Kleine Rache, weil der Winter noch fehlt.
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Meinen Adventskalender hier widme ich allen, die kämpfen, allen, die krank sind, allen, die Unterstützung benötigen.
Ich wünsche all diesen Menschen und mir eine im wahrsten Sinne des Wortes wundervolle Weihnachtszeit. Alle meine Kerzen brennen für all jene, die Hoffnung brauchen. Und für all die, die – warum auch immer – diese Welt verlassen haben.
Am Rande des Halltals lebt seit alten Zeiten in einem hohlen Baume ein bärtiger Waldschrat namens Elim. Und dort geschah eines Tages, den man morgen “Gestern” nennen würde, die folgende unglaubliche Geschichte:
Das gab es ja noch nie, noch nie, solange der Waldschrat hier wohnt. Und Elim lebt schon sehr, sehr lange im Wald im Halltal. Ja, manchmal glaubt er sogar, daß er seinen hohlen Baum als junger Schrat noch selbst gepflanzt hat. Das stimmt natürlich nicht, denn der Baum ist viel, viel älter als der Waldschrat Elim. Aber das gab es wirklich noch nie: Mitten im Advent ist die Landschaft nicht mit Schnee bedeckt. Keine einzige Flocke ist zu sehen. Überall ist nur schwarzer und brauner Matsch auf den Wegen. Selbst die Pfützen sind nicht mit Eis bedeckt. Und still wie im Winter mit richtig viel Schnee ist es auch nicht. Den ganzen Tag trommeln Regentropfen auf seinen Baum. Seit er vor ein paar Stunden schon Feuerholz hereinholte für seinen Herd. Und die Regentropfen machen Krach auf dem Dach seines Schuppens. Es will und will nicht kaltwerden. Da kann aus dem laut trommelnden Regen kein sachte fallender Schnee werden.
Und in diesem Regenwetter muß sich Elim jetzt auf den Weg machen. Seine Freundin, die Hexe Kruziblicka, die hat ihn nämlich eingeladen auf einen Tee und leckeres Essen. Aber bei diesem Regenwetter? Da ist der Weg zu ihr kein Vergnügen. Der Waldschrat setzt seinen Hut mit der breiten Krempe auf, wirft sich den Regenmantel über und stapft los. Mitten durch all den Matsch hindurch. Und den ganzen Weg entlang schimpft er vor sich hin. Als was er den Regen alles bezeichnet: ScheiSauwetter war da noch ein harmloses Wort. Ach, wie sehr wünscht sich der beinahe durchgeweichte Elim in seinen hohlen Baum zurück! Der Waldschrat schimpft so sehr vor sich hin, daß er überhaupt nicht bemerkt, wie aus dem Regen ein Niesel und dann ein dichter, feuchter Nebel wird. Und je nasser er selbst wird, desto kälter scheint es Elim zu sein. Endlich sieht er das hühnerbeinige Haus der Hexe Kruziblicka vor sich. Er will schneller gehen, aber in all dem Matsch rutscht der Waldschrat aus. Er kann sich gerade noch auf seinen Knotenstock stützen. Dann ist es geschafft. Tropfnaß steigt der Waldschrat hinauf ins warme Haus der Hexe. Die freut sich, ihren Gast zu sehen. Als erstes werden Hut, Mantel, der dicke Pullover, die Stiefel, die Socken und – auch wenn sich der Waldschrat schrecklich schämt – die Hose über den Hexenküchenherd gehängt. Elim schimpft wieder über das nasse Wetter, das so gar nicht in die Adventszeit paßt. Kruziblicka reicht ihm eine ihrer selbstgestrickten Decken. Die und der Tee und der köstliche Linseneintopf mit Pilzen und Preiselbeeren stimmen den Waldschrat langsam versöhnlicher. Und als er sogar, weil seine Kleider noch nicht trocken sind und ein Waldschrat in Unterhosen vor einem Haus mit Hühnerbeinen ein gar lächerlicher Anblick wären, in Kruziblickas Hexenküche ein Pfeifchen rauchen darf, ist er fast schon wieder guter Laune. Da spricht die Hexe einen Satz in einer völlig unverständlichen Sprache. Der Waldschrat kann sich denken, daß das ein Zauberspruch war. Nur welcher? Wieder und wieder fragt er seine Freundin, die schließlich mürrisch sagt, daß es ein Schneezauber gewesen sei. Der klinge nunmal so sonderbar. Die beiden sitzen dann noch ein wenig bei zwei, drei weiteren Täßchen Tee und schwatzen über dies und das. Aber viel zu bald schon ist es Zeit für den Waldschrat Elim: Wenn er noch im Hellen seinen hohlen Baum erreichen möchte, muß er aufbrechen. Zum Glück sind alle Kleider und auch die Stiefel wieder trocken. So verabschiedet sich Elim, jetzt wieder korrekt angekleidet, von seiner besten Freundin Kruziblicka. Er dreht sich um, öffnet die Tür hinaus – und bleibt wie vom Donner gerührt ein paar Sekunden stehen. Allüberall liegt eine feine, dünne, glänzend weiße Schicht Schnee. Das Wasser in den Pfützen ist überfroren. Der Matsch: schneebedeckt. Auf den Zweigen der Bäume und auf den Büschen: Schnee. Schnee! Ohne den die Adventszeit keine Adventszeit war. Der Waldschrat Elim ist so froh darüber, daß er fröhlich losstapft. Dabei vergißt er sogar, die Tür des hühnerbeinigen Hauses zuzumachen. Das tut die Hexe Kruziblicka dann weise und leise lächelnd selbst, als sie ihren Freund im Wald verschwinden sieht.
Ach, wie schnell der Heimweg doch geschafft ist, wenn er durch frischen Schnee führt. Und dem Waldschrat ist nicht kalt, waren seine Kleider doch beim Losgehen noch warm vom Hexenküchenherd. Vor seiner Tür zieht Elim seine Schlüssel aus der Manteltasche. Verwundert sieht er einen Zettel, ja, ein kleines Briefchen, welches dabei mit aus der Tasche kommt und langsam dem Boden entgegentrudelt. Noch ehe das Papier im Schnee liegt, hat der Waldschrat es aufgefangen. Und noch vor der Tür beginnt er zu lesen, was Kruziblicka ihm da schreibt: »Lieber Elim, mein Freund, Du hast sicher vergessen, daß Wetterzauberei strengstens verboten ist. Wer gegen diese Regel verstößt, wird in eine unwirtliche Wüstenei verbannt.« Elim erschrickt, ja, das stimmt. Und nun muß Kruziblicka in die Wüste? Ach, hätte er das gewußt! Aber er weiß es ja! Er hatte es über seinem Ärger nur vergessen! Bei richtigem Wetter hätte er sie den unverständlichen Zauberspruch nicht sagen lassen. Da wäre der Schneezauber ja auch nicht nötig gewesen. Dieses blöde Wetter, das ist zum Haareraufen! Das ist doch an allem Schuld! Der Waldschrat muß heftig schniefen und blinzeln und liest dann tapfer weiter: »Aber keine Angst: Ich hatte Dich nämlich belogen.« Oh! Welch eine hinterhältige Person diese alte Hexe doch ist. Ausgerechnet seine beste Freundin belügt ihn dreist! Und er liest weiter: »Ich hatte kurz vor Deiner Ankunft nämlich noch in meinem Hexenkessel gesehen, daß es gleich zu schneien beginnen wird. Und Du warst so in Deiner Schimpferei versunken! Gehext habe ich aber wirklich. Der Spruch ließ Deine Kleider pünktlich trocken sein. Und ich habe mich so über Deine Freude über den Schnee gefreut.« Diese Hexe! Getäuscht hat sie ihn, den Waldschrat, ihren besten Freund. »Und ein klein wenig habe ich mich auch darüber gefreut, daß Du Dich mit einem Leuchten in Deinen Augen bei mir bedankt hast für den Tee und die Linsen und die Erlaubnis, an meinem Herd zu rauchen.« Ach Du Schreck. Da lügt die Hexe schonwieder. Denn er hatte sich nicht bedankt. Er hatte das in seinem Groll über den Regen und in seiner Freude über den Schnee ganz vergessen! Oh weh! Er hat das Dankesagen einfach vergessen wie ein Trottel! »Nun, Dein Schreck am Anfang dieses Briefchens und Dein schlechtes Gewissen jetzt sind Strafe genug. Hab eine gute Adventszeit. Wir sehen uns bald. Kruziblicka, für die Du noch immer der beste aller Freunde bist.«
Oh diese Hexe! Diese ach so liebenswerte Hexe, die! Und dem Waldschrat fällt ein Stein vom Herzen. Er schließt auf, geht in seinen Hohlen Baum hinein und macht die Tür fest zu. Er legt Hut, Mantel und den dicken Pullover ab. Er zieht die Stiefel aus, legt den Brief auf seinen altmodischen Küchenschrank und schürt danach erst das Feuer in seinem Herd auf. Draußen ist es dunkel, als die Flamme wieder richtig brennt. Und weil der Waldschrat viel zu Fuß unterwegs war und bei seiner Freundin viel von den köstlichen Linsen gegessen hat, ist er nicht hungrig, aber müde. Also macht Elim sich bettfein und legt sich unter seine wunderweiche Daunendecke. Nachdem auch die letzte Kerze gelöscht ist, steckt der Waldschrat sich die Enden seines Bartes in die Ohren, weil das … Moment. Das ist in der Stille des fallenden Schnees ja gar nicht nötig! Also schließt Elim seine Augen unverstopften Ohres, und schlummert bei den Gedanken an seine Freundin Kruziblicka lächelnd und sehr schnell ein. Und kaum ist das geschehen, dröhnt an diesem Abend ein gar schauerliches Schnarchen durch den Wald am Rande des Halltals.
Es scheint dem Waldschrat gutzugehen. Wer mehr von ihm lesen will, kann “Waldschrat” in die Findehilfe eintippen … (Ich glaub, das Dutzend Waldschrat-Märchen ist jetzt voll.)
Euch allen wünsche ich eine Zeit vieler glücklicher Momente.
Ich schleiche mich davon und sage Danke für’s Lesen.
Ich kann in diesem Jahr keine besondere Aktion empfehlen, denn es gibt so viele, die der Unterstützung wert sind. Ich bin in diesem Jahr einer von den Menschen, die auf der Straße genauer hinsehen und dort helfen, wo Hilfe nötig und mir möglich ist.
P.S.: Das Gute am gestrigen Zweiten Advent 2018 (2. Dezember 2018) waren getroffene Absprachen, viele gute Ideen, ein geliehenes Buch.
Aussortiert habe ich gestern drei jahrelang aufgehobene Glasflaschen.
Die Tageskarte für heute ist II – Die Hohepriesterin.
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(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Der Waldschrat ist mir sympathisch. Danke für das Märchen.
Ich mag beide, Hexe und Schrat.
Danke.
Gefaellt mir sehr, Deine Geschichte!
Hab‘ eine feine Woche,
Pit
Ich danke Dir.
Gerne! 🙂
Was für eine wunderschöne Geschichte! Sie liest sich so leicht, so lustig, auch nachdenklich und mitfühlend. Ich sehe die Gestalten genau vor mir.
Danke für dieses Vergnügen.
Viele Grüße von Kerstin.
Vielen, vielen Dank!
So gerne habe ich dieses Waldschratmärchen gelesen, danke Emil, da lacht meine Mädchenseele 🙂
Danke sehr.
Lieber Emil, was für eine wunderbare Geschichte! Nicht nur herzerwärmend sondern auch mit Augenzwinkern 😉
Danke!
Hach! Dankeschön!