Die sehr schwierige Suche nach einem aufschreibbaren Äquivalent einer Geste.
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Fast drei Wochen suche ich schon nach den passenden Worten. Nach den perfekt passenden Worten, die meine Gefühle genau so ausdrücken, daß sie nicht mißverstanden werden können. Neben Verständnis soll aus ihnen auch eine anwendbare Hoffnung herauslesbar sein. Und bloß nichts, was darauf hindeutet, daß es anderen noch weit schlechter gehen könnte. Fast drei Wochen schon starre ich die leere Seite an, ein echtes Büttenpapier, das ich mir für genau solche Fälle vor Jahren besorgt hatte. Eine Seite, auf der noch kein einziger Buchstabe steht. Weil ich mit meiner Wortwahl nicht vorankomme, noch nichts schreiben konnte, das meinen Ansprüchen auch nur zu einem guten Teil entspricht. Würde mir das bei einer tatsächlichen Begegnung passieren, hätte ich mein Gegenüber schon längst einfach schweigend umarmt, könnte ich mit meiner Sprach- oder Wortlosigkeit viel souveräner umgehen. Mein Gott! Es kann doch nicht so schwer sein, zwei, drei Sätze des Verständnisses, des Mitgefühls, der Hoffnung, der Bestärkung usw. usf. niederzuschreiben?
Wie schreibe ich denn, daß das hier die berühmte mitfühlende, haltende, bewahrende, schweigende, mutmachende, hilfeanbietende, verstehende Umarmung sein soll? Welches sind denn die passenden Worte dafür, die auf Papier überdauern sollen?
Nicht ich bin es, der diese konkrete Suche betreibt. Aber die in dem Auszug oben denkende, zweifelnde Person quält sich. Das echte Leben auf Papier niederzuschreiben ist nicht immer, ist nach meiner Erfahrung fast nie eine leichte Aufgabe. Immer wieder denke ich daran, daß etwas in wenigen Minuten Geschaffenes, Erledigtes, Bewirktes wahrscheinlich, nein, sicherlich viele Jahre Übung brauchte, um (anscheinend) so leicht und schnell – und jetzt fehlt mir dieses eine Wort, das alles umfaßt: hergestellt, geschaffen, formuliert, erledigt, gemacht, gelöst, gezeichnet – zu werden.
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Gut fand ich am 22.07.2022 das Zugeständnis des Schlaftages, eine dennoch erledigte Sache, die ausgelesenen zwei Erzählungen Anna Seghers' in einem schmalen Büchlein.
Für morgen zog ich die Tageskarte Ass der Schwerter.
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