Tagebuch A: Freitag, 14. Januar.
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Es fehlt ein ganzer Tag; das sollte mir in meinem Tagebuch nicht passieren. Vor allem nicht so bald, noch vor dem Ende der ersten zwei Wochen. Durchalten will ich wenigstens diese eine tägliche Routine …
Gestern war wieder einer der Tage, an denen nicht nur draußen der Himmel schmutziggrau ist. Auch die Stimmung war grau, der Kaffee brachte keine deutliche Verbesserung. Ich fühlte mich danach noch immer schlapp, antriebs- und lustlos. Deshalb legte ich mich gestern mit meinen Schreibsachen (Kladden und Stifte/Füller) wieder ins Bett. Das Radio dudelte Bayerische und überhaupt alpine Volksmusik (nein, nicht volkstümliche, sondern echte Volksmusik). So verging der ganze Tag: schlapp, lustlos, immer zwischen halbwegs wach und halbwegs schlafend, antriebslos …
Am heutigen Morgen ging es mir besser. Schon zum Kaffee habe ich an einer Textstelle herumgefeilt, bei der einmal mehr die Zeitforman zu sehr durcheinandersprangen. Das mag in der Umgangssprache, im Mündlichen evtl. zu tolerieren sein, aber im niedergeschriebenen Text wirkt es verwirrend stümperhaft. So fürchte ich. Natürlich ist es auch die Aufgaben eines eventuellen Lektorates, solche und andere Inkonsequenzen aufzuspüren und deren Korrektur anzumahnen bzw. gleich Korrekturen vorzuschlagen. Aber wenn es mir schon selbst auffällt. Wenn ich selbst wegen eines unguten Gefühls schon an solchen Fehlern arbeiten will und kann. Warum sollte ich mir das versagen. Warum soll ich offensichtlich fehlerhafte Texte zum Lektorat geben. Und: Da ist natürlich wieder die Frage, ob es (eventuellen) Lesern überhaupt aufgefallen wäre, daß da etwas nicht stimmte, oder ob es durch die allgegenwärtige, gewohnte Umgangssprache gar nicht als fehlerhaft bemerkt worden wäre. Außerdem: Wird es denn überhaupt irgenwann Leser geben?
An diesen Korrekturen saß ich insgesamt etwas mehr als drei Stunden. Da war auch viel zu oft das Wörtchen „auch” in den Sätzen enthalten: schrecklich! Außerdem fand ich einen in Klammern eingefügten Nebensatz, mit Fragezeichen gekennzeichnet. Der fiel beim Nacharbeiten als unpassend auf, sprachlich völlig unpassend, so daß ich da ziemlich lang an der Umschreiberei arbeiten mußte für einen ganzen Absatz. Vielleicht hätte ich den Nebensatz auch einfach streichen und weglassen können. Vielleicht stelle ich später sogar den ursprünglichen Zustand des Absatzes ohne den Nebensatz wieder her.
Zur Lesezeit nahm ich dann Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.” zur Hand. Ich entferne mich immer weiter von dem im Buch Beschriebenen. Das Erleben ähnlicher Szenen liegt, so glaube ich, mittlerweile zu weit in meiner Vergangenheit, als daß mir da noch spontanes Einfühlen und selbstverständliches Verstehen möglich wären. Statt dessen bleibt mir da nur ein Gefühl, ein Gefühl oder eine Ahnung von einem Gefühl, das Vertrautheit mit den Situationen und mit den Handlungen und Gedanken der Protagonisten andeutet. Doch die Sicherheit all dessen, wie sie beim Lesen früher vorhanden war, die ist an vielen Stellen einem zweifelnden Nachfragen gewichen.
Spät genug bekam ich Hunger. Im Gefrierfach fand sich noch eine Portion Pommes Frites, die gab es einfach rot-weiß ohne irgendetwas dazu. Und ich trank zwei Hefeweizen. Hoffentlich bin ich jetzt bettschwer genug, um nicht wieder nur auf die leere Stelle neben mir im Bett zu starren.
Mit diesem Text wird das geerbte Tagebuch fortgesetzt. Alle Teile der Erbkladden-Serie sind in diesem Link in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge (neueste zuerst) zu finden. Über eines der Notizbücher erzählte ich ja schon vor langer Zeit, im November 2012. Ich tippe die kleinen blauen lateinischen Buchstaben ab, immer mal wieder. Erst jetzt nämlich darf ich abschreiben aus den „von einem Freund geerbten” Kladden mit dieser winzigen Schrift. Und es ist wirklich nicht mein Tagebuch.
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Am 5. August 2023 war ich zufrieden mit der erledigten Wäsche, mit dem geschredderten Papierzeug, mit einer endlich abgeschlossenen Übertragung.
© 2023 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
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