345 im Advent 2025: 11. Türchen

 
Das ist mein 16. Blog-Adventskalender. Beim Schreiben denke ich oft an die, die krank sind oder Unterstüt­zung benötigen, an alle, die einsam oder allein sind. Möge allen Menschen eine im wahrsten Sinne des Wortes wunder­volle Weihnachtszeit beschieden sein. Meine Kerzen brennen auch in diesem Jahr für alle Menschen und Tiere, vor allem für die, die Hoffnung und Trost brauchen, und für die, die Freude an dieser Zeit haben.

 

Ob wohl viele Menschen einen solchen Schuhkarton haben?

 

 

Wie in jedem Jahr kurz vor Weihnachten nimmt er den Schuhkarton aus dem Schrank, den mit den Erinnerungen. Einen Tag in der Advents­zeit sitzt er dann da und schaut auf sein Leben – nein: auf seine Vergangenheit zurück. Manches läßt ihn lächeln, manches findet er zwar in den Notizen und Fotografien, manches tut tat­säch­lich weh. Aber all das gehört zu seiner Vergangenheit, und die hat dafür gesorgt, daß sein Leben so war und ist, wie es war und ist. Unzufrieden kann er wohl nicht sein.

An diesem Tag liegt eine Weihnachtskarte auf dem Tisch neben dem Schuhkarton, für sehr lange Zeit. Er hat sie nicht selbst geschrieben, aber geerbt und über all die Jahre aufgehoben. Weil sie … Nun, weil sie sein eigenes Erleben ziemlich gut vorwegnahm. Vorn drauf steht: Ein frohes Fest …

 

Text von der Karte: «… wünsch ich Dir und ein gutes nächstes Jahr. So wollte ich es Dir schreiben. Aber dann warst Du am zweiten Advent nicht mehr da. Und nun, nun bedaure ich, daß wir nie über eine Sache redeten. Denn ich wußte schon Jahre von Deiner Freundin, davon, wie wichtig sie für Dich gewesen sein muß … Mir geht es ja jetzt wie Dir: Wie Du sitze ich zur Weihnachtszeit zu Hause und wäre lieber ganz woanders. Ich hätte Dir gern noch Danke gesagt dafür, daß Du all die Jahre zuhause und für und Kinder da warst, Vater. Du fehlst.«

Der in einer – fiktiven – Weihnachtskarte zu lesende Text
Im Blogbeitrag weiter unten im Klartext zu lesen. (Und auch als ALT-Text hinterlegt.)

 

Er weiß, wer sie wann geschrieben hat (er war es nicht selbst). Er weiß, warum sie nie abgeschickt wurde. Und er schämt sich wie der Schreiber dafür, nie mit seinem Vater gesprochen zu haben über dessen Freundin. Deshalb weiß er wie sein Vater von seinem Vater nicht, was genau das war. Ob eine Freundschaft oder ein Verhältnis. Doch aus seinem eigenen Leben kennt er das Dilemma der gestoh­lenen Stunden, das schlechte Gewissen zu Heiligabend, wenn die Familie zusammensitzt und er sich wegwünschte aus der heilen Welt. Hin zu der, die er noch immer seine Seelenverwandte nennt. Und doch ist auch er nie gegangen wie schon sein Großvater und sein Vater nie gegangen waren, war verhaftet den Konventionen um das Familienfest. Vielleicht hatten sie alle drei nur zu wenig Mut, zu wenig Kraft, zu sich selbst zu stehen.

Der Tee ist kaltgeworden, die Kerzen auf der Pyramide sind fast heruntergebrannt. Er löscht sie und packt dann seine Erinnerungen wieder sehr sorgfältig ganz oben hinten in den Schrank.

 

 

Text von der Karte: «… wünsch ich Dir und ein gutes nächstes Jahr.
 
So wollte ich es Dir schreiben. Aber dann warst Du am zweiten Advent nicht mehr da. Und nun, nun bedaure ich, daß wir nie über eine Sache redeten. Denn ich wußte schon Jahre von Deiner Freundin, davon, wie wichtig sie für Dich gewesen sein muß … Mir geht es ja jetzt wie Dir: Wie Du sitze ich zur Weihnachtszeit zu Hause und wäre lieber ganz woanders.
 
Ich hätte Dir gern noch Danke gesagt dafür, daß Du all die Jahre zuhause und für uns Kinder da warst, Vater.
 
Du fehlst.«

 

Zunächst: Ich habe Schwierigkeiten, das Bild passend und sich selbst anpassend einzufügen. Und nein, das ist keine Weihnachtskarte aus meinem Schuhkarton. Ich habe sie geschrieben, aber der Text ist nicht meiner, der ist von Ich-weiß-nicht-wem. Das geschieht manchmal. Im Bereich Esoterik heißt das „Channeling”. Allerdings habe ich in meinem Schrank tatsächlich so einen Schuhkarton voller Erinnerungen …

 

Erinnerung des gestrigen Tages:
Ganz seltsam, aber: Ich erinnerte mich an meinen ersten Besuch (alleine) an einem FKK-Strand (ich war 15 Jahre alt).

 

Ich schleiche mich davon und wünsche eine schöne Advents- und Weihnachtszeit.

Der Emil

 

P. S.: Gestern, am 10. Dezember 2025 war ich zufrieden mit zwei Ideen, mit etwas zu Fuß Abgeholtem, mit Spaghetti Carbonara.


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Über Der Emil

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2 Antworten zu 345 im Advent 2025: 11. Türchen

  1. Ich habe mich gefreut, dass ich die Karte noch selbst lesen kann, obwohl ich längst keine Übung mehr darin habe. Mein Vater (1904 geboren) hat noch so geschrieben.
    Liebe Grüße von Gerel!

    • Der Emil sagt:

      Oh, das freut mich wirklich. Danke für Deine Worte.

      Ich gestehe, ich habe ziemlich bös geschmiert (sonst schreib ich gleichmäßiger). Die alte Handschrift ist aber wirklich mein Steckenpferd, vielleicht sogar Berufung: Meiner Meinung nachdarf sie nicht untergehen, nicht vergessen werden.

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