2021,100: Bunt

Noch immer kann oder will sie das Wort nicht aussprechen: kunterbunt. Sie sprach es von Kindheit an nicht aus, erzählt sie. Immer sagte und noch immer sagt sie stattdessen: wunderbunt. Die Farben in den Beeten draußen vorm Haus, die, die jedes Jahr wieder und doch jedes Jahr anders wieder auftauchten und auftauchen, die waren und sind ihre Wunder – und die sind eben wunderbunt. Ein Wunder, das sie von klein auf mit ihren Händen unterstützte und noch immer unterstützt. Hacken, jäten, pflanzen, verziehen, düngen wo nötig, und gießen, immer wieder gießen, wenn es zu trocken war. Jetzt ist es viel häufiger trocken, doch sie müht sich endlich nicht mehr mit den schweren Gießkannen. Trotz der Ansicht, es sei Wasserverschwendung, braust sie mit dem Wasser aus dem Schlauch die ganze Gartenfläche. Nur an die einzelnen Pflanzen einen Schluck Wasser zu geben, das ist zu mühsam geworden. Geblieben ist das Leuchten in ihren Augen, wenn die Krokusse und Tulpen erscheinen und ihre frühen Blüten zur Sonne recken. Und das zufriedene Lächeln, wenn in Frühling, Sommer und Herbst wieder ihre wunderbunte Blütenpracht herrscht. Wunderbunt, das ist ihr Wort für fast alles.

Und ich hüte mich und korrigiere ihre Enkel nicht, wenn auch die vom wunderbunten Garten sprechen.