Nº 009 (2019): Fangen Eulen Fische?

Für diese Nacht hatte ich mir vorgenommen, einfach wachzubleiben. Ich wollte doch wenigstens einmal erleben, wie besonders die Nächte hier sind. Also wie hell es bleibt. Bekannte hatten erzählt, daß es zu dieser Jahreszeit nicht wirklich Nacht werden kann, nur etwas dämmerig. Und dafür gäbe es im Winter Tage, an denen es nicht hell wird. Um elf war es noch hell. Um elf öffnete ich noch ein Bier, doch nach dem ersten Schluck ließ ich es im Haus stehen. Denn ich kochte mir lieber noch eine Kanne Kaffee.

Dann saß ich draußen vorm Holzhaus neben dem verglimmenden Feuer. Ich hatte erwartet, daß mir die Mücken keine Ruhe ließen, doch da waren keine Mücken. Nicht in dieser Nacht. Und mit dem Kaffee in der Hand wartete ich bis weit nach Mitternacht, aber es wurde nicht dunkel. Die Sonne war nicht mehr zu sehen. An der Stelle des Horizonts, an dem sie untergegangen war, blieb der Himmel ganz hell. Am restlichen Firmament blieb es so hell, daß nur Venus sichtbar wurde im Südosten, über den Bäumen am anderen Ufer des Sees. Ich füllte die Kaffeetasse nocheinmal und saß draußen und sah mich unter dem fahlen Himmel um. Es waren noch weniger Geräusche zu hören als tagsüber. Irgendwann einmal machte es platsch!, als ein Frosch ins Wasser sprang oder ein Fisch aus dem Wasser. Vielleicht hatte sich eine Eule auch einen Fisch geholt, der dicht unter der Wasser­ober­fläche dahinglitt. Fangen Eulen Fische? Ach, sicher hätte ich im Internet nachsehen können. Doch ich tat es nicht. Denn mir gefiel die Vorstel­lung, wie ein Kauz oder ein Uhu dicht über den Wellen dahinglitt und wie nebenbei ein zappelndes Stück Silber aus dem See griff. Nein, ich sah keine Eule, ich hörte in dieser Nacht auch keine Eule, keinen Kauz, keinen Uhu. Jedenfalls nicht über dem Wasser des Sees. Nicht in den etwa zwei Stunden zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang.

Ein paar Tage später glaubte ich, einen Kauz zu hören. Mitten in der Nacht. Da wurde mir kalt.