Das verdorbene Weihnachtsfest.
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Das war der 14. Adventskalender hier. Ich widmete ihn allen, die krank sind oder Unterstützung benötigen, und allen, die einsam oder allein sind. Möge allen Menschen eine im wahrsten Sinne des Wortes wundervolle Weihnachtszeit beschieden sein. Meine Kerzen brennen weiter für Menschen und Tiere, die Hoffnung und Trost brauchen.
Die Mutter steht den ganzen Tag in der Küche und bereitet das Festmahl zu, nebenher bäckt sie noch ein paar Plätzchen. Der Vater tauscht die abgebrannten Kerzen aus. Er paßt den Baum in den Ständer ein, ergänzt vielleich hier und da noch einen Ast, stellt ihn dann im Wohnzimmer auf. Holt die Getränke aus dem Keller. Und schmücken muß er die Krücke heute allein, damit die Mutter nichts mehr zu kritisieren hat. Er hängt also Strohsterne und Kugeln in die Zweige, und erst, als er das Lametta schon in der Hand hat, fällt ihm auf, daß da doch die Lichterkette fehlt. Leise fluchend versucht er, das Kabelgewirr auszufitzen. Nachdem er das endlich geschafft hat, probiert er aus, ob sie überhaupt funktioniert. Natürlich nicht! Wie sollte es auch anders sein … Es dauert einige Zeit, bis der Vater die Ersatzbirnchen gefunden hat. Dann endlich leuchtet das Ding. Eine ganze Weile später sind die elektrischen Kerzen im Baum verteilt, recht günstig für das Aussehen des Baumes, so denkt er. Vor dem Lametta muß er aber eine Pause machen.
Die Mutter beginnt, die Kartoffeln für die Grünen Klöße zu reiben. Wenigsten ausdrücken könnte Vater das Zeug! Na, er ist ja nicht so, dabei hilft er seiner Frau selbstverständlich. Ach, wenn er schonmal in der Küche ist, kann er gleich einen Kaffee trinken und ein Stück Stollen essen. Er vergißt vor lauter Weihnachtsstreß, die gerade das Rotkraut rührende Mutter zu fragen, ob sie auch etwas möchte – typisch für ihn, andere hätten ganz sicher von sich aus an ihre Frau gedacht. Der Vater geht wieder ins Wohnzimmer und hängt endlich das Lametta an den Weihnachtsbaum. Hauptsächlich auf der Seite, die ins Zimmer zeigt; die Rückseite bleibt vergleichsweise kahl. Nach einer Stunde, in der er am Ende hier und da noch ein paar einzelne Fäden umordnet oder dazuhängt, ist aus der Krücke, wie seine Frau den Baum genannt hat, ein ganz ansehnlicher Weihnachtsbaum geworden. Unter dem legt er jetzt noch die Geschenke zurecht.
Später, es dämmert schon, kommen die Kinder nachhause und bringen des Mannes Schwiegereltern mit. Ja, es war genau so abgesprochen. Der Baum steht, in der Küche formt die Mutter gerade die Klöße. Zeitlich paßt alles. Die Kinder verschwinden noch für eine Weile in ihrem Zimmer, die Schwiegereltern haben sich aufgeteilt: Der Schwiegervater sitzt im Sessel und sieht fern, die Schwiegermutter ist in die Küche zu ihrer Tochter gegangen. Es wird Zeit, den Tisch auszuziehen und zu decken. Dreiviertel Sechs hat er es geschafft, sogar die Weingläser stehen auf dem Tisch. Der Wein ist entkorkt und neben der Stubentür steht ein Korb mit Sekt und Bier für später.
Dann ist es an der Zeit, die Frau zu unterstützen, schließlich müssen die Schüsseln und Terrinen auf den Tisch. Nein, heute wird nichts im Topf aufgetragen, wie das sonst im Jahr üblich ist. Schließlich ist heute Heiliger Abend. Da wird nicht nur gegessen, da wird getafelt. Die Kinder kommen schon beim zweiten Rufen, sie und die Schwiegereltern sitzen am Tisch. Die Mutter bringt noch das Bowleglas mit dem Kompott und bleibt wie angewurzelt in der Wohnzimmertür stehen. „Wie kannst Du nur! Du hast das ganze Weihnachtsfest versaut”, faucht sie ihren Mann an. Der steht bedröppelt da, weiß nicht, wie ihm geschieht. Vor lauter Verlegenheit nimmt er der Mutter den Nachtisch aus der Hand. Auch die Kinder und seine Schwiegereltern wissen nicht, was da geschehen sein soll. Kopfschütteld setzt sich die Mutter an den Tisch. Schniefend ergänzt sie: „Wenn Du schon keinen vernünftigen Baum beschaffen konntest, dann hättest Du nicht auch noch die Christbaumspitze von meiner Großmutter vergessen sollen!” Schweigend beginnt der Vater, den anderen am Tisch aufzutun. Ja, er sieht es ein, er hat das ganze Weihnachtsfest verdorben.
Viel später am Abend, lange nach der Bescherung, die Kinder sind im Bett und die Schwiegereltern längst gegangen, da sitzen beide nebeneinander auf der Couch. Er hat schon x Mal das Essen gelobt und sich bei seiner Frau für die perfekte Vorbereitung des Essens und für sein Geschenk bedankt, da endlich sagt sie: „Naja, für 'ne Krücke hast Du den Baum doch ganz gut hinbekommen.” Endlich ist Weihnachtsfrieden.
Hoffentlich ergeht es heute niemandem von euch so wie meiner erfundenen Familie. Ich schleiche mich davon und wünsche eine schöne Weihnachtszeit. Und ab morgen kommen meine Beiträge wieder am Abend.
Am 23. Dezember 2023 war ich zufrieden mit den letzten eingekauften Dingen, mit dem Linseneintopf, mit dem im Allgemeinen ruhigen Tag.
© 2023 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Von Herzen wünsche ich dir schöne Weihnachtsfeiertage, lieber Emil.
Vielen Dank für deinen schönen Adventskalender, den ich Jahr für Jahr sehr gerne lese.
Nati
Lieber Emil,
ich wünsche dir ein friedvoll-besinnliches Weihnachtsfest und hoffe, dass du es so verbringen kannst, wie du es möchtest. Ich lese deinen Blog sehr gerne, mag deine Art zu schreiben und sehr oft bringst du mich mit deinen Beiträgen aus angenehme Art zum Nachdenken und Reflektieren. Danke dafür.
Bitte achte weiterhin gut auf dich, verliere nicht die Freude an den kleinen Dingen des Lebens, die so oft das sprichwörtliche „Salz in der Suppe“ sein können und bleibe ansonsten einfach so wie du bist.
Herzliche Grüße von
S. alias Verbalkanone
Lieber Emil, ich wünsche dir frohe Weihnachten. Es sind ja noch zwei Tage richtige Feier und für dich ja noch lange.
Vielen Dank für deinen Weihnachtskalender. Ich habe mich jeden Tag gefreut, wenn ich ihn mit einem Beitrag beginnen konnte. Schön, dass es 24 Schöne und Interessante waren.
Grüße von nebenan