Schälstation (Nº 137/2018)

Mit Sicherheit vor 1973.

To get a Google translation use this link.

 

Heute Nacht tauchte sie auf, die Schälstation, dieser Betrieb, in dem Kartoffeln geschält wurden. Nichts anderes wurde dort gemacht, nur kartoffeln wurden geschält. Frauen arbeiteten dort, hauptsächlich Frauen, in braunroten und weißen Gummischürzen, in Gummistiefeln und mit Hauben auf dem Kopf. In großen Bottichen wurden die Kartoffeln gewaschen, in großen Maschinen … (vor)geschält. An einem “Fließband” saß auch meine Mutter, die Arbeiterinnen erledigten die Feinarbeit: Augen herausschneiden, Schalenreste entfernen – mit einem ganz gewöhnlichen Kartoffelschäler. Und dann kamen die Kartoffeln in ein Laugenbad. Aber in dem muß irgendetwas gewesen sein mit Säure: Salz- oder Schwefelsäure, sagt meine wirklich nicht sehr sichere Erinnerung.

Ich erinnere mich an die braunen Fliesen auf dem Boden, an die weißen Fliesen an den Wänden. Das Innere des Gebäudes sehe ich noch vor mir. Ein typischer Wismut(?)-Flach­bau, grau verputzt. Ich erinnere mich an das Geschimpfe der Arbeiterinnen, wenn mal wieder kein warmes, sondern nur eisig kaltes Wasser aus der Leitung kam und Finger steif werden ließ. Ich weiß auch noch, daß direkt daneben ein Bauwerk war, durch das Wasser aus dem Floßgraben abgeleitet werden konnte und auch wurde. Schlema oberer Bahnhof war noch vorhanden, auch das Blaufarbenwerk (zumindest als Werksgelände mit Gebäuden oder Ruinen), ich meine, in diesem Bahnhof auch noch dampfbespannte Züge gesehen zu haben in meiner Kindheit und des öfteren vor den geschlossenen Schranken neben dem Vater im LKW gesessen zu haben. Und ja, ich kann mich auch noch an einige Vorbeifahrten an der Verladestation für Wohnungsbauplatten für das Schneeberger Neu­bau­gebiet erinnern in den Jahren nach dem Abitur. Und irgendwo am Hang nach Ober­schlema zu war diese Schälstation in der Nähe dieses Bahnhofes. Nur wo genau?

Aus der – wenn ich mich recht erinnere – zur HO Wismut gehörenden Schälstation wur­den die geschälten Kartoffeln dann in die umliegenden Kantinen der SDAG Wismut, in die Objekte 02, 03 und 09 sowie in den Transportbetrieb (Gummibahnhof genannt) geliefert, in denen ziemlich rund um die Uhr für unter- und übertägig Beschäftigte in den Kantinen gekocht und gesorgt wurde. Wahrscheinlich bekamen auch einige Einrichtungen Lie­fe­run­gen von dort, die nicht zur Wismut gehörten, Schulen zum Beispiel und Kinder­gär­ten (ich weiß es ganz sicher von meinem Kindergarten, den ich von 1967 bis 1970 besuchte). Damals wurde auch in denen noch gekocht, es gab keine Convinience-Produkte in irgend­welchen Assietten oder Thermobehältern, die heiß angeliefert und dann mehrere Stunden warmgehalten wurden vor dem Verzehr.

 

Erinnerungen an die Zeit vor 1973, die heute Nacht im Traum hervorgespült wurden …

 

Ich schleiche mich davon und sage Danke für’s Lesen.

Der Emil

P.S.: Positiv am 17.05.2018 waren das vor neun Uhr morgens Erledigte, Kartoffeln und Quark und Leberwurst, der präsente Traum.
 
Die Tageskarte für morgen ist XX – Das Gericht.

© 2018 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
CC by-nc-nd Website (Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).

Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
Dieser Beitrag wurde unter 2018, Gedachtes, One Post a Day abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

0 Antworten zu Schälstation (Nº 137/2018)

  1. Schöne Erinnerungen.

  2. Gudrun sagt:

    Die Kartoffeln wurden geschwefelt, damit sie haltbar und weiß blieben. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Du hast Recht, eine war das Übergießen mit schwefelhaltiger Säure. Ein ganz altes Verfahren übrigens.
    Ich weiß das, weil ich mal einige Zeit für die Großküche einer pädagogischen Hochschule verantwortlich war. Genau solche Kartoffeln haben wir verarbeitet.
    Halt sie fest, deine Erinnerung.


    https://polldaddy.com/js/rating/rating.js

  3. piri ulbrich sagt:

    Erinnerungen sind viel wert. Wenn wir keine mehr haben, verlieren wir unsere Identität. Industriell geschälte Kartoffeln, so meine Erinnerung, waren immer ein bisschen glitschig!


    https://polldaddy.com/js/rating/rating.js

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert