Neugier. Und Angst vor Enttäuschendem. Und banal.
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Auf die andere Seite. Nur auf die andere Seite der Straße muß ich gehen. Da drüben, da kann ich weitergehen. Dort will ich weitergehen.
Wäre die Straße ein Fluß, so müßte ich eine Brücke, eine Fähre oder eine Furt suchen. Denn Schwimmen habe ich nie gelernt; und wenn die Strömung im Fluß etwas stärker ist, dann haben auch geübte Schwimmer beim Durchschwimmen Schwierigkeiten. Ich aber muß ja nur auf die andere Straßenseite. Gehen. Auf die andere Straßenseite gehen. Da drüben ist der Weg anders als hier, denke ich. Vor allem sind weniger Menschen dort, denke ich, freundlichere Menschen, hoffe ich. Wenn nur nicht ein so dichter Verkehr herrschen würde auf der Straße: Auto an Auto und dazwischen ab und an ein Roller oder ein Motorrad. Im Sekundentakt.
Warum ich nicht auf dieser Seite weitergehen kann? Mir tun die Beine weh, und auf dieser Seite der Straße kenne ich alles in- und auswendig. Das hier ist schon mein ganzes Leben lang meine Seite der Straße, meine Heimat, mein Hafen, mein Zuhause. Lange genug also bin ich hier. Und jetzt packt mich die Neugier und ich will es endlich wissen: Ist es auf der anderen Straßenseite so, wie ich es mir vorstelle? Ist es dort wirklich anders als hier auf dieser Seite?
Und was, wenn es dort nicht anders ist als hier? Dann war die Mühe umsonst, die mir das Überqueren der Straße bereiten wird. Dann wäre ich enttäuscht, bitterlich enttäuscht. Will ich das sein? Was ist in mir jetzt größer, die Neugier oder die Angst vor der eventuellen Enttäuschung? Ich kann diese Frage nicht beantworten und gehe deshalb auf meiner Seite der Straße nachhause (wie gestern), noch eine weitere Nacht darüber zu schlafen.
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Gut fand ich am 02.09.2022 entsorgtes Papier (ungescannt!), die neu durchgerechnete Monatsplanung (obwohl die nicht erfreulich ist), auf einer Bank im Schatten sitzend in meine Kladde zu kritzeln.
Für morgen zog ich die Tageskarte Bube der Kelche.
© 2022 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Es ist wichtig, immer wieder andere Wege zu gehen, es gibt oft etwas zu entdecken!
Aber die Angst vor dem Unbekannten ist manchmal einfach zu groß …
Warum sollte man enttäuscht sein?
Ich würde es Horizont erweitern nennen. 🙂
Da ist dennoch die Angst davor.
„Hier geht es mir zwar Scheiße, aber das bin ich gewohnt, damit kenn ich mich aus, damit komm ich zurecht. Wer weiß, wie das ist, wenn ich was zu ändern versuche!“
Das kannst du nur selbst herausfinden, ob du dich wagen würdest.
Meist ist die Angst größer als das Ergebnis dahinter und man fragt sich dann oft warum man sich nicht schon viel eher getraut hat.
Hallo Emil, wieder Inhaltliches, das soviel zu denken gibt, das schätze ich so sehr!
Enttäuschung, dieses Wort … Ein Begriff, mit dem ich mich schon lange beschäftige, mit seiner Wirkung auf Menschen, die damit in Berührung kommen.
Meine ganz persönliche Erfahrung liegt darin, dass ich immer deutlicher dahinterkomme, letztendlich niemals getäuscht zu werden, sondern mich selbst in die Verantwortung nehmen muss, mich nicht täuschen zu lassen. Im einen liegt die Passivität, im anderen die Aktivität: Wenn ich das aktive Element annehme, dann kann ich Ent-täuschungen auch auflösen. Es gelingt natürlich auch nicht immer (gleich) und dennoch: immer öfter! Eine Ent-täuschung setzt eine Täuschung voraus, wenn ich also enttäuscht bin, dann liegt doch das Erlösende darin, dass ich nun wieder klar sehe, eben das, wie jemand oder etwas ist. Nicht, wie jemand mich glauben machen möchte, zu sein. Es liegt in der Natur, sich zu tarnen (manchmal kann sie auch nur so überleben, Beispiele gibt es genug in der Tierwelt, aber natürlich auch bei den Menschen) – ein Mensch trägt in den meisten Situationen Kleidung, er verwendet Worte – all das und noch anderes kann tarnen und kann dazu beitragen, mich täuschen zu lassen.
Auch mit Angst ist es so eine Sache: Sie gehört zum Überleben dazu, ebenso wie sie dazu beitragen kann, uns von Neuem abzuhalten, das Erleben zu verhindern. In bestimmten Situationen überlebensnotwendig – in anderen hindert sie uns an der vollen Teilhabe am Leben.
Ich habe mit vielen Formen von Ängsten zu tun, ich arbeite mit Menschen, da treffe ich immer wieder auf Ängste unterschiedlicher Arten. Und selbst stelle ich mich ja auch Ängsten – manchmal erst viel zu spät.
@Nati noch: Diese Beziehung, von der ich zum „Perfektionismus“ geschrieben habe, diese ist eine wichtige – sie hat mich geprägt und ich bin schon lange dabei, flügge zu werden. Doch es ist ein Prozess, der mein Wesen missverstehende Mensch ist jener, der dazu beigetragen hat, dass es mich gibt … Wenn er sich wie einer verhielte, dann könnte ich jetzt schreiben: mein Vater
Bin gerade in einer Art Inventurmodus und stolpere über so einige Dinge aus meinem Innen …
Sehr gut erzählte (Metapher-Miniatur-)Kurzgeschichte.
Danke.