Ich hatte einst mit einem ähnlichen Dilemma zu kämpfen.
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Früh am Morgen. Kurz vor sechs Uhr. Den ersten Kaffee habe ich schon getrunken. Draußen ist es noch nicht hell, und ich kann die Stadt noch leise nennen (abgesehen von den Vögeln). Da ist Schreibdruck – ich will, muß schreiben – und das Gefühl, daß die übliche Kladde nicht paßt, ich also anderes Papier brauche. Klingt bescheuert? Ist es auch. Und mit diesem „Problem” kämpfe ich nun schon seit vielen Jahren.
Es dauert einige Zeit, einen Entschluß zu fassen. Noch ist kein einziger Buchstabe geschrieben. Aber der Drang ist noch da, vielleicht sogar noch etwas stärker geworden. Ratlos schaue ich meine Hefte, Blöcke und Kladden und auf meine Scheibgeräte. Nein, das wird nichts, ich finde nichts, das mir im Moment zusagt, nichts, das ich ergreifen und nutzen möchte. Ein Diktiergerät und jemand, der das Gesprochene dann aufschreibt oder abtippt, wäre jetzt gut. Oder – aber nein, ich habe nirgendwo eine Sprache-zu-Text-App installiert. Außerdem würde die untrainiert danz sicher viel zu viele Stellen produzieren, an denen ich schwer nachzubearbeiten hätte. Ich nehme dann doch ein Schulheft zur Hand und einen Füllfederhalter. Ganz oben auf die erste Seite schreibe ich ein großes F, weit geschwungen und mit kleinen Verzierungen, doch es bleibt allein auf dem Papier. Ich weiß nicht mehr, welches Wort ich vor fünf Sekunden schreiben wollte. Ich lasse das F Eff sein und klappe das Heft wieder zu, packe auch den Federhalter wieder weg. Kurz vor Acht und noch kein einziges Wort geschrieben.
„Alle meine Texte werden auf Papier geschrieben.” Wie oft habe ich diesen Satz schon geäußert. Ich muß den Text aus meinem Kopf herausbekommen, so schnell als möglich. Sonst gerät er durcheinander, wird von mir vergessen oder unnötig verdreht. Wenn es auf dem Blatt nicht geht … Das Tablet mit der BlueTooth-Tastatur liegt neben mir, ich klappe es auf, stell es vor mir auf den Tisch. Ich gieße mir den vierten oder fünften Kaffee ein, rauche eine Zigarette an. Halb Neun. Im Editor erscheinen die ersten Buchstaben, Worte, Zeilen. Es schreibt sich aus mit heraus. Im dritten Absatz verfange ich mich an einem Detail, das ich für witzig halte (ist es aber nicht mehr, nachdem ich es aufgeschrieben sehe). Wie ich es auch zu formulieren versuche: Das wird nichts. Also streiche ich den Gag heraus, benutze die Löschtaste, und komprimiere den Rest bis zur zweiten Schlüsselszene. Um Elf ist fertig, was den Schreibdruck erzeugt hatte, und völlig untypisch ist es schon als fertige Datei vorhanden. Ratlos starre ich das Tablet an. Wieso sträubt sich sonst immer alles in mir gegen das Gerät?
Danach bin ich ein wenig im Netz unterwegs. Der letzte Schluck Kaffee aus der Thermoskanne. Eine Zigarette. Eine zweite Kanne Kaffee muß es sein heute, ich setze sie an. Statt einfach nur auf das Gebräu zu warten, wasche ich das wenige Geschirr ab, das es nötig hat. Mit dem frischen Kaffe kehre ich zum Schreibzeug zurück. Weg mit dem Tablet! Ich nehme meine Alltagskladde und den dazugehörigen Gelschreiber und schaffe es, etwas Gereimtes auf- und noch weitere drei ihrer Seiten vollzuschreiben.
Natürlich klingt der Text sehr danach, daß ich damit mich und meinen Vormittag beschreibe, denn meine Tage beginnen ähnlich. Er wurde aber von der noch namenlosen neuen Figur verfaßt, gehört zu dieser. Ich nämlich zwinge mich mittlerweile dazu (ja, das geht wirklich und stört mich nicht mehr), alles in eine Kladde zu schreiben. Unterwegs mit einem Vierfarbkugelschreiber und zuhause mit schwarzer bzw. blauer Tinte und Feder (für Rot und Grün habe ich da spezielle Stifte). Nur für zwei besondere Projekte habe ich jeweils ein gesondertes Notizbuch.
Erinnerung des Tages:
Ich konnte mit meiner Schwalbe tatsächlich Hochstart machen und dann auch einige Meter nur auf dem Hinterrad fahren.
Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.
P.S.: Zufrieden war ich am 22. Oktober 2024 mit einem ausgeräumten Fach im Bücherregal, mit dem Tee am Nachmittag, mit dem Üben lange nicht mehr genutzter Handfertigkeiten.
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