18. Türchen: Bitte (#353)

Mal ganz anders betrachtet

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Langsam wird es schwierig für mich, euch noch Neues, Unbekanntes vorzustellen. – Stimmt garnicht. Nein, aber heute habe ich ein wirklich ungewöhnliches Thema.

 

Weihnachten ist ja auch ein Fest der Versöhnung, des Vergebens und Vezeihens. Des Aneinander-Denkens, des Erinnerns. Jedenfalls bei mir, denn die Kindheit wird bei mir zu jeder Weihnachtszeit wieder wach; und ich erinnere mich noch an jenen ersten Weihnachtstag, an dem ich vom Tod einer lieben Freundin erfuhr, die ich vorher viele Male im Universitätsklinikum besucht hatte.

Ich bitte euch, heute für ein paar Minuten eure Gedanken all jenen zu schenken, denen es gerade jetzt nicht gutgeht, die krank, einsam, alt, schwach sind, denen ihr verzeihen oder vergeben könntet. Oder denkt an die, die ihr um Verzeihung und Verständnis bitten mögt. Ja, das meine ich tatsächlich ernst.

Sehr machtlos fühle ich mich gerade, bin einer, der traurig danebenstehen muß und auf eine, auf die letzte Nachricht wartet.

Einen Blog hatte ich entdeckt: eine Frau spricht Gedichte. Im Oktober erst fand ich sie, und ich war schon vom Vorstellungstext sehr, sehr tief berührt. Ungefragt habe ich ihr bei der Erfüllung eines kleinen Wunsches geholfen …

Dann hielt ich immer öfter den Atem an, wartete nach drei oder vier Tagen auf neue Nachricht, einen neuen Text, einen Kommentar von ihr. Und jedesmal die Angst – ja, tatsächlich –, daß ihre Zeit vorüber wäre. Und immer die Freude bei einem neuen Lebenszeichen.

Jetzt weiß ich, jetzt erst begreife ich, daß die von ihr erwähnte “Kurze Zeit” wirklich verdammt kurz war und ist. Jetzt, genauer am vergangenen Sonnabend, grüßte sie mich und ihre anderen Leser mit «Gute Nacht».

Ich, der ich sie nicht kenne, nie gesehen habe, nicht mehr von ihr weiß als das, was sie in ihrem Blog von sich preisgibt, ich habe geweint und bin heute noch traurig. Nun warte ich auf die von ihr angekündigte eine, letzte Nachricht, die mich dann, wenn sie kommt, doch erschrecken wird.

Ich bewundere sie für ihren Mut und ihre Kraft, sich in diesem Alter, mit dieser Aussicht nocheinmal ins virtuelle Leben zu stürzen. Einen Neuanfang zu wagen. Und mich und viele andere daran teilnehmen zu lassen.

Ich werde heute mit meinen Eltern telefonieren, gut, daß ich das kann und nicht zu lange zögerte. Und ich werde an eine Frau denken, die ihren Schwanengesang angestimmt hat. Und eine Kerze anzünden.

Weihnachten – sag ich doch! – ist bei mir auch Zeit der Versöhnung, der Hoffnung, des Verzeihens und Vergebens. Da gehört das Denken an Menschen, denen es nicht so gut geht wie mir, einfach dazu.

Helft mir dabei, denkt in ein paar freien Sekunden an Dorothea
Mit den hier genannten Begriffen könnt ihr ihren Blog sicher finden, aber ich traue mich nicht, ihn direkt zu verlinken.

 

Verzeiht, wem immer ihr verzeihen könnt, von ganzem Herzen.

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

P.S.: Positiv am 17. Dezember 2012 war ein schöner Abend.

© 2012 – Der Emil. Text & Bilder stehen unter der Creative Commons 3.0 Unported Lizenz
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353 / 366 – One post a day 2012 (WP-count: 528 words)

Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu 18. Türchen: Bitte (#353)

  1. Ellen sagt:

    Ein schlichtes Danke für Deine Worte, lieber Emil, die mir aus dem Herzen sprechen

  2. Follygirl sagt:

    macht nachdenklich…

  3. irgendlink sagt:

    Das geht nah.

    Ich denke permanent an die Leidenden unter den meinen. Seit einigen Jahren liegt die Leidendenquote bei fast 100%. Viele, die ich kenne wären ohne Medizin tot. Ich wahrscheinlich auch.
    Glück: jeder Mensch hat unabhängig von den äußeren Bedingungen ein Glücksniveau, auf das er immer wieder zurück kehrt, hat mir mal ein Suchtforscher erzählt. Das heißt für Lottogewinner, dass sie auf Dauer nicht glücklicher werden können.
    Dorotheas Blog bzw. ihre Einstellung, fühlt sich glücklich an.
    Verzeihen: der Einzige, dem man nur schwer verzeihen kann, ist man oft selbst.

  4. Frau Momo sagt:

    Ich habe mich lange mit dem Thema Verzeihen auseinandergesetzt und bin für zumindest manches zu dem Schluß gekommen, das ich da sein kann, wenn ich um Verzeihung gebeten werde. Aktiv verzeihen, den ersten Schritt machen, kann ich da nicht. Muß ich auch nicht.

  5. Karl sagt:

    Es ist immer irgendwie der falsche aber doch auch der richtige Zeitpunkt. Ich weiß nicht, wei ich es anders sagen soll.

