Das 4. Türchen: Was am Morgen geschieht.


Schnee ohne Schlitten. Ein trauriger Gedanke.

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Meinen Adventskalender hier widme ich allen, die kämpfen, allen, die krank sind, allen, die Unterstützung benötigen.
 
Ich wünsche all diesen und allen Menschen und mir eine im wahrsten Sinne des Wortes wundervolle Weihnachtszeit. Alle meine Kerzen brennen für alle, die Hoffnung brauchen.

 

 

“Oooooch, Mutti, ich bin aber noch sooooo müde! Ich will heute wirklich nicht in die Schule.” Peter hielt seine Bettdecke ganz fest, doch Mutti hob sie einfach am Fußende an und versuchte ihn an den Füßen zu kitzeln. Ah, das war so gemein, da mußte Peter ja heftig mit den Beinen strampeln bis die Zudecke beinahe aus dem Bett gefallen wäre. Kreischend und lachend hüpfte Peter aus dem Bett und zog schnell seine Pantoffel an. “Sag mal, Mutti, warum hast Du denn die Gardine noch nicht aufgemacht?” “Weißt, Du, Peterchen, das ist ab heute Deine Aufgabe. Ich habe schon so viel zu tun, da kannst Du mir das ruhig abnehmen.” “Aber Mutti”, schmollte der Junge beinahe schon, “ich helf Dir doch schon bei so vielen Sachen: Abtrocknen, Tisch decken, Müll rausbringen, staubsaugen …” Mutti lächelte und strich ihm über den Kopf: “Ja, Peterchen, ich weiß. Aber versuche es doch heute wenigstens einmal, ja?”

Peter mochte nicht wirklich selbst die Vorhänge öffnen. Es war viel schöner, wenn Mutti das machte und er derweilen noch unter der Bettdecke bleiben konnte. Allerdings … Er lag ja nicht mehr im Bett, er war ja vor den kitzelnden Fingern ausgerissen. Also gut. Und so schwer kann es ja nicht sein. Peter ging zum Fenster und zog an der Schnur, die den Stoff zur Seite schweben ließ. Irgendetwas klemmte, so leicht ging das garnicht, merkte er. “Mutti, das geht nicht auf!” ningelte er. “Hast Du auch versucht, in die andere Richtung zu ziehen?” Peter stöhnte leise und dachte, wie dumm er doch sei; auf die Idee, die Schnur einfach in die andere Richtung zu ziehen, hätte er ja auch kommen können. Hoffentlich dachte die Mutti jetzt nicht von ihm, daß er fürs Gardinenöffnen zu klein wäre. Schließlich war er kein kleiner Junge mehr, sondern ging schon in die zweite Klasse!

Peter zog, und ein wenig ärgerte er sich über sich selbst, als der Stoff ganz einfach zur Seite glitt. Und dann hörte er schlagartig auf zu ziehen, riß die Augen auf, stand ganz starr, ehe er rief: “Mutti! Mutti! Mutti, komm schnell her. Schau mal, da draußen, da ist Schnee! Das ist alles ganz weiß, es hat geschneit!” Mutti schaute nur kurz in Peterchens Zimmer, freute sich über die Freude des Jungen und ging dann wieder in die Küche. “Ja, Peterchen, das hatte ich hier am Küchenfenster schon gesehen. Jetzt mach den Vorhang ganz auf und dann beeil Dich bitte.” Na prima, das Beeilen durfte ja nicht fehlen, dachte Peter, der viel lieber am Fenster stehengelieben wäre und den wenigen tanzenden Schneeflöckchen zugesehen hätte.

Später am Frühstückstisch, nachdem er das 4. Türchen am Adventskalender geöffnet hatte, versuchte Mutti ihn davon zu überzeugen, daß es noch viel zu wenig Schnee war, um mit dem Schlitten in die Schule zu fahren. Peter verstand das nicht, denn da draußen war doch Schnee, da fielen noch immer Schneeflocken vom Himmel, auch hier vorm Küchenfenster. Und wo Schnee liegt, konnte er schlittenfahren. Das mußte Mutti doch verstehen? Er war sogar ein wenig sauer auf sie, weil sie ihm den Winterspaß verderben wollte. Doch alles betteln und bitten half nichts. Den Weg in die Schule mußte er zu Fuß gehen.

