Wasser, Schwarm, Floß, Atemnot.
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Bis hinter den Horizont reichen die dichten, schwarzgrauen Wolken über den Wellen – dessen bin ich mir sicher. Im Moment ist es windstill, völlig windstill, und um mich herum ist das Wasser ziemlich glatt und flach. Ich kann den Grund sehen. Und Stichlinge, ziemlich viele kleine Stichlinge. Jedenfalls sehen diese Fischlein aus wie Stichlinge. Oder wie zu groß geratene Guppy-Weibchen. Sie zucken im Schwarm mal nach links, dann nach rechts, irgendwann kreisen sie und bilden einen Trichter zum Grund hin. Ich halte eines meiner Ohren über den Rand des Floßes ins Wasser und will der Musik lauschen, nach der die Fischlein tanzen. – Eine Kakophonie, besser: Einen Lärm aus vielen gleichzeitig abgespielten, sich überlagernden Popsongs der grauslichsten Machart glaube ich zu hören. Nein, das kann ich nicht aushalten, das geht nicht, davon bekommen ich Kopfweh. Ich schiebe mich mühsam zurück aufs Floß, doch das fällt mir sehr schwer; es ist, als ob ein tonnenschweres Gewicht mich daran zu hindern versucht. Etwas zieht meinen Kopf unter Wasser. Ich spüre, wie mein Körper knapp unterhalb des Brustbeines abknickt, das Floß scheint mit der Seite über das Wasser aufzuragen, auf der ich mit meinem Kopf im Wasser feststecke. Seltsamerweise habe ich nicht den Drang, Atem holen zu müssen, und so schaue ich mich um. Hinterm Floß bilden sich Blasen und Strudel, neben dem Floß entsteht Schaum, grad so, als würde es mit sehr hoher Geschwindigkeit durchs Wasser pflügen. Mein rechtes Ohr schmerzt wie früher, in der Kindheit, wenn einer der Lehrer daran zog, um mich nach vorn an die Tafel zu bringen. So sehr ich mich auch bemühe hinzusehen, zu erkennen, was an meinem Ohr vorgeht, es entzieht sich meinem Blick. Vielleicht hängt der Schwarm der Fischlein daran und zieht mich auf den Horizont, die hohen Wellen, den stürmischen Wind und die grauschwarzen Wolken zu? Quatsch, das kann ja nicht sein. Ein Schwarm ist nichts, das im Ganzen ziehen kann, sind ja nur lauter einzelne kleine Fischlein, stichlingsgroß.
Dann ist der Schmerz weg. Ich sehe ein Fischlein an mir vorbei nach vorn schwingen, von seiner Schwanzflosse lösen zwei weitere ihre Mäuler, zwei, an deren Schwanzflossen auch jeweils zwei mit jeweils zwei undsoweiterundsofort. Was? Ein Schwarm, der sich so ineinander verbeißt, daß er mit einer Kraft ziehen kann?
Und plötzlich muß ich Atem schöpfen, aus dem Wasser heraus mit meinem Kopf, den Knick in meinem Körper wieder begradigen. Es wird drängender, ich werde unruhig, gerate in Panik, richte mich ruckartig auf und werde vom Sturm fast vom Floß geweht. Und auch hier draußen ist es unmöglich zu atmen, die wüst umherwirbelnde Luft reißt sich selbst mir von meinem Munde fort.
Meine Hand tastet herum und findet den Ausschalter des Ventilators. Ich bin wach und trinke einen Schluck Tee.
Juli-Hitze-Traum, sprachlich leicht korrigiert. Mag jemand daran herumdeuteln?
Ich schleiche mich davon und sage Danke für’s Lesen.
P.S.: Am 02.08.2019 waren positiv ein entspannter Vormittag, gelassene Vorbereitung, der Buchfink.
Die Tageskarte für morgen ist die Vier der Stäbe.
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