Ich halte den Sekundenwahn für normalerweise überflüssig.
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Ihr kennt das doch: Noch ein paar Sekunden, nur noch ganz kurze Zeit.
(Es folgen einfach ein paar Gedanken zur „Schnellebigkeit unserer Zeit”.)
Wie war das wohl, als es noch keine Sekunden gab für die Menschen: noch 30 Herzschläge oder noch 10 Atemzüge? Wie wurden damals, wenn es einmal notwendig gewesen sein sollte, solche kurzen Zeiträume gemessen? Wie lang war damals, ist heute „ein Augenblick”? Vielleicht, nein: Sicherlich war vor 200 Jahren das Messen so kurzer Zeitspannen im Allgemeinen noch nicht notwendig, kann ich mir denken. Reisezeiten wurden in Stunden oder Tagen bemessen, es brauchte Wochen, Monate oder Jahre für manche Dinge. (Gut, was Bauwerke angeht, so entwickelte sich das in den letzten 40 oder 50 Jahren wieder zu wesentlich längeren Zeiten als davor, die zur Fertigstellung „notwendig” zu sein scheinen.)
Heute saß ich irgendwann untätig da und wartete auf etwas, das bald geschehen sollte bzw. gleich. Und ich starrte auf zwei Uhren mit Sekundenanzeige, ungeduldig erwartend, mit den vergehenden Minuten in mir eine sich steigernde Erregung der unguten Art wahrnehmend. Hadernd mit der Warterei. Dabei sind doch beide, bald und gleich, hinreichend unbestimmt genug für entspanntes Warten. (Natürlich, ja, ich habe über diese beiden „Zeitangaben” auch schon ganz anders geschrieben – beide Sichtweisen haben aber wohl ihre Berechtigung.) In der Regel dauert dieses Warten nicht vom Morgen bis zum Abend bzw. zum nächsten oder übernächsten Tag – und ich weiß trotzdem, daß beides, bald und gleich, auch Tage, Wochen, Monate, Jahre, ja sogar Jahrzehnte oder Jahrhunderte umfassen kann in bestimmten Zusammenhängen.
Aber …
Aber dennoch der Sekundenwahn. Dabei glaube ich, daß der für normale Menschen im normalen Leben (ich weiß, es gibt kein normal) überhaupt nicht so wichtig ist, wie er immer dargestellt wird. Und üblicherweise schaffe ich es ja auch, meine Zeit in Fünf-Minuten- oder Halbstunden-Intervallen zu verstehen. Immer mit angemessenen Pausen zwischen den Dingen geplant. Und ganz ehrlich: Sekunden oder gar Sekundenbruchteile sind für mich nicht, wirklich überhaupt nicht maßgeblich. Die kürzeste Zeitspanne, die für mich privat eine Rolle spielt, ist die ungefähr zwei Minuten lang dauernde Ziehzeit für einen ganz bestimmten Tee. Für alles andere veranschlage ich ab fünf Minuten aufwärts, und so bin ich es schon über meine ganze Lebenszeit gewohnt (seit es keine Leistungskontrollen im Schulsport oder der militärischen Ausbildung mehr gab).
Wie es wohl sein würde, wenn ich die Sekundenanzeige komplett aus meinem Leben verbannte: nur noch Uhren ohne Sekundenanzeige nutzen, das Smartphone und den Rechner entsprechend umstellen. Mit Sicherheit begegneten mir, sähe ich auch dann noch genügend Uhren mit Sekundenzeiger, in der Stadt, auf den Bahnhöfen und wo immer auch ich auf sie stoßen werde. Aber eines gebe ich zu bedenken: Kirchturm- und Rathausuhren, die seit vielen, vielen Jahren, zum Teil sogar Jahrhunderten anzeigen, was die Stunde geschlagen hat, haben nur äußerst selten, wenn sie denn jung genug sind, einen Sekundenzeiger. Warum wohl? War/ist die Sekunde wirklich wichtig für das Leben der Menschen, für mein Leben (zumindest in nicht extremen Situationen)?
Ganz nebenbei und doch nicht unwichtig: Für mich selbstverständlich, normal ist es, wenn ich mir zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichen Meinungen zu widersprechen scheine …
Erinnerung des Tages:
Das erste asiatische Essen gab es im Studentenwohnheim bei den Vietnamesen, kurz darauf war ich in „Künstlers Kleine Bar” zum ersten Mal im Leben mit Stäbchen essen (1986).
Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.
P.S.: Am 18. Februar 2025 war ich zufrieden mit getoastetem Graubrot mit Honig am Vormittag, mit einem Mittagsschlaf, mit der funktionierenden Waschmaschine.
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Bei uns kann der Tee solange ziehen wie er mag. Wir trinken aber auch keinen grünen Tee.
Es ist nur eine Sorte Grünen Tees, die eigentlich nur 90 s ziehen soll im ersten Aufguß …