224–2024: Hitchcock

In Überzahl und viel zu nahe.

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Als am frühen Nachmittag diese eine grüne Fliege im Bad herum­schwirrte, erschlug er sie und damit war es gut.

Später irritierte ihn ein Flirren, das er in der Jalousette an einem seiner Fenster wahrnahm. Es schien, daß das Licht sich zwischen Glas und Aluminium etwas verirrt hatte. Zunächst irgnorierte er, was nicht sein konnte. Doch das Flirren wurde stärker. Und dann sah er eine Fliege auf den Lamellen herumklettern. Und noch eine zweite. Die Viecher waren doch nicht etwa … Mit der Fliegen­klat­sche in der Hand zog er die Jalousie hoch und erschrak. Das saßen viele, sehr viele dieser dicken, grünlichen Insekten. Wo kammen die her? Bei dieser Hitze hatte er kein Fenster offen. Als er anfing, die Biester mit der Klatsche zu erschlagen – manchmal erwischte er zwei oder drei mit einem Schlag –, flogen einige von ihnen direkt in sein Gesicht, an den Kopf. Eklig. Er zählte die toten Tiere. Erst 32, später 47. Noch immer wimmelten einige am Fenster und andere irgendwo im Zimmer. Am Ende sammelte er mit dem Staubsauger 67 – siebenundsechzig! – Fliegenleichen auf. Und er hatte keine Erklärung, woher sie gekommen waren und wieso sie sich an seinem, und zwar nur an diesem einen, Fenster versammelten.

Am Abend, ehe er sich schlafen legte, suchte er die Wohnung noch einmal ab. In der Küche entdeckte er weitere zehn, die dort ihren Tod fanden, und weitere zwei wieder an der Scheibe. Was wollten 79 Fliegen bei ihm? Roch er oder roch es in der Wohnung nach Ver­we­sung, nach Fäkalien oder was auch immer, durch das die Tiere angelockt wurden?

Ein Tag wie ein Hitchcock-Film. Ein Tag, dessen Geschehen er nie wieder erleben wollte.

Heute fand er am frühen Morgen eine einzelne, grün glänzende Fliege im Bad. Er erschlug sie, aber es war nichts gut …

 

 

Erinnerung des Tages:
Dieser rosafarbene, milchige Erkältungssaft (Fiebersaft? Penicillin?) aus DDR-Zeiten: Ich kann mich an Konsistenz und Geschmack erinnern, aber nicht an den Namen. EDIT: Berlocombin oder Mebacid/Sulfamerazin hab ich in der Deutschen Digitalen Bibliothek gefunden … Ich glaube, ich kenne beide, weiß aber nicht, welcher davon rosa war und welcher weiß.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Zufrieden war ich am 11. August 2024 mit der beginnenden Besserung, mit den Gnocchi, mit einem weiteren Erkältungsbad.

© 2024 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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8 Antworten zu 224–2024: Hitchcock

  1. Sofasophia sagt:

    So einen Hustensaft gab es bei uns auch. Ich rieche ihn. Ich sehe den Löffel vor mir, so einen durchsichtigen Kunststoff-Maßlöffel … aber der Name?

    Die Geschichte ist zum Glück mit Nichterlebt getaggt. So richtig kafkaesk, dachte ich beim Lesen. Und ja, hitchcockesk natürlich auch.

    • Der Emil sagt:

      Ich würde am liebsten noch zwei Sätze ergänzen: „Heute fand er am frühen Morgen eine einzelne, grün glänzende Fliege im Bad. Er erschlug sie, aber es war nichts gut …”

      Ja, den Meßlöffel gab es bei uns auch dazu.

  2. Gudrun sagt:

    Ich weiß nicht mehr genau, wie der Saft hieß. Er roch nach Erdbeeren und schmeckte bitter. Meine Kinder bekamen den oft und der Tierarzt hatte ihn auch unserem Kater mal verschrieben. Das war ein Drama, kann ich dir sagen. Hieß der Saft Berlosin?
    Deine Fliegengeschichte ist ganz schön gruslig.

  3. Elvira Volckmann sagt:

    Es gab wohl überall diesen Saft, ich erinnere mich gut an den aus meiner Kindheit, süß, klebrig, angenehm riechend.
    Mein Protagonist hätte die Fliege nicht erschlagen, sondern sie eingefangen und ins Freie gesetzt. Das hätte ihm das schlechte Karma erspart. Allerdings wäre dann keine Geschichte entstanden, oder nur eine ausgesprochen langweilige, aus einem, vielleicht zwei Sätzen bestehende.
    Gute Besserung weiterhin!

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