Nº 169 (2022) – Tanzwut

Einmal alles so richtig rauslassen.

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Selten, daß er wirklich zu einer Tanzveranstaltung geht. Aber Konzerte, ja, zu Konzerten geht es gerne. Nicht gerade Klassik, nein, das nur selten. Aber Bands, die ihre Musik noch von Hand machen, die sieht und hört er sich gerne an. Vielleicht ist das ein Grund für seine Vorliebe für Volks- und mittelalterliche Musik?

Heute spielt eine der Mittelalterbands mit Dudelsäcken, Tröten, Trommeln und Nyckelharpa (Schlüsselfidel) auf. Im Hof ist genug Platz für die etwa 400 Besucher. Und direkt vor der Bühne bleibt eine recht große Tanzfläche frei. Das wurde von niemandem so verlangt, so nicht festgelegt. Doch diese Fläche lassen die Menschen frei. Hinten im Scheunentor ist eine Theke aufgebaut, an der es Wasser, Kaffee, Bier und Met gibt, zu durchaus moderaten Preisen. Woanders wird ja für ein Bier schon ein Fünfer verlangt auf Veranstaltungen; hier im beinahe privaten Rahmen ist der halbe Liter im Krug für Zweifuffzig zu haben. Und auch der Met geht für diesen Preis über den Tresen. Die Luft vibriert von Gesprächen, vor Spannung und guter Laune. Dann beginnen die Musiker ihre Vorstellung. Und schon beim zweiten Lied steht er mitten auf der Tanzfläche. Allein. Und doch zusammen mit all den Anderen. Er weiß, daß er heute durchtanzen wird, mit nur wenigen kurzen Pausen, in denen er etwas trinken wird. Er wird heute hoffentlich einen Gutteil der Wut aus sich heraustanzen können. Der Wut, die ihn seit einigen Tagen plagt. Die er nicht herausschreiben konnte und kann aus seinem Herzen. Heute wird er sie heraus­tanzen. Sich wie ein Derwisch drehen. In die Luft um sich herum schlagen, boxen, treten. Schwitzen wird er dabei, heftig schwitzen. Und dann wieder trinken. Bier. Und wieder tanzen. Wütend. Leidenschaftlich. Wie weggetreten, wie in Trance. Er, der sonst nie tanzt, der seit Jahren keine Tanzveranstaltung mehr besucht hat. Heute tanzt er seinen besessenen Tanz.

So wird der Abend vergehen. Und nachher fällt er – nur zwei Querstraßen weiter – zuhause auf sein Bett. Völlig ausgelaugt. Nicht nüchtern. Geschafft. Zufrieden geschafft. Und über die Bemerkungen, die andere vielleicht zu seinem „irren” Tanzstil gemacht haben, wird er nicht nachdenken, nicht eine einzige Sekunde. Für ihn war die Tanzwut, der Wuttanz eine Wohltat.

 

 

Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.

Der Emil

 

P.S.: Gut fand ich am 18.06.2022 die schnelle Wirkung des Sprays, meinen Mut zur Absage, einige Veränderungen auf dem Arbeitsrechner.
 
Für morgen zog ich die Tageskarte König der Münzen.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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5 Antworten zu Nº 169 (2022) – Tanzwut

  1. Sofasophia sagt:

    Hoffentlich erlebt und nicht „nur“‘erfunden. 👍🏼

  2. Pit sagt:

    Tanzwut?! In die werde ich NIE verfallen. 😁

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