Wenn ein Hobby in die Realität eintritt.
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Helene. Helene also. Nun, niemand hat sich seinen Namen selbst ausgesucht, oder? Irgendwie aber … Rothaarig, mit Stupsnase und Sommersprossen. Eine Irin hätte ich mir so vorgestellt, aber nicht Helene. Vor allem paßt das sichtbar Mädchenhafte nicht zu ihrer lauten, kräftige, tiefen Stimme, zu der Bestimmtheit, die ich vom Telefon kenne. Aber das ist wohl normal: Das Gehirn baut zu den bekannten Details einfach eine Figur aus dazu ”passenden” Elementen auf. Damit wird aus einer Stimme ein Gesicht, eine Statur. Auch Bewegungsmuster werden dazuerdacht. So entstand in mir ein mir plausibles Abbild einer Person, die ich bisher nur aus Textnachrichten und akustisch vom Telefon kannte. Die von mir phantasierte Helene war anders, ganz anders als der Mensch, den ich jetzt vor mir sehe. Wir hatten ja nie über unsere persönlichen Eigenschaften gesprochen. Nur über das uns vereinende Hobby. Auch in den Nachrichtenkanälen unterhielten wir uns über Bücher. Über Lesestoff und die gemeinsame Leidenschaft für bedrucktes Papier. Fürs Umblättern, Zurückblättern und auch fürs Spinksen ins Buchende. Naja, das ging jetzt etwas über ein halbes Jahr, in dem wir uns mittlerweile sogar uns wichtig erscheinende Passagen aus diversen gerade gelesenen Büchern am Telefon vorlasen. Ihre Stimme paßte zu dem, was ich mir aus ihren Textnachrichten zusammengesponnen hatte. Von der war ich absolut nicht überrascht. Vielleicht auch, weil ich mir da noch gar keine Vorstellung von der zugehörigen Person machte? (Aber: Kann ein Mensch in einer Kommunikation denn keinerlei Vorstellung von einem Gegenüber entwickeln? – Ich weiß es nicht!)
Ich war vor einigen Tagen verunsichert, als Helene mich bat, mit ihr in die Bibliothek zu gehen. Sie hätte sich das noch nie getraut. Aber wenn ich sie begleiten würde? Ob ich wirklich die dazu passende Begleitung sein kann, fragte ich mich. Danach sprachen wir über die in der Stadt verteilten „öffentlichen Bücherschränke und -regale”, von denen es mittlerweile einige gibt. Ja, zwei von denen sucht sie auch häufig auf, und wir lachten noch darüber, daß wir uns dort noch nie begegnet waren … Am Ende des Telefonates schlug Helene jedenfalls Zeit und Ort vor. Für das Treffen, bevor wir gemeinsam in die Bibliothek gehen würden. Also für genau diesen Moment jetzt und hier. In diesem Café neben der Bücherei. Wir lachen noch immer miteinander über die Differenzen zwischen vorgesteller und tatsächlicher Erscheinung. Denn auch in ihr war ein Bild von mir entstanden, dem ich „nicht ganz” entspreche. Wir wissen, daß uns das nichts ausmacht, daß wir auch weiterhin mehr oder weniger gemeinsam lesen werden.
Ich bezahle. Wir stehen auf, ich reiche ihr galant meinen Arm und sehe zu Helene hinauf, als sie sich lachend bei mir einhakt. Zwei Meter sieben sind neben mir wirklich groß.
Ob ich beim Blocksatz bleibe? – Wieder soeine Frage, über sie ich mir mit mir noch nicht ganz eing bin.
Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.
P.S.: Gut fand ich am 09.02.2022 das etwas frühere Ausdembettkommen, das etwas verblaßte tiefgraue Dunkelschwarz (was ist Ursache, was ist Folge), die noch andauernde Vereinsversammlung.
Für Morgen zog ich die Tageskarte I – Der Magier.
© 2022 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Ich lese dich im Reader, zum Glück, da gibts keinen Blocksatz.
(Nein, ich mag keinen Blocksatz, keinen „automatischen“. Außer bei professionell gesetzten Büchern.)
Ist das jetzt „erfunden“
oder „passiert“? Ich mag den Text.
Es ist nichterlebt.
Ich mag den Blocksatz auch nicht. Ein „Ordentlicher“ verlangt Handarbeit, um unschöne Wortabstände und zu viele Trennungen zu vermeiden. Ich glaube, bei unseren Puplikationen und für das Lesen am Bildschirm ist der Flattersatz ganz in Ordnung.
Ich hab eine ganze Menge nachgearbeitet, Worte umgestellt, Formulierungen nachgebessert, ein paar bedingte Trennungen eingefügt … Ist er so schlecht geworden? (Ist ja sowieso nur im Browser zu sehen und nicht im Reader. Kannst Du auch so schlecht schlafen?)
Nein. Aber genau das meine ich: Lohnt sich der Aufwand oder behindert er eher das Fließen der Gedanken und der Worte?
Die Worte waren bei der Nacharbeit ja schon (fast) fertig. Beim Flattersatz, der sonst hier zu sehen ist … Ich glaube, Du hast Recht: Am Ende liegt es sowieso an den Einstellungen am Endgerät, wie die Texte dargestellt werden. Also werden meine Mühen i. d. R. einfach nicht zu sehen sein.
Zumal ja vermutlich auf dem Handybildschirm ein anderer Zeilenumbruch angezeigt würde? 🤔
Habe jetzt am Handy die Seite angeguckt. Sieht ziemlich gut aus finde ich.
Das interessiert mich sehr, alles, was du über das Schreiben schreibst…
(Heute bei Christa Chorherr was über die Kurrentschrift!)
Gruß von Sonja
Ich kaue da zur Zeit auf etwas herum, siehe Antwort an Roswitha …
Am Ende kann ich sagen: Schreiben ist einfach; aber woher kommt, was ich (auf-)schreibe?
lieber emil, mir kommt es auf den text an, dessen inhalt oder gehalt. dieser text gefällt mir sehr, passt in unsere zeit. ich habe mich gefreut, zumal ich auch ziemlich groß bin und öfter kleinere männer zu freunden hatte.
hab es gut, gruss roswitha
In der Klasse meines Sohnes war zwei Jahre lang ein Mädchen, das in der 2. Klasse schon 1,86 m groß war (sie ist heute 2,15 m etwa).
Und es ist schon seltsam, wie unser Hirn aus einem einzigen Askpekt der Person eine ganze Person konstruieren kann. Über solche Dinge (ganz allgemein gesagt, über die Frage, WIE das Gehirn Geschichten erfinden kann) denke ich gerade viel nach und will mir darauf keine wissenschaftlichen Antworten suchen, sondern eigene Antworten darauf erschreiben.
Zur Blocksatzfrage – hat sich gut lesen lassen, also warum nicht.
Zur Geschichte – schön, die Pointe am Schluss… 🙂