Im Schlafzimmer von Tante Erdmute.
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Mitten in der Nacht wird Tante Ermute wach. Die Fensterscheiben machen beängstigende Geräusche, die im Brausen des Windes draußen gerade noch so zu hören sind. Sie würde gern ein Fenster öffnen, um die sicher kühlere Luft ins Zimmer zu lassen. Aber bei Sturm, so hat sie schon von ihrer Großmutter gelernt, bei Sturm bleiben alle Türen und Fenster geschlossen. Und so sitzt sie im dunklen Zimmer und lauscht in die Nacht und grübelt, ob auch wirklich alle Fenster und alle Türen geschlossen sind. Auch die Dachfenster? Sie hört das Knarren einer Diele. Tante Erdmute weiß genau, daß es die drei Schritte links von ihrer Schlafzimmertür ist. Sie bekommt Gänsehaut, als die Klinke niedergedrückt wird. Dann erkennt sie im Licht des Treppenhauses seine Silhouette und hört ihn sagen: „Ich war gerade nochmal nach den Dachfestern sehen. Die sind alle geschlossen. Und in den Zimmern sind sowieso alle Türen und Fenster geschlossen. Ich habe auch noch alle Fensterläden geschlossen. Nur der hier ist noch offen. Darf ich?” Geräuschvoll atmet Tante Erdmute aus, sie hatte nicht einmal bemerkt, daß sie die Luft so lange angehalten hatte. Sie winkt ihm erschöpft zu.
„Ich bleibe eine Weile hier am offenen Fenster stehen, damit ein wenig von der kühleren Luft hereinkommen kann. Noch regnet es nicht.” Dann ist nur noch das Rauschen des Windes zu hören und ein Glockenschlag aus der Ferne. Die Bettdecke wird zurückgeschlagen, Tante Erdmute richtet sich auf und breitet die Arme aus. Er sieht weiter zum Fenster hinaus und riskiert ab und zu einen heimlichen Blick auf das blasse Spiegelbild in einer der Scheiben. Natürlich hätte er das nicht nötig, natürlich dürfte er sich umdrehen und sie sicher nicht nur betrachten. Auch ihm gefallen solche kleinen, heimlichen, versteckten Gesten – so wie ihr, die seinen verliebt blitzenden Schabernack seit vielen Jahren mag. „Ich glaube, jetzt ist es angenehm kühl hier drin und es kann alles geschlossen werden”, ertönt ihre Stimme sanft. Just in diesem Moment sind auch die ersten fallenden Regentropfen auf dem Fenstersims zu hören. Nach wenigen Augenblicken sind Fensterläden und Fenster geschlossen. Im Zimmer brennt noch immer kein Licht. Er geht zur Tür, schaltet das Licht im Treppenhaus aus und schließt dann die Tür.
Wir, die wir davorstehen, können jetzt nur noch erahnen, was im Zimmer geschieht in dieser Unwetternacht.
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen. Es stimmt: Auch ich weiß noch nicht, was im Zimmer geschehen wird; vielleicht aber erzählt sie mir irgendwann davon.
P.S.: Am 18. Juli 2023 war ich zufrieden mit dem Dahindämmern am Vormittag, mit einigen aussortierten Büchern der Kategorie „Lesichdochnicht”, mit meinen Phantasien.
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(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).