2021,318: Kleiner Sieg

Über meinen Umgang mit einer meiner Krankheiten.
#notjustsad

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Die „dunkle” Jahreszeit soll ja bei vielen Menschen auch zu einer eher düsteren Gemütslage führen. Es fehlt ja das Sonnenlicht, das zum fröhlichen Lebens­ge­fühl angeblich unbedingt notwendig ist. Also treten die sogenannte Herbst- und / oder Winterdepression gehäuft auf. Ach? Ganz ehrlich: Ich glaube nicht daran. Zum einen mag ich Sonne und damit einhergehende Hitze nicht. Zum anderen fühle ich mich im Winter heimisch, im Kerzenlicht, im Schnee. Was ist nun mit der Winterdepression? Oder gar Herbst- und Winterdepression? Hm. Nicht jede depressive Stimmung, nicht jede Traurigkeit ist eine Depression. Da wird in vielen Medien einfach viel zu selten und viel zu wenig deutlich unterschieden zwischen einer Verstimmung und einer lebensgefährlichen Erkrankung. Und an alle Nichtbetroffenen: Ein „mir ging es auch schonmal so beschissen” bringt den wirklich an Depression erkrankten Menschen exakt nichts, das ist weder mitfühlend noch hilfreich.

Mond und Sterne in klarer Winternacht über der Schneelandschaft sind mein Kryptonit (oder auch Sonne in kalter Luft überm weiß glitzernden Schnee) – und mein Weihnachtsgefühl.

Nachdem ich heute wieder ein problematisches Erlebnis mit dem Fliewatüt (dem Vereinstransporter) hatte, fühlte ich mich zum Beispiel sofort schuldig sowohl an diesem technischen Fehler als auch an allem Elend dieser Welt. Für einen kurzen Moment nur, denn ich weiß ja, daß ich keineswegs so allmächtig sein kann und bin. Aber: Der gerissene Keilriemen bringt wieder mehrere geplante Termine in Gefahr, nicht nur bei mir, auch bei anderen. Zu allem Überfluß gibt es noch ein zweites technisches Problem am alten Transporter. Und solche Dinge passieren jedesmal genau dann, wenn ich mit dem Fliewatüt unterwegs bin (Kunststück, denn meist bin nunmal ich es, der als Fahrer fungiert, seit drei Jahren). Aber nein, das alles hängt nun wirklich nicht allein von meiner Existenz ab, gar nicht von meiner Existenz ab. Denn das alles könnte bei jedem anderen exakt genauso passieren oder passiert sein.

Dunkle Jahreszeit, Pech mit dem Auto, Streß mit Behörden (im Laufe der vergangenen beiden Wochen) – all das mit der Grunderkrankung Depression. Das ist wirklich schwierig vorstellbar für viele. Doch es gibt für mich keine Herbst-/Winterdepression, die von der dunklen Jahreszeit bedingt wird. Ich bin heute auch wieder nicht ins schwarze Loch gerutscht (vor einigen Jahren wäre das aber durchaus die übliche Folge gewesen). Was mir dabei hilft? Meine jahrelange Erfahrung und mein Wissen über die wirkenden Mechanismen. Mittlerweile bin ich geübt in so manchen Dingen, die mir gegen die Krankheit helfen (können) und gegen ihre Auswirkungen. Und genau das war heute wichtig. Das, was ich kenne und kann. Ein technisches Problem, altersbedingt, beide technischen Probleme sogar waren einfach nicht von mir verschuldet, damit auch nicht all die anderen daraus folgenden Schwierigkeiten. Sie sind mir zugestoßen, einfach passiert, ich habe sie nicht verursacht!

Ich habe es geschafft, einfach nachhause zu gehen und mich vor irrationalen Selbstvorwürfen usw. zu schützen. Ein kleiner Sieg heute, ein kleiner …

 

Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.

Der Emil

 

P.S.: Am 14.11.2021 waren positiv handgemahlener und handgebrühter Kaffee, der kleine Sieg.
 
Die Tageskarte für morgen ist die Sieben der Stäbe (einstellen auf bisher unerkannte Konflikte).

