051–2024: Erbstück 026

Tagebuch A: Mittwoch, 26. Januar.

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Ich habe heute Nacht sehr Sonderbares geträumt: Vorm Haus meiner Eltern fand ich eine riesengroße Motte, grau, kuchen­tellergroß. Fühlte sich steinern an, schien tot zu sein. Eine Bekannte nahm das Tier auf und legte es abseits des Weges auf eine sonnenbeschienene Stelle. Da quoll eine schwarze Masse aus ihm heraus. Das seien nicht die Eingeweide der Motte, sondern ihre Nachkommen, keine Eier, sondern wirklich winzige, voll ausgebildete Motten. Kleine schwarze Pünktchen lösten sich von der Masse, fast so, als sähe ich etwas verdampfen. Das große Tier sehe ich auch jetzt noch deutlich vor mir, sehr deutlich. Aber wer das Weib war …

So notierte ich auf einem Schmierzettel, während der Kaffee noch durch die Maschine tröpfelte. Ich trank die ersten beiden Tassen am Rechner, aß auch Kekse dazu. Danach rauchte ich die erste Zigarette und beantwortete zwei E-Mails. Die eine kam von einer kleinen Ferienwohnung, für die ich mich kurz vor Weihnachten schon interessiert hatte. Die Schnellsten waren sie mit dem Antworten nicht, und über den Jahres­wech­sel wurden auch noch die Preise angehoben. Nur um knapp 5 %, aber ich habe nachgefragt, ob wegen der Nachfrage schon im vergangenen Jahr vielleicht doch noch die alten Preise möglich wären. Hoffentlich muß ich nicht wieder vier Wochen auf eine Antwort warten. Die zweite Mail fand ich – nun ja, ungewöhnlich. Eine gemeinsame Bekannte fragte mich, ob wir uns, jetzt, da meine Frau weg ist, nicht einmal auf einen Kaffee und ein Gespräch treffen könnten. Warum nur hatte ich das Gefühl, daß sie mehr will? (Die Mail gab mir nicht dieses Gefühl, die blieb tatsächlich unverfänglich.) Ich habe sehr, sehr vorsichtig geantwortet, weil … Ich gestehe, ich wollte sie schon immer einmal wenigstens nackt sehen (wie so viele andere auch). Wer weiß, ob ich mich am Ende überhaupt darauf einlasse, auf den Kaffee und das Gespräch. Denn meine Frau ist trotz allem die Liebe meines Lebens (glaube ich).

Beim Schreiben habe ich mich heute wieder irgendwie verzettelt, verlaufen. Statt wie geplant an einem längeren Text weiterzuarbeiten, dachte ich auf der gestern aufgetauchten Figur herum und auf vielen Dingen aus ihrem Umfeld. Ich stellte mir verscheidene Tiere vor und überlegte, aus welchem Grund sie jeweils gerade dieses Tier so leidenschaftlich und hochkonzentriert beobachtete. Als ich mich dann endlich zusammenreißen konnte und meine geplante Schreiberei umsetzen wollte, schrieb ich in jenen Text einen Hund hinein, völlig ungeplant und ohne daß das zu diesem Stoff überhaupt denkbar gewesen wäre! So hab ich beschlossen, daß nur ein Katastropheneinsatz als Hundesitter möglich sein kann. Jetzt suche ich nach dem passenden Geschehen und den Figuren, denen es zustoßen könnte. Zusätzliche Mühe, die ich nicht unbedingt bräuchte. Aber den Hund einfach so wieder raus­zu­streichen, bringe ich nicht übers Herz.

Und jetzt, da ich im Bett liege, geistert mir J. durch den Kopf, die mit mir ja nur einen Kaffee trinken möchte.

 

 

Mit diesem Text wird das geerbte Tagebuch fortgesetzt. Alle Teile der Erb­kladden-Serie sind in diesem Link in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge (neueste zuerst) zu finden. Über eines der Notiz­bü­cher erzählte ich ja schon vor langer Zeit, im November 2012. Ich tippe die kleinen blauen lateinischen Buchstaben ab, immer mal wieder. Erst jetzt nämlich darf ich abschreiben aus den „von einem Freund geerbten” Kladden mit dieser winzigen Schrift.

 

Erinnerung des Tages:
Heute hörte ich eine LP an, die ich mir 1986 in der AMIGA-Lizenz-Version in Karl-Marx-Stadt kaufte (und mal bei jemandem zurückließ): The London Symphony Orchestra Plays The Music Of Jethro Tull (Featuring Ian Anderson) – A Classic Case. Eine Bekannte, die im gleichen Verein tätig war wie ich, schenkte mir genau die irgendwann einmal wieder.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Zufrieden war ich am 20. Februar 2024 mit drei weggeworfenen ange­schla­genen Gläsern, mit dem kurzen Besuch im Radiosender, mit einer Pause in der Dämmerung an den Ententeichen.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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