Tagebuch A: Dienstag, 25. Januar.
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Ich weiß nicht, warum, aber ich habe verschlafen. D. h. ich bin anderthalb Stunden später aus dem Bett gekommen als es geplant war. Irgendeine andere Auswirkung hatte das aber nicht, denn ich habe heute keinen Termin gehabt. Nach Kaffee, Keks und einer Stunde am Rechner hab ich mich dann angezogen und war wiedereinmal einkaufen. Dichter Nebel machte die Stadt, der der Schnee fehlt, etwas sanfter. Milch und Brot mußten geholt werden, auch Bier hab ich mitgebracht. Ende der Woche brauche ich noch Kaffee und Toilettenpapier und vielleicht auch noch eine oder zwei Tafeln Schokolade. Unterwegs sah ich und erlebte ich nichts, aber auch gar nichts Aufregendes.
Beim Heimkommen war die Post schon da. Diesmal lagen nicht nur Werbung und böse Briefe im Kasten, sondern auch ein dicker Pappbriefumschlag. Ich zähmte meine Neugier, räumte zuerst den Einkauf weg und öffnete dann den Brief. Ein Buch war darin, ein schmales Bändchen, das ich früher mal besaß; irgendwann kam es mir abhanden. Darüber hatte ich vor einiger Zeit im Netz mal was geschrieben, weil ich es gar zu gern wieder gelesen hätte. Und heute lag es als Paperback in meinem Briefkasten! Der Absender sagte mir nichts. Aber die Person hatte sich die Mühe gemacht, die verstreuten Informationen über mich zusammenzutragen und meine Adresse herauszufinden. Ich kann mich nun glücklicherweise mit einer Postkarte oder einem Brief dafür bedanken. Doch wer genau mir dieses Geschenk gemacht hat, das kann ich nur mit Realnamen und Adresse nicht zu einer Online-Persönlichkeit zuordnen. Ganz herzlichen Dank dennoch, denn nun kann ich „Eine Anzeige in der Zeitung” jetzt noch einmal, sogar mehrmals lesen. Hach.
Heute tauchte eine neue Figur bei mir auf, in einer kurzen Szene am Ufer eines Teichs oder Sees. Noch weiß ich nur, daß die Person weiblich ist, um 35 Jahre alt und nicht in der Nähe des Gewässers lebt. Sie beobachtet Tiere und Menschen, scheinbar wahllos, scheinbar zufällig, absichtslos. Ich bin sehr neugierig auf das, was sich daraus im Laufe der Zeit entwickeln wird. Ich wundere mich nur, daß ich mich jetzt eine spätsommerliche oder frühherbstliche Szene hineindenken kann. Jetzt, wo ich noch im Weihnachtsmodus lebe. Es fiel mir auch überhaupt nicht schwer, ich schrieb den Text am Stück runter, habe nur die Liste mit Vornamen wieder gestrichen, weil mir nicht einer davon auch nur im Entferntesten passend erschien. Auch am Text über die Grande Dame hab ich heute geschrieben, es entstand eine weitere Szene, für die ich nun noch den richtigen Platz, den Zeitpunkt innerhalb des Ganzen finden muß.
Jetzt ist es aber Zeit fürs Bett. Ich bin rechtschaffen müde. Der Mittagsschlaf, den ich so gern gehabt hätte, versagte ich mir heute, weil ich mich im Schreibfluß fühlte (und das sogar zu Recht). Vielleicht träume ich etwas besonders Schönes, eine Erinnerung vielleicht, eine begründete Hoffnung eventuell. Und wenn ich danach rechtzeitig wachwerde mitten in der Nacht, könnte ich sogar aufschreiben, was mit träumte. Und mich morgen früh dann daran erfreuen. Und weiterschreiben werde ich morgen auch.
Mit diesem Text wird das geerbte Tagebuch fortgesetzt. Alle Teile der Erbkladden-Serie sind in diesem Link in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge (neueste zuerst) zu finden. Über eines der Notizbücher erzählte ich ja schon vor langer Zeit, im November 2012. Ich tippe die kleinen blauen lateinischen Buchstaben ab, immer mal wieder. Erst jetzt nämlich darf ich abschreiben aus den „von einem Freund geerbten” Kladden mit dieser winzigen Schrift.
Erinnerung des Tages:
Mein Cousin (20 Jahre älter als ich, sechs Jahre älter als unser jünster Onkel) brachte mir zu einem seiner ersten Besuche in der DDR ein DIN A3 Reißbrett mit, für das er und seine Kollegen die Spritzgußformen fertigten. Ob es wohl noch existiert?
Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.
P.S.: Zufrieden war ich am 11. Februar 2024 mit meiner heute besonders sauberen Handschrift (kann an der neuen Feder gelegen haben), mit einer lange nicht gehabten Phantasie, mit einem komplett verschlungenen Büchlein (kann sein, ich las schon zum zweiten Mal dieses Buch von Hanns Cibulka: Seedorn. Tagebucherzählung.).
© 2024 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
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