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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12 Antworten zu 2021,318: Kleiner Sieg

  1. Karsten Seel sagt:

    Na ja, mag sein das du persönlich Winter (und v.a. wohl Weihnachten) liebst, ich jedenfalls bin ein ausgesprochener Herbst- und Winterhasser, sogar Weihnachtsverweigerer. Ob das nun gleich eine Depression ist, sei dahin gestellt. Begründung? Ich kann kein Moped mehr fahren z.B., meine stundenlangen Aufenthalte am PC sind irgendwann auf’s Wohnzimmer beschränkt und der Kaffee wird viel zu schnell kalt auf der Terasse …
    Weihnachten genoss ich (neben der eigenen Kindheit) v.a. solange die eigenen Kinder ein gewisses Alter nicht überschritten, jetzt geben mir die Enkel ein wenig Anlass zur Weihnachtsstimmung …
    Aber ich gönn sie dir, deine Weihnachtsstimmung.
    Schön, dass ich mich an deine Schweizer Blogasdresse erinnerte …

    • Der Emil sagt:

      Ich schreib ja ausdrücklich von mir 😉

      Und ich kenne auch genug Menschen, die weder Herbst noch Winter noch Weihnachten mögen. Die sich dann zurückziehen, einigeln. Aber bei all den Menschen, die zu dieser Zeit etwas weniger „fröhlich“ und dafür ein wenig traurig sind, gleich von Depression zu sprechen, ist nicht hilfreich und wohl auch nicht korrekt.

      (Früher, als ich noch jünger war, fuhr ich auch im Winter mit Schwalbe und 175er ES durch die Gegend.)

  2. socopuk sagt:

    Ich mag Herbst und Winter auch ganz gerne, und über die blöden Phasen tröstet mich meine Nachtspeicherheizung ♨️

    „Es ging mir auch mal schon so beschissen“: Wenn jemand schon mal eine (diagnostizierte und optimalerweise auch behandelte) Depression hatte finde ich das durchaus eine gute Voraussetzung für ein tiefergehendes Gespräch. Auch, was die von dir erwähnten und durchaus individuellen Absturzabwendungsstrategien angeht. Ich fühle mich besser verstanden und kann mich auch leichter öffnen, wenn wir den ähnlichen Erfahrungshintergrund haben.
    Aber der Sorge um den Verwischungsverwässerungsgebrauch stimme ich zu.

    • Der Emil sagt:

      Der Spruch heißt meist, daß noch keine wirkliche … Egal.

      Am Ende muß ich selbst (hoffentlich bekomme ich notwendige Hilfe) es schaffen, mein Leben zu leben.

  3. Sofasophia sagt:

    Ich gratuliere dir, dass du das heute so gut handhaben kannst.

    (Da war doch noch was mit diesen „unglücklichen“, sich wiederholenden Daten? Gestern war aber kein solches, oderrr?)

  4. Elvira sagt:

    Depressionen verstärken sich bei Menschen, die daran erkrankt sind, überwiegend im Frühjahr. Das Innenleben eines depressiven Menschen passt nämlich überhaupt nicht mit dem Wiedererstarken der Natur draußen zusammen. Das habe ich jedenfalls, als ich viele Jahre mit Hilfe eines Therapeuten die Depression gut in den Griff bekam, gelernt. Und ich kann das bestätigen. Mittlerweile ist das nicht mehr so. Der Frühling ist meine liebste Jahreszeit, den Sommer mag ich eher nicht. Und ja, Dinge geschehen um uns herum, an denen wir keine Schuld tragen. Sie geschehen einfach!
    Liebe Grüße
    Elvira

  5. Helmut sagt:

    Ein kleiner – nein, ein sehr großer! – Sieg!

    Liebe Grüße
    Helmut

  6. Gudrun sagt:

    Wieso ein kleiner Sieg? Ich sehe den schon ganz schön groß.
    „deprimere“ heißt niedrrdrücken und ich glaube, das erlebt jedr Mensch im Laufe seines Lebens. Bei manchem geht die Phase schnell vorbei, andere erleben sie viel intensiver oder bleiben darin hängen und haben es verdammt schwer, sich da wieder heraus zu kämpfen. Ernst nehmen sollte man es immer. In jedem Fall.

  7. Frau Momo sagt:

    Das ist doch ein großer Erfolg. Ganz los wird man sie wohl nie, wenn sie einen mal erwischt haben. Aber die Mechanismen zu kennen und Werkzeuge zu haben, gegensteuern zu können, das ist schon viel. So habe ich vieles in meinem Leben in den Griff bekommen. Ich habe jahrelang unter schweren Angstzuständen, Flashbacks und auch Depressionen gelitten. Irgendwann konnte ich immer besser gegensteuern und heute spielt das tatsächlich alles keine Rolle mehr. Wachsam bleibe ich trotzdem, nicht nur bei mir. Wir hier kenneen das beide, das macht es vielleicht auch manchmal einfacher, auch weil wir aufeinander achten.
    Ich sehe solche Siege wie Deinen nicht als klein an, groß ist auch schon, dass Du ihn Dir anerkennst.

  8. Claudia sagt:

    Geht mir genau so, wegen mir kann das ganze Jahr Winter sein 🙂

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