  6. Amelie sagt:

    Ich war mich nicht sicher, ob ich es sagen kann. Mich outen kann. Aber Frau Momo hat den ersten Schritt getan, und dann fällt es mir auch leichter …
    Verzeihen, Vergeben kann ich nur schwer. Und kaum bis gar nicht als Erste. Ich brauche lange, um runter zu kommen, um die Wut im Bauch im Griff zu haben. Aber wie verzeiht frau der Mutter, die die Beisetzung des Vaters auf den Geburtstag der Tochter legt? Wie verzeiht frau der ganz großen Liebe, wenn sie körperlich zu spüren bekommen hat, nur ausgenutzt worden zu sein?

    Weihnachten ist auch Zeit der Versöhnung, der Hoffnung, des Verzeihens und Vergebens.
    Ich übe!
    Amelie

    • Frau Momo sagt:

      Ich kann schon verzeihen. Ich bin auch nicht nachtragend, aber ich muß nicht den ersten Schritt machen, wenn ich nicht diejenige bin, die um Verzeihung bitten muß, sondern es an dem anderen ist. Ich kann da sein, wenn ich um Verzeihung gebeten werde, das ist schon manchmal viel, finde ich. Und ich habe so auch meinen Frieden. Ich bin kein Übermensch und Kränkungen sitzen manchmal tief.

  7. Elvira sagt:

    Ich habe das Blog über eine andere Bloggerin (wildgans) gefunden, auch heißt es da anders. Der Inhalt aber ist identisch. Ich war sehr beeindruckt von der Offenheit, mit der sie über ihre Krankheit berichtet hat. Von der Recherche darüber, damit andere Menschen erste Symptome richtig deuten. Und von der Ruhe und der Kraft, die ihre Worte ausstrahlen. Bei all der Tragik gibt es einen Trost: Sie ist nicht alleine.
    Ich muss es ja oft erleben, dass Menschen unter sehr menschenunwürdigen Umständen ihre letzten Monate, Wochen, Tage, Stunden ertragen müssen. Zwar gibt es viele ehrenamtlich Tätige, aber sie sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ändern müssen wir uns alle, damit wir nicht irgendwann denken, alte und kranke Menschen hätten kein Recht auf ein menschenwürdiges End-Leben. Und ja, lieber Emil, dazu gehört auch das Verzeihen! Das Nichtbeharrenwollen auf seinen eigenen Standpunkt, dieses eisige Schweigen unterbrechen, das mancher belanglose Streit erreicht hat. Wir Menschen sind eine wirklich merkwürdige Spezies!

  8. gejuta sagt:

    Danke Emil für diesen einfühlsamen Text!!! Liebe Grüße Gerd

  9. Anna-Lena sagt:

    Danke für diesen berührenden Text.

  10. Frau Blau sagt:

    mir geht es wie Elvira, ich finde verzeihen, statt ewig und drei Tage auf seinem Standpunkt zu beharren, sehr wichtig, für den inneren Frieden und für den Frieden in der Welt … dazu gehört auch mir selbst zu verzeihen, was ich als Mutter einfach lernen musste. Was immer ich getan habe, was ich heute veruteilen (kann), ist nicht aus Böswilligkeit geschehen, nur aus Unwissenheit.
    Und den Blog schaue ich mir jetzt gleich an- danke Emil für alles hier, auch wenn ich den Weihnachtsrummel nicht so mag, aber deine Seite lässt andere Lieder klingen, das gefällt mir sehr.
    herzliche Grüße Ulli

  11. nextkabinett sagt:

    Sehr berührend. Danke Dir.

  12. Pingback: 18. Türchen: Bitte (#353) | Germanys next Kabinettsküche

  13. Rana sagt:

    Danke, Emil. Mehr kann ich nicht sagen…
    Rana

  14. Der Emil sagt:

    So als Antwort an alle: Auch ihren anderen Blog habe ich jetzt (Dank für den Hinweis auf Wildgans) gefunden, habe gelesen und bin immerwieder platt.

    Zum Verzeihen:
    Es ist ganz gewiß eine manchmal sogar unvorstellbare Überwindung notwendig. Für mich war sie lohnend.

  15. Frau Blau sagt:

    oh Mann, ich find ihn nicht!

    • Frau Blau sagt:

      jetzt schon, danke für den Hinweis auf Frau Wildgans … ja, es geht nahe und gleichzeitig ist es ein wunderbares Beispiel, dass man bewusst die letzten Wochen/Monate gehen kann. Damit hat sie uns allen ein großes Geschenk gemacht. Und du, lieber Emil, dass du darüber geschrieben hast.

  16. Gabi sagt:

    Lieber Emil,
    dieser ganze Beitrag von Dir geht mir heute sehr zu Herzen.
    Allem voran die Geschichte der unglaublichen Dorothea, deren Blogs ich gefunden habe. Ich bewundere ihre Kraft und ihren Mut, den sie bis vor kurzem noch hatte und mir geht ihr Schicksal sehr nahe, auch wenn ich sie nicht kenne.

    Was die Erinnerungen an früher angeht, da geht es mir genauso wie Dir. Ich denke oft daran und vor allem auch an die, die heute nicht mehr hier sein können.

    Mit dem Verzeihen jedoch tu ich mir gar nicht so schwer. Natürlich kommt es darauf an, worum es sich handelt. Doch meistens ist es so, dass ich zwar bei Ärger erstmals recht heftig reagiere, dafür aber nie lange böse sein kann.

    lg Gabi

  17. minibares sagt:

    Den Blog habe ich gefunden, sehr beeindruckend.
    Um Verzeihung bitte, das kann ich eigentlich ganz gut.
    Bei einigen geht das halt nicht. Ab und zu muss auch mal ein anderer den ersten Schritt tun, nicht nur ich.

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