Als er sich angezogen hatte und sich an der Wohnungstür von Mutti verabschiedete, war er wirklich traurig. Schnee und kein Schlitten. Die anderen Kinder würden bestimmt alle mit ihren Schlitten in die Schule kommen, versuchte er Mutti nocheinmal zu überreden. “Nein, Peterchen, das ist viel zu wenig Schnee. Schau, da würde Dir das Ziehen sehr schwer werden. Und vielleicht ginge der Schlitten ja auch kaputt!” Nein, Peter war doch stark und würde das bestimmt schaffen, den Schlitten bis zur Schule zu ziehen! Wirklich! “Aber eines verspreche ich Dir. Wenn Du auch schon groß bist und allein zur Schule gehen kannst und auch alleine heimkommst”, sie faßte ihn am Kinn und schaute ihn an, “werde ich Dich heute von der Schule abholen. Wenn genug Schnee gefallen ist, auch mit dem Schlitten! Und dann gehen wir schnell noch einkaufen, damit wir alles zuhause haben, was wir heute nachmittag zum Plätzchenbacken brauchen.”

Oh, darauf freute sich Peter. Da war der Ärger über den Schlitten fast vergessen. Denn Plätzchenbacken war seine Lieblings-Weihnachtsvorbereitung, gleich nach Adventskalendertürchenöffnen. Und dann wollte Mutti ihn ja mit dem Schlitten abholen. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, gab Mutti einen Kuß und war ganz schnell die Treppe hinab verschwunden, hinaus in den ersten Schnee, der in der Nacht gefallen war und noch immer fiel.

 

 

Peters Erlebnisse in der Adventszeit werden mich weiter begleiten.

 

Der Emil

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

P.S.: Positiv am 3. Dezember 2014 waren das Türchen am Adventskalender und die ganz, ganz leichte Schneedecke, die stellenweise liegenblieb.
 
Tageskarte 2014-12-04: Die Sechs der Kelche.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu Das 4. Türchen: Was am Morgen geschieht.

  1. Elvira sagt:

    Über das Wort „ningeln“ bin ich schon einmal bei Gudrun gestolpert. Ich finde es wunderbar, es drückt einfach alles aus, besser noch als Nörgeln. Ob Peter morgen wohl Schlitten fahren darf?

  2. Gabi sagt:

    Eine schöne Fortsetzung und ich bin schon gespannt auf weitere Erlebnisse vom kleinen Peter.
    Ich bin ja leider eher ein „Weihnachtsmuffel“, aber ich mag Deine Geschichten, Gedichte und Lieder, die Du hier in der Vorweihnachtszeit veröffentlichst. Ja, ich freue mich sogar immer darauf (bin nur leider erst heute dazugekommen, sie mir anzuschauen.) Denn ich weiß, Du magst Weihnachten sehr und deswegen freue ich mich in gewisser Weise mit Dir.
    Ich weiß auch nicht, warum ich so ein Weihnachtsmuffel geworden bin. Manchmal denke ich mir, ich weine da meiner Kindheit nach, als ich mich, wie alle Kinder, auf den Advent und Weihnachten gefreut habe. Als diese Zeit noch vollkommen unbeschwert und ohne Hektik (zumindest für mich) erlebt werden konnte. Und wie langsam da die Zeit verging, bis endlich dann das Christkind da war! Und heute – da geht es „schwupp“ – und Weihnachten ist immer schneller da, als ich schauen kann.
    Es macht mich irgendwie traurig, dass es „diese“ Weihnachten nicht mehr gibt. Wenn ich mir alte Fotos von der „Bescherung“ anschaue, sind heute ein Großteil der Menschen auf den Bildern nicht mehr am Leben. Und das macht mich immer traurig.
    Liebe Grüße
    Gabi

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