Wenn's viel zu früh dazu ist, aus dem Schlafsack zu kriechen.
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Geh doch einfach nur vorbei, denke ich. Geh vorbei. Laß mich bitte in Ruhe, sprich mich nicht an. Sieh weg. Jaja, ich gehöre nicht hierher, die Gegend ist viel zu fein für mich. Soeiner wie ich gehört nicht hierher, fällt auf, erregt Anstoß. Aber trotzdem, geh doch bitte einfach vorbei.
Nein, nicht stehenbleiben, bitte. Es ist nicht die Zeit, zu der ich schon menschenkompatibel bin. Schlafen will ich noch, zwei oder drei Stunden einfach noch schlafen. Da merke ich nicht, daß ich hungrig bin. Und ich beginne nicht zu zittern, wenn ich mich nicht rühren muß. Ich bin doch sowieso kaum sichtbar – also geh bitte einfach weiter, geh und sieh mich nicht an, übersieh mich doch wie alle anderen. Ich spüre, daß Du hier stehst und mich anstarrst.
Bleib weg!
Laß mich einfach. Mir tut genug weh, ich will mich noch nicht rühren. Und auch mit niemandem reden. Weißt Du, ich mach jetzt die Augen wieder zu, zähle bis Hundert und dann bist Du weg, als wärst Du nie hiergewesen. Ich hab Dir nichts getan, ich hab niemandem etwas getan. Also bitte: Mach es wie immer, ignorier mich einfach. Damit kann ich leben; ich will keine Aufmerksamkeit, denn daraus werden oft Ratschläge oder Mitleid und Aufforderungen. Davon hatte ich genug im Leben. Mehr als genug.
… 68, 69, 70, 71 … Den Geruch kenn ich doch. Daß ich manchmal davon träume, das weiß ich. Aber jetzt, wo ich nicht mehr schlafe, jetzt kann der Geruch nicht hier sein. … 82, 83, 84 … Ich spüre Deine Anwesenheit nicht mehr. Gott sei Dank. Du bist weggegangen, gut so. Vielleicht kann ich ja doch nochmal einschlafen? … 99, 100: Okay. Ich spür Dich nicht mehr. Aber der Geruch ist noch da. Hier kann es nicht nach frischem Kaffe riechen, das tat es noch nie. Was soll das, warum spielt mir meine Einbildung einen solchen Streich?
Ich mach besser mal meine Augen wieder auf und seh nach, ob Du wirklich verschwunden bist. Ja, weg, keiner mehr da. Ich hätte mich dermaßen geschämt, wenn Du mich angesprochen hättest, mir Fragen gestellt hättest, auf die ich keine Antwort weiß. Moment mal. Der Geruch. Hier steht ja ein Becher Kaffee to go. Heiß und weiß. Und in der Tüte? Eine Streuselschnecke? Soll das etwa für mich sein? Ich nehme eine Kippe aus der Schachtel, zünde sie an und nehme einen tiefen Zug. Moment: Eine ganze Schachtel Zigaretten? Nein, die hab ich auch nicht gekauft, ich rauch doch schon lange nur noch das, was ich aus Kippen krümeln kann. Und dafür werde ich oft genug schief angesehen.
„Hallo? Halloooo! Sind sie noch da? Warum tun Sie das? Womit hab ich das verdient? Kommen Sie morgen wieder? Oder übermorgen? Bitte. Damit ich wenigstens Danke sagen kann. Hallo? Hallo, Sie.” Schulterzuckend nehme ich dann den ersten Schluck Kaffee …
Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Das normale und eine Klappbox Altpapier, zusätzlich ein Blauer Sack voll geshreddertem Papier.
Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.
P.S.: Zufrieden war ich am 9. Februar 2024 mit dem Tagesbeginn kurz nach 5.00 Uhr, mit beschriebenem und geshreddertem Papier, mit einem Weg durch die Stadt.
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