Ich fand eines meiner Lamentos von 2009 wieder.
Lamento, das: ausdauerndes, ausgiebiges Lamentieren oder Gejammer. (Obwohl das meins nicht ganz trifft.)
Ist es nicht mindestens ein wenig unheimlich, was man um sich herum beobachten kann? Diese Entsolidarisierung, das „Jeder ist sich selbst der Nächste”, das Besitzansprücheerheben, dieses pure Schwarz-Weiß-Denken?
Parteien behaupten, daß andre Parteien „gegen etwas” sind, was angeblich notwendig ist, oder fürs Schlechtere/Schlechteste. Was sie selbst wollen und tun, ist neuerdings immer „alternativlos”. Dabei gibt es immer eine Wahl, wenn man sich nicht einem Diktat unterwirft.
Und deshalb bin ich der Meinung, daß wir alle schon längst wieder in einer Diktatur leben: in der (von den Mächtigen gewollten und um jeden Preis der Welt aufrechterhaltenen) Diktatur des Kapitals. Denn zu dessen Gunsten, zugunsten seines freien Tummelplatzes „Markt” – und hier meint „frei” nichts anderes als frei von sinnvoller Regulierung – wurde verdammt viel Soziales abgeschafft und/oder ohne Not vom Kapital abhängig gemacht. Das wäre nie zwingend notwendig gewesen, es hätte immer andere Möglichkeiten gegeben, glaube ich. Ja, das hätte dem Kapital nicht so perfekt in die Taschen gespielt, aber es hätte diese Möglichkeiten gegeben.
Wie kamen denn hierzulande die weit über dem europäischen Durchschnitt liegenden Arzneimittelpreise zustande? Wieso sind private Kopien kaum noch möglich? Wieso breitet sich Zeitarbeit/Arbeitnehmerüberlassung immer weiter aus? Warum werden Brillen und Zahnersatz nicht mehr einfach von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt? Wieso müssen Einrichtungen Betriebe (oft „privatwirtschaftliche”) Unternehmen, die Teile der (eigentlich staatlich zu garantierenden) Daseinsfürsorge für die Bürger dieses Landes übernehmen, Gewinne ausschütten und ihren mehr oder weniger verwaltend „Wirkenden” unanständig hohe Entgelte zahlen? Wieso bekommen etwa zehn Banken hierzulande 500 Mrd. Euro Hilfen zugeschustert, aber für etwa 7 Mio. bedürftige Menschen hierzulande sind läppische (zusätzliche) 10 Mrd. Euro lebensnotwendige Hilfe nicht bezahlbar?
Das ist nicht mein Land; das ist keine Politik, mit der ich auch nur ansatzweise einverstanden sein kann. Ich befürchte, „Das Kapital” enthält verdammt viele Wahrheiten.
Zweitausendneun, spätestens -zehn aufgeschrieben. Sechzehn Jahre alt, der Text. Hat sich im Vergleich zu meinen damaligen Gedanken etwas verbessert an der Situation? Natürlich ist das eine Art Gejammer gewesen, damals, denn ich war schon damals sehr, sehr unzufrieden mit alledem. Heute (ja, gerade heute) scheint mir einiges bis vieles weitaus schlimmer als damals, und wenn ich mir ansehe, was aus dem Teil „Sozial” des Sozialstaates gemacht werden soll, kommt mir das K… Die Mitvulven und Mitglieder dieser Regierung kann ich nur verachten.
Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Als ich heute zum Einkaufen ging, nahm ich einige Bücher mit zum Öffentlichen Bücherregal.
Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.
P.S.: Am 9. Oktober 2025 war ich zufrieden mit hellem Dinkel-Rosinenbrot, mit (aus-)sortierten Notizen auf Zetteln, mit immeroch entspannter Grundstimmung.
© 2009 & © 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Dem ist nichts hinzuzufügen! Du hast meine Gedanken in Worte gefasst. Danke dafür!