184–2024: Erbstück 027

Tagebuch A: Donnerstag, 27. Januar.

To get a Google translation use this link.

 

 

Keks, Kaffee – und nun die Mails, eine Zigarette und ein Schmier­zettel. Ja, ich habe heute Nacht von J. geträumt, sehr intensiv, muß ich gestehen. Allerdings nicht so, wie ich das gerne gehabt hätte (ich denke, mir fehlte dazu die Erfahrung aus der Realität). Wer weiß, wozu das schlußendlich gutgewesen sein wird. Manchmal freue ich mich darüber, daß ich auch im Halbschlaf einigermaßen lesbar schreiben kann.

Ich habe mich mittlerweile an die Beschränkung auf 90 Minuten Rechnerzeit am Stück gewöhnt, werde schon nicht mehr vom ein­ge­stellten Signal zur Beendigung überrascht. Das hätte ich vor drei Wochen noch nicht zu hoffen gewagt. Den Alarm schalte ich jetzt jedesmal ein, wenn ich mich an den Rechner setze: drei- bis fünfmal am Tag. Jaja, das sind siebeneinhalb Stunden am Tag … Zu lange, denken viele meiner Bekannten. Allerdings gehört das Abtippen des Geschriebenen dazu, denn noch immer schreibe ich alles mit der Hand auf Papier und muß deshalb alles abtippen, was ich auch im Rechner haben möchte. Also fast alles … Wenn ich versuche, mit der Tastatur direkt in den Rechner zu schreiben, komme ich nicht in den Zustand, in dem die Worte aus dem Kopf über Arm und Hand aus einem Stift als Tintenspuren auf das Papier fließen.

Manchmal habe ich – wie gerade jetzt – das Gefühl, daß ich viel zu viel über das Schreiben schreibe und darüber das Schreiben ver­nach­lässige. Über die Beklopptheit des Satzes erschrecke ich mehr, als es wahrscheinlich angemessen ist. Dabei habe ich heute fast fünf Stunden an Texten gearbeitet und drei Stunden abgetippt. Ja, das ist ein Acht-Stunden-Tag, wie ihn Menschen im Büro oder am Fließband auch haben. Ich weiß nicht, ob deren Arbeit sinnvoller ist als das, was ich hier mache? Ob sich diese Frage für mich dann beantwortet, wenn ich mich irgendwann einmal zur Veröf­fent­li­chung meiner Texte entschlossen habe? Aber: Für wen, frage ich mich noch immer, sollen meine Texte denn interessant sein? Sie reichen doch keineswegs an die Werke von echten Schriftstellern heran. Wenn allerdings alle Autoren so gedacht hätten und so denken würden, gäbe es dann überhaupt noch neue Bücher? Gehört vielleicht etwas Selbstüberschätzung, gehört gar (ein kleiner) Größenwahn dazu, Bücher zu veröffentlichen? Immer wieder die immer gleichen Fragen …

Am Telefon sprach ich heute mit einer Frau, mit der ich vor vielen Jahren, lange bevor ich meine Frau kennenlernte, ziemlich viel herumexperimentiert hatte. Wir können noch immer über alles miteinander reden, ganz offen, ganz schamlos. Nun, am Ende des Gesprächs drehte es sich nur noch um eines: wie meine Frau und ich miteinander umgingen, wie wir lebten und liebten, und welche vermutbaren, wahrscheinlichen Gründe sie dazu brachten, sich so komplett in diese „Auszeit” zurückzuziehen. Ich bekomme von ihr weder Vorwürfe noch Ratschläge zu hören und konnte mich endlich einmal ohne jede Einschränkung äußern, mich aussprechen. Das tat mir ziemlich gut, dieses Verständnis zu finden, einfach so. Das werde ich – zumindest solange J. nicht wieder hier ist – viel häufiger machen: telefonieren mit Sina.

 

 

Mit diesem Text wird das geerbte Tagebuch fortgesetzt. Alle Teile der Erb­kladden-Serie sind in diesem Link in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge (neueste zuerst) zu finden. Über eines der Notiz­bü­cher erzählte ich ja schon vor langer Zeit, im November 2012. Ich tippe die kleinen blauen lateinischen Buchstaben ab, immer mal wieder. Erst jetzt nämlich darf ich abschreiben aus den „von einem Freund geerbten” Kladden mit dieser winzigen Schrift.

 

Erinnerung des Tages:
In der gestern zur Hand genommenen alten Kladde hatte ich ein Telefonat dokumentiert, das mir damals in einer sehr kniffligen Situation die Augen öffnete. Daß im Text oben auch ein Telefonat eine Rolle spielt, hat damit aber wirklich nichts zu tun.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Zufrieden war ich am 2. Juli 2024 mit der Fahrt mit der S-Bahn, mit dem Spaß der Tauben mit den Haferflocken, mit einer geschenkten Tageszeitung.

© 2024 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
Dieser Beitrag wurde unter 2024, Erbkladden, Geschriebenes, One Post a Day abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu 184–2024: Erbstück 027

  1. Sonja sagt:

    Es wird mir nie zuviel, was über das Schreiben gesagt wird!

  2. Pingback: 188–2024: Erbstück 028 | GeDACHt | Geschrieben | Erlebt | Gesehen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert