Nur um Gutes tun zu können?
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Manchmal ist klar, wie übertrieben die „Sparsamkeit” ist. Vorhin zum Beispiel, als fast drei Minuten notwendig waren, um das letzte Blatt Klopapier von der Rolle zu pulen, ohne es bis zur Unbrauchbarkeit zu zerreißen. Oder wenn wiedereinmal eine Ketchupflasche mit einem Messer aufgeschnitten wurde, um auch das letzte Tröpfchen daraus verwenden zu können. In die leeren Honiggläser wird heiße Milch gegossen, damit kein noch so winziges Restchen verschwendet wird. Vieles von all diesen „Spinnereien” kommt von den Großmüttern, die den Kriegs- und Nachkriegshunger erleben mußten, vieles, aber eben nicht alles. Manches konnten sie nicht vermitteln, weil sie es nicht kannten. Aber der Eimer mit mit dem benutzten Badewasser, das zur Reinigung des Fußbodens verwendet wird, gehört zu dem von den beiden alten Frauen Weitergegebenen. Und aus dem fadenscheinig gewordenen Handtuch wurden erst in der vergangenen Woche Wasch- und Putzlappen gemacht.
Selten nur fällt auf, daß all das nicht aus eigenem Erleben herrührt. Daß nichts davon zu dem gehört, was im eigenen Leben notwendig war oder ist. Dennoch ist diese Sparsamkeit ehernes Gesetz; ein Abweichen davon ist unmöglich oder verursacht Symptome, die nur zu einer schweren Krankheit gehören können. Druchfall, Atemnot, Herzrasen, krampfartige Schmerzen hier und da im alternden Körper. Etwas Nutzbares wegwerfen widerspricht der gesamten Lebensführung. Deshalb gibt es den Stapel alter Zeitungen, die – wie weiland zu der Großeltern Zeiten – zerrissen und direkt vorm Gebrauch weichgeknüllt als Klopapier Verwendung finden könnten. Deshalb. Wegwerfen ist Verschwendung. Deshalb wird alles, wirklich alles bis auf den letzten Tropfen, bis zum letzten Krümel, zum allerletzten Fitzelchen verbraucht. Was vielleicht, irgendwann einmal, noch nützlich werden könnte, wird aufgehoben.
Welche Schätze sich da in der Wohnung ansammelten! Die könnten an Nachkommen vererbt werden, wenn da Nachkommen wären. Doch jeder Versuch einer Beziehung scheiterte an der Knauserei, an der übertriebenen Sparsamkeit, die niemand verstehen wollte, die belächelt und verflucht wurde.
Das einzige, was nie gehortet, aufgespart wurde, war, ist und bleibt: Geld. All die nicht selbst gebrauchten Summen wurden verschenkt, gespendet, immer am Ende eines Vierteljahres. Mit diesen guten Taten wurde alle Sparsamkeit gerechtfertigt, ob übertrieben oder nicht. Verrücktes Verhalten?
Nein nein, ich habe das so nicht erlebt; ich kenne auch niemanden, der so lebt(e). Da sind nur ein paar Seiten/Sätze entstanden, die einen eventuellen Protagonisten beschreiben könnten. Das wird zu ihm gehören, wenn er irgendwann tatsächlich erscheint.
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Am 07. Februar 2023 war ich zufrieden mit dem wieder gemachten Mittagsschlaf, dem Einkaufen zu Fuß, dem in vier Stunden durchgelesenen Buch (Rainer Fuhrmann: Die Untersuchung. 1984).
© 2023 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Ich denke ein paar von diesen „Sparsamkeiten“ kennt bestimmt jeder von uns.
Zumindest die vor 1990 Geborenen sollten einiges davon kennen …
Aber so gehäuft wie in dieser Figur sah ich das in realiter nie.
Stimmt, so extrem nicht.
Aber bestimmte Dinge kann ich auch nicht unterlassen und Verschwendung war mir schon immer zuwider.
Also das Honigglas mit heißer Mich und Whiskey ausschwenken, das kann ich auch, und die Duschgel flasche aufschneiden, ja, das haben wir auch schon gemacht. Aber mit dem Backpinsel, die Kaffeetüte auskehren, wie meine Mutter das gemacht hat, das mache ich nicht. Denn ich habe keinen Backpinsel.
Hmpf. Ich hab keinen Whiskey da …
schade, Vodka tut’s auch
Neeee …
ich kannte so jemanden, er sparte und sparte, war geizig ohne jeden grund. gute pension und trotzdem nur einkäufe mit werbeblättchen. der fuhr fast nur fahrrad, und durch die ganze stadt, wenn jogurt irgendwo 2 cent billiger war. als er starb, hinterließ er dem finanzamt weit über 100000 euro. wir haben immer gesagt, er sollte ein testament machen, aber er wollte nicht 500 euro dafür ausgeben. hätte er das geld bloß auf die strasse geworfen oder der bahnhofsmission gegeben… lieben gruß, roswitha
Ich bin jemand, der so spart, aber immer gehofft hat, rechtzeitig den Absprung zu schaffen, weil ich eigentlich beabsichtige, das Geld noch zu verprassen, damit es, wie ich im Falle deines Bekannten, nicht an den Staat geht. Durch die Inflation wird der Geiz aber getriggert; sie erzeugt Unsicherheit und Verlustängste.
Ich weiß nicht. „Geizig ohne Grund“ — das kann ich nicht glauben. Denn es wird wenigstens intrapersonal mindestens einen Grund dafür geben …
Na ja, bis auf das mit den Zeitungen und dem Klopapier und dem Geld praktiziere ich das tatsächlich so ähnlich. Aus eigener Armut in der Kindheit so verinnerlicht.
Einiges vom Genannten tu ich ja auch. Wir waren nie so arm (denn das gab es im Land meiner Kindheit nicht, und die Zeitungsweiternutzung kenne ich nur von meinen Mecklenburger Großeltern). Aber mit den Dingen aus den Westpaketen (Kaffee, Seife u.a.) waren wir immer sparsam. Außerdem hatten wir SERO — ein geniales System, das vieles vor dem Müll bewahrte und tatsächlich gut bezahlt wurde.
Den Resthonig im Glas mit frischem Tee ausspülen mache ich auch – alles andere nicht. Und auch das nur, weil ich erst neuen kaufe, wenn der vorherige verbraucht ist. In der Honiglücke ist dann eben der Rest dran! 🙂
@Roswitha: ein Testament hätte er auch ohne Notar handschriftlich verfassen können.
Honig wird nachgekauft, wenn das vorletzte Glas angebrochen wird … 😉
Ich finde, zwischen Sparsamkeit und Geiz klafft noch eine Lücke, es ist nicht dasselbe.
Sparsam bin ich auch, geizig sicher nicht. Vor allem anderen Menschen gegenüber kann ich großzügig sein, jedoch nicht nur matierell, sondern auch emotional. Man darf allerdings in beiderlei Hinsicht darauf achten, sich nicht zu verausgaben.
Und es ist wichtig, sich ab und zu auch selbst ein Geschenk zu machen.
Toller Text wieder einmal, lieber Emil!
Es grüßt herzlich C Stern
Kann geizig sein, wer alles „überflüssige” Geld verschenkt und spendet?
Hunger habe ich im Gegensatz zu meiner Mutter nie erleiden müssen. Ich bin mir aber nicht sicher, dass das nicht noch passieren kann.
Weggeworfen wurde bei uns zu Hause nichts. Meine Mutter hatte als Hutmacherin auch gelernt, Pelze zu verarbeiten und zu nähen. Die kleinen Reste, manchmal nicht größer als ein Mäusefell, durfte sie behalten und nähte daraus meinem Bruder warme Winterbekleidung. Jeden Brikett, den die Dumperfahrer auf der Straße verloren, nahm sie mit nach Hause, denn das Brikettklauen und -tauschen auf dem Dorf gegen wenige Eier, konnte sie nie wieder vergessen.
Die Sparsamkeit blieb bei uns zu Hause, nicht aus Armutsgründen, aber gegen das voreilige Wegwerfen.
Gerade lese ich im fremden Land die Nachrichten, kucke, ob die Welt noch steht. Wie jeden Morgen graust es mir, was ich lese, und ich schwanke zwischen Wut und Resignation hin und her. Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich eine Schafpatenschaft beim Nabu haben und die Wolle „meines“ Schafes verarbeiten können. Um Geiz geht es nicht. Um Reichtum anhäufeln oder ein Erbe auch nicht. Es tröstet mich aber ein bisschen und macht mir die Welt ein bisschen besser.
Ja, irgendwie war meine Zeit im anderen Land auch so wie bei Dir. Ganz wichtig finde ich „gegen das vorzeitige Wegwerfen”.
Und als ich Hausmeister und Heizer war, hab ich aus dem Abbruchholz, das ich zum Verheizen bekam, Nägel und Schrauben gerettet (und ich kann noch heute nur schwer eine Schraube irgendwo liegenlassen). Aus genau diesem Grund.
Ob Dir die Wolle eines Schafes ausreichen wird?