Nº 297 (2019): Draußen wie drinnen

Ich biete den Gespenstern Paroli.

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Heute war es draußen wieder neblig; hier oben im neunten Stock begann es sich erst kurz vor zwölf aufzuklaren. Und ja, es war im Nebel stiller, gedämpfter laut ols ohne. Ich liebe das.

Heute war es auch im Gemüt wieder neblig – und das hängt beileibe nicht vom Nebel draußen ab. Es hat sich nur ergeben, daß ein Plan nicht funktioniert, nicht funktionieren wird, nicht einmal meinetwegen. Aber ich hatte mich auf etwas gefreut, das jetzt mindestens verschoben ist. Früher, früher wäre ich deswegen komplett abgestürzt, im Schwarzen Loch der Depression verschwunden. Heute kann ich dafür sorgen, daß ich nicht völlig abrutsche, daß ich mich auf irgendeine Art und Weise am Rand festkrallen kann oder auch nur außerhalb in die Knie gehe. Das ist gut. Das ist nicht gut, denn es kostet Kraft, mehr Kraft als gut ist; die könnte ich nämlich besser gebrauchen für all die alltäglichen Aufgaben. Ich wurstele mich also durch, für drei oder vier Tage wird es etwas chaotischer als sonst, wenn es mich nicht so wie jetzt um die Kurven schleudert (aber nicht rausträgt aus der Kurve). Und ich werde es wie so oft schon wieder schaffen.

Dabei wird mir helfen, daß ich mir Essen koche. Irgendetwas, das ich gerne mag. Für morgen habe ich mir schon Sauerkrautsalat eingerührt (Weinsauerkraut, Zwiebeln, Leinöuml;l, Essig, Salz, Pfeffer), der über Nacht richtig durchziehen kann. Suppe werde ich mir kochen, Kartoffelsuppe mit ganz viel Gemüse, die wird für zwei Tage reichen und vielleicht ein paar der gesammelten und angedörrten Pilze vertragen. Beim Vermeiden des Absturzes wird mir auch helfen, daß ich am Wochenende die Abenddämmerung draußen erleben werde und daß endlich wieder MittelEuropäische Zeit (Standardzeit, NICHT Winterzeit) gilt. Schluß mit dem unsinnigen Aufenthalt in einer Zeitzone (OEZ, Osteuropäische Zeit, der die Sommerzeit entspricht), in die ich nicht gehöre. Die Reise hin und zurück verursacht nunmal das, was gemeinhin Jetlag genannt wird und nichts anderes als eine pathologische Anpassungsschwierigkeit (pathologisch, also mit Krankheitswert) an die veränderten Verhältnisse im Tag- und Nachtwechsel ist. Ist doch bekloppt, zweimal jährlich knapp 500 Millionen Menschen absichtlich krankzumachen.

Und vielleicht bleibt es noch für ein paar Tage morgens so nebelig wie gestern und heute. Auch das hilft mir, der ich die Sonne meide soweit das überhaupt möglich ist. Gegen den Nebel in mir hülfe der Zwang, in der Sonne zu wandeln, kein Stück, der würde nur zu unzufriedener Wut führen. Jetzt ist es erstmal finster für ein paar Stunden, in denen ich auch schlafen werde.

 

Keine Sorge. Es geht mir gut, wirklich, jedenfalls geht es mir nicht schlecht, denn ich bin das Grau tatsächlich gewöhnt und geübt im Umgang damit.

 

Ich schleiche mich davon und sage Danke fürs Lesen.

Der Emil

P.S.: Am 24.10.2019 waren positiv der Morgennebel, die Zeit im Sender, das verhinderte Abrutschen.
 
Die Tageskarte für morgen ist der König der Schwerter.

© 2019 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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25 Antworten zu Nº 297 (2019): Draußen wie drinnen

  1. Nati sagt:

    Wenn ich richtig vermute was du nicht geschafft hast, worauf du dich gefreut hast, ist es doch nicht weiter schlimm. Selbst für mich wäre es unmöglich jeden Tag etwas hervor zu bringen. Der Anspruch wäre wirklich zu hoch gewesen.
    Gut dass du sofort geschaut hast, was dir gut tun würde um nicht abzurutschen.

  2. Der Emil sagt:

    Reimen ist Spielerei mit Sprache bei mir. Das darf ruhig kindlich oder Schwülstig sein oder unsinnig. Es ist immer Spaß dabei.

    • Nati sagt:

      Wenn ich Gedichte schreibe, fließen die Wörter und Gedanken einfach.
      Beim Reimen muss ich nachdenken, da fließt nichts.

      • Der Emil sagt:

        Sowas geht bei mir aus dem Stegreif. Sogar schon eine ganze Büttenrede OHNE Vorbereitung in Reimen gehalten (nein, rappen kann ich absolut nicht und auch bei einem poetry slam funktioniert das nicht).

        Das Schlimme an der Sach‘ ist dann, daß ich nicht mehr aufhör’n kann.

        • Nati sagt:

          Lach, du hast mich überzeugt Emil.
          Ich seh da wirklich keinerlei Probleme für dich. Bin auf November gespannt. 😊
          Hab noch einen schönen Abend.
          Gute Nacht.

  3. Ulli sagt:

    Gut, fliegst du nicht mehr aus der Kurve und weisst du auch was dir in solchen Momenten hilft aufrecht zu bleiben, ich vergesse das manchmal, vor allen Dingen das Kochen 🙁 ich übe weiter, du machst mir Mut!
    herzlichst, Ulli

    • Der Emil sagt:

      Ich koche auch nicht jeden Tag, oft geb ich mich mit Brot zufrieden. Aber grad beginnen die Kartoffeln zu simmern, und an den trüberen Tagen ist das auch eine sinnstiftende Tätigkeit, das Kochen.

  4. Sofasophia sagt:

    Ich denke grad, wie krass es eigentlich ist, wie sehr man/wir sich/uns ans Leid gewöhnen kann/können.

    In Gedanken bei dir.

  5. Gudrun sagt:

    Ich finde es gut, dass du dich festklammern kannst, am Rande des Loches. Es wäre nur schön, wenn man wüsste, wie man helfen könnte, die Hände mit festzuhalten, dass sie nicht loslassen.
    Der Sauerkrautsalat klingt interessant. Das hätte ich gerne gekostet.

    • Der Emil sagt:

      Danke, Gudrun.

      Hilfe ist in solchen Momenten schwer, sehr schwer, weil ich sie dann auch nicht annehmen kann (hab ja alle Hände voll zu tun). Manchmal muß ich mich sogar dagegen wehren (sehr sonderbar für Außenstehende).

      Wann war nochmal der Novembertermin in Grünau?

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