
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Nur selten gehe ich auf der abendlichen Runde mit Waltrud von der Asseburg – eine Riesenschnauzerin, die auf ihren vollen Namen besteht, wenn sie einem Kommando gehorchen soll – hinten herum um den kleinen Gewerbehof. Heute sind wir früh genug, um die fünfzehn Minuten zusätzlichen Wegs zu schaffen. Plötzlich aber bleibt der Hund knapp vor mir wie angewurzelt stehen, höchste Anspannung im Körper, bereit, jederzeit loszujagen. Die Ohren aufgestellt, witternd, den Blick zum nicht eingezäunten Hinterhof der Fahrradwerkstatt vom alten Zausel gerichtet. Sie knurrt sehr, sehr leise, und signalisiert mir damit irgendetwas Ungewöhnliches. Und ja, da war vor wenigen Sekunden ein dumpfes Geräusch; aber ich konnte es nicht zuordnen, nichteinmal die Richtung, aus der es kam, war für mich einigermaßen sicher festzustellen.
Ich fasse Waltruds Leine kürzer und wir gehen in die Richtung, in die sie mich zieht. Was nimmt der Hund wahr, daß ich noch nicht entdecken kann? Außerdem stehen hier hinten nur schrottreife, nicht mehr zu gebrauchende Fahrradteile, also kaputte Rahmen, Räder mit ikonischen Achten, einige Kisten mit unbrauchbarem Kleinschrott und eine ziemlich große Holzkiste, in der der Zausel Reifen und Schlüche und anderes Gummizeug sammelt. Wer von hier hinten Altmetall entwenden will, muß jedes Teil gut sechshundert Meter weit tragen, durch einen schmalen Gang zwischen zwei Grundstücken bis vor an die Straße. Also rechne ich nicht damit, auf Schrottdiebe zu treffen. Eher wird sich ein Tier hierher verirrt haben. Aber es muß etwas sein, das die Instinkte meiner Hündin weckte und fast ihre ganze Aufmerksamkeit beansprucht.
Ich räuspere mich und rufe ein zaghaftes Hallo in den Hof. Etwas raschelt. Ich sage laut, daß ich den Hund von der Leine lassen und ihn nach einem Dieb suchen lassen werde. Da taucht eine Gestalt in der Gummikiste auf. Ob ich den Hund wiklich losmache, fragt der schmächtige Kerl mich. Er habe doch nur zwei oder drei sehr schmale Rennradschläuche gesucht, aus denen er sich etwas basteln will. Aber heute noch basteln will – und deshalb kann er nicht bis übermorgen warten, um den alten Zausel am Montag selbst darum zu bitten. Und wenn er etwas von dem Weggeworfenen nimmt, dann ist das doch kein richtiger Diebstahl. Außerdem käme hier hinten nie jemand vorbei und es sei das erste Mal, daß jemand ihn hier im Hof entdeckt hat. Während wir miteinander sprechen, steigt der, der den Gummimüll durchsucht hat, aus der Kiste heraus. In der Hand hält er wirklich nur zwei Schläuche, mehr brauche er sowieso nicht und jetzt würde er gerne heimgehen, wenn ich dafür sorge, daß er unbeschadet an meinem Hund vorbeikommt.
Ich lasse ihn gehen. Was soll ich auch anderes tun? Wenn ich neben dem Discounter im Ort Menschen sehe, die Lebensmittel aus den Containern retten, sympathisiere ich ja auch mit denen und rufe nicht die 110 an, um einen Diebstahl anzuzeigen. Und so, wie ich die Lebensmittelretter für mich eher Mülltaucher nenne, so habe ich heute meinen ersten Schlauchtaucher auf frischer Tat ertappt. Beim Schlauchtauchen. Über eines ärgere ich mich aber doch: Ich habe den Hänfling nicht gefragt, was er denn aus den dünnen Fahrradschläuchen machen will. Ob das was mit Sadomaso zu tun haben wird?
Inspiriert hat mich heute morgen ein Trööt von Irgendlink (der da: Irgendlink tröötet im Fediversum). Da war bei mir sofort der Tube-Diver und gleich danach der Schlauch-Taucher da. Keine zehn Minuten später begann ich schon, diesen Text zu verfassen. Danke für den Anstoß. — Irgendlink betreibt auch mehrere Webseiten, auf denen er unter anderem über seine Abenteuer als Radreisekünstler berichtet. Die erste Anlaufstelle dafür ist wohl Irgendlink. Artist in Motion.
Erinnerung des Tages:
Winkfried zog vor ziemlich genau neun Monaten bei mir ein, ich seh ihn noch heute traurig im Regal sitzen …
Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.
P.S.: Am 22. Februar 2025 war ich zufrieden mit dem Besuch mit #Winkfried bei Meister Yoda (ein Grafitto), mit fast vier Stunden draußen unterwegs, mit Käseknacker zum Abend.
© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Eine sehr traurige Geschichte. Es gibt immer mehr Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was damit für ein alltäglicher Überlebenskampf verbunden sein muss.
@deremil@deremil.blogda.ch
Ich schrieb es ja auch im Beitrag: „Schuld” an diesem Text ist irgendwie der @irgendlink@fnordon.de …
Der zweite Link im Text funktioniert nicht.
Ist korrigiert (war ein Tipfehler) … Im Web sollte es funktionieren, aus der Mail heraus geht er leider nicht.
Über Mailbenachrichtigung mach ich nichts bei WP.
Danke Emil, funktioniert.
@deremil klasse lieber Emil. Jüngst hatte ich ja überlegt, eine Anthologie zu machen mit Geschichten die das Fediversum schrieb. Also inspiriert durch Tröts schreiben Menschen Geschichten und daraus machen wir dann ein Buch.
Warum nicht? Da wäre ich gern wieder dabei …
@deremil Ende Jahr wird sichs zeigen, ob sich noch mehr Geschichten aus dem Fediversum ergeben. Wenn wir sagen wir mal sechs bis zehn Autorinnen und Autoren sind, könnten wir die Geschichten in einem Ebook zusammenfassen.
#fedinovels #anthologie
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