099–2024: Utopien

Die von damals, die alle nicht Wirklichkeit werden durften und verschwanden.

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Wie oft ich in der Schule etwas über meine Vorstellungen von der Zukunft schreiben oder zeichnen sollte, weiß ich nicht mehr. Aber eines war uns allen gemeinsam in den Utopien, die wir erträumten: Die Menschen werden ohne Geld – wer etwas braucht, geht einfach in ein Versorgungszentrum und bekommt es dort ausgehän­digt – und ohne stinkende Autos und ohne qualmende Öfen leben. Einfamilien- und Reihenhäuser sind schon lange kein Lebensziel mehr. Wir würden reisen können, wohin wir wollen. Auch Ausflüge zu einer der ringförmigen Raumstationen oder gar Arbeitseinsätze dort stellten wir uns als normal vor. Die Produktionsprozesse laufen überwiegend vollautomatisch ab, Menschen überwachen nur noch oder stellen die von den Maschinen auszuführenden Programme zusammen. In den Meeren sorgen vollautomatische Kulturen dafür, daß es jederzeit genügend Fisch und Algen für die Ernährung der gesamten Erdbevölkerung gibt. Jede kann jederzeit mit jedem kommunizieren, sogar mit Bild.

Das waren Utopien, die vor 40 Jahren noch ganz normal waren und vor 35 Jahren plötzlich in der Versenkung verschwanden. Nicht eine davon ist Wirklichkeit geworden (nein, auch die mit der Kommunikation nicht, siehe Funkloch). Und heute? Heute herrschen Dystopien vor; wer kann sich angesichts der Realität noch eine glückliche Zukunft dieses Planeten vorstellen? Bei mir hat sich mittlerweile sogar ein gewisser Fatalismus eingestellt: Gemäß der statistischen Alterserwartung werde ich das Schlimmste wohl nicht mehr miterleben.

Es waren schöne Phantasien, Vorstellungen, die wir von der Zukunft hatten, und viele von uns waren sicher, daß 2000 oder 2020 einiges davon schon erreicht sein würde. Tja. Aus Gesprächen mit Gleichaltrigen, die in der BRD und anderen Ländern aufwuchsen und lebten, erfuhr ich, daß auch dort ähnliche Utopien gang und gäbe waren. Und sie verschwanden dort ungefähr zur gleichen Zeit, kurz vor dem Ende der DDR …

Vielleicht sind es die verlorengegangenen Utopien, die mir verlorengegangenen Utopien, die mich so häufig in die Vergangenheit blicken lassen. Nun, in der hatte ich all jene Erlebnisse, die ich in meinen Schmonzettchen verarbeite. Hat das also durchaus etwas Gutes, nicht wahr? Mal sehen, ob ich nicht auch wieder Utopien zu Papier bringen kann.

 

Erinnerung des Tages:
Ich habe vor vielen, vielen Jahren (1979, 1980 oder 1981?) mit einem Menschen gesprochen, der mehrmals im Weltall unterwegs war, und ich tat es auf Russisch mit Waleri Bykowski.

Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Um die 20 leere Schachteln und Kartons flachgelegt und ins Altpapier gegeben.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Zufrieden war ich am 8. April 2024 mit dem Anfang einer Geschichte aus der Zukunft, mit Unterwegssein in der Stadt, mit den ensorgten Kartonagen.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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3 Antworten zu 099–2024: Utopien

  1. Sonja sagt:

    Was war das Hervorstechende, was der Mensch, mehrmals im All unterwegs, dir berichtet hat?

    • Der Emil sagt:

      Er sprach vom überwältigenden Anblick des Planeten und von der überraschend winzigen Dimension der Atmosphäre. (Die Aussage vergaß ich nie, den Wortlaut in der mittlerweile vergessenen Sprache weiß ich nicht mehr.)

  2. Verbalkanone sagt:

    Wenn Träume zerplatzen, dann tut das naturgemäß weh. Je öfter das passiert, desto größer wird die Frustration. Ich glaube, das kennen wir alle. Leider.

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