Nº 262 (2016): Musikalischer Sonnabend.

Bis die Ohren bluten

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Freiwillig habe ich die Verantwortung für die Konsolidierung des Radio-Musikarchives übernommen, in einem Anflug von Umnachtung oder Größenwahn. Konsolidierung heißt: in ein gängiges, komprimiertes Format konstanter Bitrate bringen (320 mp3 oder ogg oder flac); einheitliche Benennung der Ordner und Titel; Vervollständigung der Metadaten (Tags); sortieren; nur vollständige EPs/Alben behalten; die (auch digitale) Bemusterung ebenso einpflegen. Singles und Tonträger mit weniger als vier unterscheidlichen Titeln fliegen raus, ebenso Alben, die nur ybbzehn verschiedene Edits ein- und desselben Titels enthalten. Das heißt im Moment, daß ich noch etwa 85% des Archives bearbeiten muß: ca. 12.000 Alben sind etwa 150000 Titel, von denen jetzt eben noch 85% plus der ständig neu ankommenden Bemusterungen zu verwursten sind. Klar, es gibt Programme, die dabei helfen (k3b für die Formatumwandlung, kId3 für die Tags) und die die Metadaten aus dem Internet holen können. Aber die stimmen nicht immer, sind i.d.R. nicht vollständig und oft genug automatisiert nicht auffindbar. Was bleibt: Nachsuchen von Hand. Es gibt mehrere deutsche und internationale Quellen, in denen man die Informationen findet; sie müssen trotzdem händisch hinzugefügt werden.

Am interessantesten sind die Tags “Genre” & Co. Wenn Titel eines Albums plötzlich mit unterschiedlichen solchen versehen sind oder wenn das Topalbum einer Grindcore-Combo dem Genre “Ambient” zugeordnet wurde, dann heißt es: Anhören. Und hoffen, daß ich die passende Schublade höre oder im Netz finde. Was ist denn der Unterschied zwischen “Postpunk” und “Punkrock”, zwischen “Noize” und “Industrial”? Wann ist elektronische Musik “Worldmusic”, wann “Electronic”, wann “EBM”? Acid, House, Techno, Triphop … Na? Wo ist die Grenze zwischen Dixieland, Jazz, Freejazz und modern jazz? Reinhören. Nicht nur einen Titel, nein, wenn schon – denn schon! (Die anderen Menschen greifen gerne zu Musikstücken bestimmter Genres, also muß auch danach sortiert werden bzw. zumindest sortiert werden können.) In den fünf Stunden, die ich gestern mit diesem Musikarchiv beschäftigt war, lud ich zwölf Alben aus der digitalen Bemusterung herunter, reorganisierte die Ordnersruktur auf meiner eigenen 2-TB-Radioplatte (die habe ich mir diese Woche für 70 Eu kaufen müssen, weil die vorher genutzte 750-GB-Platte ihren Geist aufzugeben droht und verdammt voll war (noch 30 GB waren frei), wandelte etwa zehn Alben auch aus exotischem Kram (wmv und aac zum Beispiel sowie Variable BitRate werden nicht von allen Programmen unterstützt) in gängiges Format um und schaffte es, diese auch in den Metadaten zu vervollständigen. Und hörte diese zehn Alben (okay, zwei nicht, da war es klar) auch durch, um das Genre zu erkennen.

Sephardisches war dabei und Freejazz, russischer Punkrock, französischer Dubstep, deutscher Punk und Krautrock, Chanson, Folk … Ach, und ob die Künstler und ihre Musik in unserem Radio überhaupt spielbar sind, das ist auch noch herauszufinden, bestenfalls vor all der anderen Arbeit. Und habt ihr schonmal gesehen, wie manche Labels vertaggen und benennen, wenn der Tonträger (auch ein Digipack mp3 zähle ich jetzt mal dazu) ein Sampler ist? Albumartist: Various Artists. Artist (des einzelnen Titels): Albumartist. Titel: Tracknummer und Artist und Titel mit unterschiedlichsten Trennzeichen in unterschiedlichsten Reihenfolgen, oft noch ergänzt um den Albentitel und den Namen des Herausgebers. Und dann braucht es ja zu jedem Tonträger (trotz aller Vereinfachung und Pauschalen, die ein Radio so hat) mindestens den Labelcode bzw. Name und Anschrift des Rechteinhabers/Herausgebers plus einer Katalognummer … … …

 

Genug! Denn nur jammern mag ich nicht, einen Vorteil hat diese Arbeit ja auch: Ich lerne Musik kennen und Künstler, höre Lieder und Werke, an denen ich vorbeigegangen wäre, die ich nie im Leben gehört hätte, von deren Existenz ich nie erfahren hätte. Mir wäre verdammt viel verdammt gute Musik entgangen. Ewan Dobson zum Beispiel.

 

 

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

Der Emil

P.S.: Positiv am 17. September 2016 waren die gelungene Kopie der Platte, die Reorganisation, gute Musik.
 
Tageskarte 2016-09-18: Der König der Kelche.

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Über Der Emil

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0 Antworten zu Nº 262 (2016): Musikalischer Sonnabend.

  1. Viel habe ich vom Inhalt des Beitrags nicht verstanden, aber eins kann ich sagen; bring mehr Musikbeispiele, bereichere auch meinen Horizont. Diese http://youtu.be/nNSQxxDKgGYGitarrenmusik gefällt mir ausnehmend gut.

  2. sag Kai sagt:

    Eine Herkulesaufgabe. Alleine die Stilrichtungen würden mich heillos überfordern. Viel Freude beim Entdecken …

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