2025 – 209: Nonsens-Text, altertümelnd

Der steht seit langer Zeit in einer meiner Kladden.

 

Es gibt ja Dinge in Poesie / Poetik, die ich noch nie verstanden habe. Selbst die Fach­be­griffe dafür blieben Zeit meines Lebens böhmische Dörfer für mich. Ich erkenne einen drei-, vier- fünfhebigen Jambus, einen Anapäst, einen Daktylus oder Trochäus einfach nicht als das, was sie sind. Hebung und Senkung: Ja, klar, Vater und Altar werden von mir unterschiedlich betont; doch wenn in Gedichten kein Reim zu finden ist, dann scheitere ich an einer Einordnung in diese Versmaße.

Nichtsdestotrotz versuchte ich mich wohl an solchen Konstruktionen, wahrscheinlich von Gelesenem angeregt. Mag sein, daß ich mich damals mit Epigrammen oder antiken Theaterstücken beschäftigte, doch irgendwie ist es auch heute für mich nur ein altertümelndes Gebilde, das weder Sinn noch (poetische) Form hat.

 

 

Es defilieren durch den anheimelnden Hain
versunkener Äonen
griesgrämige Oheime,
sichtbar weithin entrückt
in phantasmagorische Dioramen
jüngferlicher Ehrbarkeit.

 

 

Nun gut (den zuerst hier genutzten Amerikanismus habe ich durch diesen gleich­wer­tigen Deutschen Ausdruck ersetzt). Alte, mittlerweile kaum oder nicht mehr genutze Worte aneinanderreihen kann ich, Silben zählen auch. Aber nein, die sechs Zeilen halte ich fürwahr nicht für gelungen, und ich denke darüber nach, was sich daran veränderte, wenn ich das nur in drei Zeilen notieren würde.

 

 

Es defilieren durch den anheimelnden Hain versunkener Äonen
griesgrämige Oheime, sichtbar weithin entrückt
in phantasmagorische Dioramen jüngferlicher Ehrbarkeit.

 

 

Macht das einen Unterschied? — Ich sitze hier und frage mich sowieso: Was will mir der Dichter damit sagen!? Vielleicht könnten die Worte, eingesprochen mit lakonisch-sonorer Baritonstimme, eine bestimmte Ahnung oder Vermutung von Bedeutungs­fülle erzeugen, d. h. vielleicht kann der Klang einer diese Worte sprechenden Stimme …

Wieder habe ich mich in meinen eigenen Gedanken verlaufen, den Faden verloren, über der Suche nach den passendsten Worten vergessen, was ich ausdrücken wollte. Eventuell wäre es besser gewesen, den Versuch weiter unter Verschluß zu halten und nur für mich selbst darüber nachzudenken.

Dennoch: Lese ich diese Worte, dann entsteht vor meinem inneren Auge ein Bild von alten Männern in Togen.

 

Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Ich brachte acht Bücher in ein Öffentliches Bücherregal.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Am 28. Juli 2025 war ich zufrieden mit einem kurzen Ausflug nach Leipzig, mit Nudeln mit roter Soße, mit zwei Hefeweizen am Abend.


© 2025 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
Dieser Beitrag wurde unter 2025, Geschriebenes, One Post a Day abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu 2025 – 209: Nonsens-Text, altertümelnd

  1. Myriade sagt:

    Vielleicht ein paar Adjektive weniger, ob nun ungebräuchliche oder nicht …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert