#Adventskalender 2021 – (344): Das 10. Türchen

Kinderweihnacht in unbestimmter alter Zeit.

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Das ist mein 12. Adventskalender, den ich all denen widme, die kämpfen, allen, die krank sind, allen, die Unterstützung benötigen. Möge uns allen eine im wahrsten Sinne des Wortes wunder­volle Weihnachtszeit beschieden sein. Meine Kerzen brennen insbesondere für Menschen (und Tiere), die Hoffnung und Trost brauchen.

 

 

Draußen vorm Fenster fallen die ersten Schneeflocken, die er beobachten kann. Sie werden sicher nicht liegenbleiben und die Landschaft einhüllen in stilles Weiß. Dafür hat er schon seit Kindertagen ein Gefühl. Kindertage. Wann war das? Vor etwa sechzig Jahren war er Kind, und je älter er wurde, desto besser konnte und kann er sich wieder an diese Zeit erinnern. Besonders deutlich wird ihm das damalige Leben immer in der Advents- und Weihnachtszeit. Heute ist das für die meisten Menschen eine hektische, überaus geschäftige Zeit, in der viele in diversen Geschäften oder – bei den ganz modernenen Familien – vor den Bildschirmen in verschiedenen Einkaufs­por­talen zubringen und nicht wissen, welche Geschenke erwartet werden. Für ihn selbst paßten und passen diese beiden Worte nicht zusammen: Geschenke sollten seiner Meinung nach nicht erwartet werden, sondern erwünscht und vielleicht erhofft.

Mit diesem Gedanken setzt er sich an seinen Schreibtisch vorm Fenster. Eine Kerze zündet er an, aus echtem Bienenwachs, denn er liebt diesen Duft. Wahrscheinlich hilft auch der beim Erinnern, wie überhaupt Gerüche eine ganz wesentliche Rolle beim Erinnern spielen sollen. Links hinten in der Ecke liegt ein Stapel Schreibblöcke, sichtlich benutzt, doch aus keinem wurde jemals ein einziges Blatt herausgenommen. Alle sind sie vollgeschrieben. Ihre genaue Anzahl weiß auch der alte Mann nicht mehr. Und sie zu zählen wäre wohl Zeitverschwendung. Unten links hinter der Tür im Schreibtisch liegen noch mehr von diesen Blöcken, leer, originalverpackt, wie neu und schon bald zehn Jahre alt. Aus welchem Grund er sich damals einen solchen Vorrat davon gekauft hatte, das weiß er nicht mehr. Heute ist er froh, sie zu besitzen und wahrscheinlich nie wieder welche kaufen zu müssen. Vorm Fenster schneit es noch immer, einzelne Flocken kleben an der Scheibe. Diese kleinen Kunstwerke, die auf seinen Kinderhänden immer so schnell dahinschmolzen. Dann konzentriert er sich auf das, was er sich vorgenommen hat. Er wird weitere Erinnerungen in dem Block notieren, den er jetzt umständlich und vorsichtig aufblättert.

„Erwartete Geschenke”
    Als Kind erwartete ich kein einziges Weihnachtsgeschenk, auch meine Freunde und Geschwister taten das nicht. Wir waren nicht arm, nein, unsere Familien hatten durchaus ihr Auskommen mit dem, was die Zeit so bot. Niemand bei uns hungerte, keiner lief mehr in Lumpen herum. Aber es waren an vielen Kleidungsstücken Ausbesserungen zu sehen, da war hier mal ein Flicken aufgenäht, dort mal etwas kunstvoll gestopft. Wir gingen anders mit den Dingen um, glaube ich, anders als die Menschen heute damit umgehen. Sorgsamer, pfleglicher und wohl auch – wie heißt das heute so modern –
nachhaltiger. Ach, ich wollte doch über etwas ganz anderes schreiben. Also. Weihnachtsgeschenke wünschte ich mir auf einem Zettel, den ich irgendwann meinen Eltern gab. Die schickten dann meinen und den meiner Geschwister an das Christkind. Allerdings war uns allen klar, daß niemals die gesamte Liste aller Wünsche erfüllt werden würde. Wir erwarteten das auch nicht, aber auf eine oder auch zwei der Sachen hofften wir schon. Diese Hoffnung leitete uns dann mindetens drei Wochen durch die Zeit bis zum Heiligen Abend.

Er legt ein Pause ein, verschließt den alten Schulfüller, den er noch immer nutzt und holt sich eine Tasse Tee. Hagebuttentee, wie zu Kindertagen, aber nicht mehr selbstgesammelt und getrocknet wie damals. Dann schreibt er weiter.

    Einmal, daran kann ich mich gut erinnern, standen auf meinem Wunschzettel ein Roller, ein Fußball, ein Spielauto und ein neuer Farbkasten für die Schule. Der alte hätte vielleicht noch zwei oder drei Monate gereicht, aber ein neuer Farbkasten, das war doch was! Wenn zu diesem Weih­nachtsfest der älteste meiner Brüder sein Fahrrad bekommen hätte, wäre ich sicher auch mit seinem alten Luftroller zufrieden gewesen. Die Zeit damals war einfach so. Nicht jedes Geschenk mußte fabrikneu sein, die Hauptsache war für uns immer, daß alles funktionierte, weil es zum Beispiel ordentlich repariert worden war.
    Als endlich Weihnachten und somit auch Bescherung war, waren wir Kinder natürlich alle aufgeregt. Und niemand von uns war enttäuscht, daß da keine riesigen Geschenke neben dem Baum standen. Weder Fahrrad noch Roller waren dabei. Doch für jedes von uns Kindern lagen zwei Geschenke bereit. Ich weiß noch, daß ich mich über den Farbkasten – den es sozusagen außer der Reihe gab – wirklich sehr, sehr freute. Ich weiß, daß es heute kaum noch jemand verstehen wird, aber ich freute mich ganz genauso heftig über das zweite Geschenk: Das war eine Strickjacke für meinen über alles geliebten Teddybär. Natürlich hatte ich meine Mutter immer mal wieder gesehen, wie sie am Abend neben dem Radio saß und strickte. Aber diese Jacke, die hatte ich dabei nie entdeckt. Und auch, wenn sie aus der Wolle gemacht wurde, die beim Auftrennen meines Pullovers angefallen war (ich erkannte es an der Farbe), so war es doch etwas, um das ich nicht gebeten, das ich weder erhofft noch erwartet hatte. Unsere Eltern – oh, Verzeihung: Das Christkind schaffte es jedes Jahr erneut, uns Kinder zu überraschen und zusätzliche Freude in unsere Gemüter und Gesichter zu zaubern.
    Vielleicht wäre ich sogar ein wenig enttäuscht gewesen, wenn ich irgendwann alles von meinem Wunschzettel zu Weihnachten bekommen hätte. Die unerwarteten Geschenke sind doch noch immer die wundervollsten Überraschungen.

Das reicht für heute. Es schneit draußen noch immer, der Gartenweg und die Straße sind naß, aber eben nicht weiß. Die Tasse Hagebuttentee ist leer. Er klappt den Block zu, legt den Füllfederhalter auf seinen Platz. Und ganz zärtlich streicht seine Hand wie zum Abschied für heute über den Schreibblock. Beinahe hätte er vergessen, die Kerze auszupusten.

 

 

Ich schleiche mich davon und wünsche eine schöne Adventszeit.

Der Emil

 

 
Wer eine Gelegenheit sucht, zur Weihnachtszeit anderen zu helfen, der kann das im Dezember täglich ab 21 Uhr des Vorabends bei der Versteigerung von #hand2hand21 tun. Die Aktion ist eine gute Idee von Meg, ihr und allen Mitwirkenden danke ich dafür.

 

P.S.: Positiv waren am 09.12.2021 fallender Schnee (der leider nicht liegenblieb), Weitersortieren und -erinnern, Rührei mit Schinken und Butterbrot.
 
Die Tageskarte für heute ist die Sieben der Kelche.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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2 Antworten zu #Adventskalender 2021 – (344): Das 10. Türchen

  1. Sofasophia sagt:

    Hier schneits wie bekloppt und da denke ich immer an dich. ☺️😉

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