037–2024: Erbstück 024

Tagebuch A: Montag, 24. Januar.

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Ein Monat nach dem Heiligen Abend. Ich weiß, daß bei vielen das Weihnachtszeug spätestens am 7. Januar weggeräumt wurde. Hier aber brannte auch heute wieder der Advents­leuchter, als ich meinen Kaffee trinkend und Spekulatius essend am Tisch saß. Brennenden Kerzen besänftigen mich, geben mir Gelegenheit, in ihnen zu versinken. Die Zeit verläuft dann anders für mich – eine Stunde ist dann nicht viel mehr Zeit als die bei einem einzigen Wimpernschlag vergehende. Es ist keine verschwendete Zeit für mich, die ich da wohl verträumte: Heute war es absolut angst- und bedenkenfreie Erinnerungszeit. Die ist selten genug bei mir.

Gleich danach setzte ich mich zu meiner Kladde, hoffte ich doch, von diesen angenehmen Erinnerungen inspiriert etwas schreiben zu können. Aber nein, so geschah es nicht. Statt dessen spukte mir anderes im Kopf herum.

Eva Strittmatter wiederholte in einem (Antwort-)Brief die Frage, die der Briefschreiber an sie stellte: „Woher kommen all die Geschichten?” Und sie gibt darauf nicht wirklich eine Antwort, kann diese Frage vielleicht gar nicht beantworten. Ich weiß ja auch nicht wirklich, woher meine Geschichten kommen, wo die Ideen dafür sich versteckt hielten und halten, bevor sie aus mir herausgeschrieben sein wollen. Eva Strittmatter fordert den Fragesteller auf, nicht Menschen zu fragen, sondern das Leben und das Universum zu fragen, zu beobachten und gleichzeitig sehr aufmerksam in sich hineinzulauschen. Auf diese Art und Weise, so schreibt sie, finden sich wahrscheinlich nicht nur Ideen für Geschichten, nein, so finden sich ganz bestimmt sogar komplette Gedichte. All das ist aber – wie könnte es anders sein – etwas ganz persönliches, individuelles. Denn Kunst, und um die sei es dem Fragesteller ja sicherlich, offensichtlich gegangen, mag zwar ein individuelles Phänomen mit durchaus auch individueller Wirkung sein, aber, so ihre ganz persönliche Meinung, jeder einzelne Künstler, jede Künstlerin muß ganz für sich allein sich bemühen, Quellen zu finden, aus denen sprudelt, was geschöpft werden kann. Das ist meiner Meinung nach die Quintessenz des mehr als zwei Seiten langen Briefes.

Hm. Heute fand ich dann leider nicht viel in meiner sprudeln­den Quelle, war in dem Bild von eben dieser Quelle gefangen. Und was ich fand, das zerfloß mir zwischen meinen Fingern, versickerte irgendwie irgendwo auf dem Weg vom Gedanken aufs Papier. Wäre der Tag nicht schon seit dem Morgen so außergewöhnlich sanft verlaufen, hätte ich mich über meine „Unfähigkeit” heftig echauffiert. Ich bin also zufrieden mit dem Tag.

Jetzt ist es aber genug, es ist Zeit für die Nacht, den Schlaf und die Träume – ich bin neugierig auf das, was mir davon für den morgigen Tag bleibt. Und noch immer hoffe ich, daß die andere Seite des Bettes nicht mehr lange leerbleibt.

 

 

Mit diesem Text wird das geerbte Tagebuch fortgesetzt. Alle Teile der Erb­kladden-Serie sind in diesem Link in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge (neueste zuerst) zu finden. Über eines der Notiz­bü­cher erzählte ich ja schon vor langer Zeit, im November 2012. Ich tippe die kleinen blauen lateinischen Buchstaben ab, immer mal wieder. Erst jetzt nämlich darf ich abschreiben aus den „von einem Freund geerbten” Kladden mit dieser winzigen Schrift.

 

Heute weggegeben bzw. entsorgt:
Ich habe Bücher aussortiert und 13 davon (mehr paßten heute nicht in den Rucksack) ins öffentliche Bücherregal gestellt.

 

Mit einem Danke fürs Lesen schleiche ich mich davon.

Der Emil

 

P.S.: Zufrieden war ich am 6. Februar 2024 mit dem überfrühen Aufstehen vor acht Uhr, mit der abgeschlossenen Vorbereitung einer Sendung, mit einem abgeschickten Brief.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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