Eine altbekannte Stimmungslage.
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Ich beginne einen Text mit dem Satz: „Der Nebel kommt mir gerade recht, jetzt ist es draußen so grau wie drinnen.” Weiter komme ich nicht. Da steht dieser eine Satz auf dem Papier und der Füllfederhalter schwebt gefühlt minutenlang über dem Ende des Geschriebenen. Bis gerade eben schien in meinem Kopf mindestens eine halbe Seite bereit zu sein für das Aufschreiben. Jetzt ist passend zum niedergeschriebenen Satz nur noch Grau darinnen. Selten nur erlebe ich das so direkt … Warum habe ich nicht mit einem Satz über Fröhlichkeit oder Zufriedenheit begonnen? Vielleicht hätte der sich ebenso unmittelbar in mir verwirklicht wie der über das Grau? Da denke ich zurück an gestern. Ich bin mir sicher, daß da keine Erkältung kommen wird. Nein, ich nehme zur Mittagsteit ein Bedarfsmedikament und warte auf dessen Wirkung. Irgendwann schreibe ich etwas ganz anderes in meine Kladde. Grau spielt da keine Rolle, auch der Nebel nicht. Aber das dazugehörige Gefühl – ich kenne es nur zu gut – bzw. die Abwesenheit fast aller Gefühle. Und noch bevor ich komplett davon überrollt werde, ziehe ich mich an und gehe zu den Ententeichen ganz in der Nähe. Dazu habe ich keine, überhaupt keine Lust. Und damit da draußen auch keine positive Stimmung aufkommt wegen eines gelungenen Fotos zum Beispiel, nehme ich die Kamera nicht mit.
Gut neunzig Minuten brauchte ich für zwei Runden um die Wasserflächen und zum Beobachten und Belauschen der Menschen und Tiere. Statt mit dem Fotoapparat nach etwas Aufnahmewürdigen, nach einem Motiv zu suchen, war ich mit dem Erleben beschäftigt. Woher ich heute die Kraft – ich möchte sie nicht den Mut der Verzweiflung nennen – nahm, die mir sonst so oft fehlt, kann ich mir nicht erklären. Doch ich spürte und spüre die Wirkung des Rundgangs, der nämlich ein weiteres Absinken aufhielt, nichts merklich verbesserte, aber ganz sicher eine Verschlechterung verhinderte. Die nächsten Tage werde ich wieder sehr beschäftigt sein mit mir selbst.
(Ja, das ist #notjustsad, eine depressive Episode. Damit kenne ich mich aus, das ist bei mir gar nicht so selten. Nur: Ich schreibe eben normalerweise nicht darüber, versuche es hier nicht wahrnehmbar werden zu lassen – und habe das meiner Meinung nach bisher zumeist erfolgreich geschafft. Vielleicht bin ich dabei, das für die Zukunft zu ändern.)
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Am 12. Februar 2023 war ich zufrieden mit der draußen gedrehten Runde – nun ja, zumindest damit, daß ich sie gegangen bin, mit dem Mut zur Ehrlichkeit.
© 2023 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Lieber Emil. schiebe das letzte „vielleicht“ ein Stücke nach hinten. Du kennst dich und deine Situation gut. Und du steuerst dagegen. Das wird sicher noch viel Geduld brauchen, aber du bist auf einem guten Weg. Ich denke, ich kann dir das sagen, weil ich es kenne von einer ganz engen Bekannten.
Warum nimmst du die Kamera nicht mit? Ich habe da schon Dinge im Nachgang gesehen, die ich gar nicht gemerkt hatte. Lass dich von nichts abbringen, einfach dein Ding zu machen.
Grüße über den ganz großen Ententeich.
Das „vielleicht“ bezieht sich auf das darüber schreiben, davon erzählen …
(Die Kamera … Ich wollte eher ablenkungsfrei draußen sein, und ich weiß, daß die mich oft daran hindert.)
Dann lag ich falsch auf der ganzen Linie. Entschuldige bitte.
Aber da … Da hab doch ich nicht deutlich genug ausgedrückt … Und Du hast nichts geschrieben, das nicht zutreffend wäre.
Ich frag mich auch immer, warum das öffentliche Darüberschreiben, wenn es akut ist, so schwer ist. Hinterher ists einfacher. Mittendrin fehlt es halt zumeist an Energie und Perspektive, dafür ist da oft ein Übermaß an Resignation und Scham.
Und wenn es doch gelingt, ist das, jedenfalls meiner persönlichen Erfahrung nach, oft die Stellschraube, die den nächsten Schritt drehte – wieder Richtung Ausgang.
Ich hoffe, du findest einen immer besseren Umgang damit. So wie gestern erlebt oder ähnlich m.
Gute Besserung in deinem Tempo.
In einer akuten Phase ist (fast) alles zu schwer, oder? (Jedenfalls ist das bei mir so, dann kann ich nur noch die Fassade aufrechterhalten; aber dahinter sind Chaos und Ödland.)