Irrungen und Wirrungen. Nº 219 (2017)

Ultreïa! Tag 3 größtenteils neben dem #oekuweg

 

Um 6.30 Uhr hatte ich mir den Wecker gestellt, weil die Kinder ab sieben auch alle wach sein sollten und ich bereits 9 Uhr den Platz vollständig geräumt haben sollte. Naja, die Wäsche war nicht ganz trocken, das Zelt war ziemlich naß. Denn die Nacht war so kalt, daß ich mich tatsächlich in meinen Schlafsack einmummelte – wie gut, daß der fast 90 cm breit ist, da haben auch meine Arme im Schlafsack neben mir Platz. Beim rein- und rausklettern sowohl aus dem Schlafsack als auch dem Zelt hatte die ersten Male schon am Abend zuvor meine Schwierigkeiten, das muß ich noch öfters üben. Aber ich habe wirklich sehr gut geschlafen. Also war ich früh wach, sortierte meinen Krempel, der in der Nacht starken Besuch von Mäsen hatte. Die Kinder und ihr Betreuer luden zum Früstück ein, das Telefon und die “powerbank” hingen am Strom. Aber bis neun Uhr? Nicht zu schaffen. So trug ich alles vors Haus, breitete das Zelt aus, leerte den Rucksach und die Tasche, entfernte Mäuseköttel und konnte 9.55 Uhr losgehen. Der Anfang war eine wirklich angenehme Strecke, teilweise ein Naturlehrpfad. Mich störte nur, daß es auf dem nicht eine einzige Sitzgelegenheit gab.

Dann ging es an einer vielbefahrenen Bundestraße nach Merseburg hinein. Statt der im Pilgerführer und anderen Quellen angegebenen 4 km ging ich bis zum Dom knapp 6 km. Als Pilger hatte ich nach Vorlage meines Pilgerausweises freien Eintritt und sah mich eine Weile darin um. Natürlich stieg ich in den (unangenehm für mich klimatisierten) Keller hinab zu den Merseburger Zaubersprüchen, und auch die beiden Raben besuchte ich, zu denen es eine besondere Sage gibt. Nach einer knappen Stunde im Dom ging ich weiter. Ich widerstand der Versuchung, einfach in eine Straßenbahn zu steigen, die mich 800 m von Zuhause hätte aussteigen lassen können und schritt weiter wacker aus. Dabei war mir meine absolute, aber eben nicht mehr vorhandene Ortskenntnis in Merseburg (ich kannte mich einst wirklich ganz gut dort aus!) “sehr hilfreich”, zusätzlich bemerkte ich nicht, das mein Telefon mangels Strom nicht mehr funktionierte. Bis dahin allerings hatte ich alle Muschelzeichen aus den Augen verloren. Ich versorgte das Telefon mit Strom, stellte fest, wo ich war (mittlerweile in Klötzschen) und machte Rast in einem Buswartehäschen. Dann hielt ein Bus, der Fahrer sah mich an – und ich schüttelte den Kopf. Da die Straße recht parallel zum #oekuweg verlief, blieb ich auf ihr und ging nicht zwei Kilometer ungefähr in die Richtung, aus der ich gerade kam und dann nochmal einen Kilometer, um wieder auf gleiche Höhe zu kommen. Und ich war so frustriert! Mir scheint, ich bin noch nicht auf dem Weg angekommen …

Ich hätte es tun sollen, hätte den Bus nehmen sollen, tat es aber nicht. So dackelte ich an einer recht gut befahrenen Straße weiter, immer in der Sonne … Endlich war ich dann in Frankleben, und das Telefon zeigte eine Möglichkeit, ohne Umwege auf die Nachbildung der Via Regia zu gelangen, von derem wirklichen, historischen Verlauf heute u.a. wegen der Braunkohle sowieso nichts mehr feststellbar ist. Auch dieser Weg war wieder weiter als angegeben. Und ich weiß, daß mein Telefonnavi manchmal spinnt und ich bei Stillstehen angeblich Kilometer zurücklege (deshalb rechne ich schon immer etwa 15 % runter von der angezeigten). All das wirkte auf mich ein und machte mich stinkig, so daß ich um 16.15 Uhr dann im Schloß Frankleben blieb. Und mit einem Feierabendbier sah ich mir das Gebäde an, von außen und innen. Feierabend kann so aussehen:

 

Schloß Frankleben

Schloß Frankleben
Weißgetünchte, dicke Mauern aus der Zeit um 1550, die auf Fundamenten einer Wasserburg aus dem 13. Jh. ruhen (so wurde mir heute gesagt), rechtes Ende des abgebildeten Gebäudeteils war früher wohl ein Eckturm mit aufgesetzter, kupfergedeckter Zwiebel.

 

Der Emil

Der Verfasser des Blogs pilgert weiter und dankt für’s Lesen.

P.S.: Die Strecke am 07.08.2017: Da das Navi zwischendurch nicht funktionierte, kenne ich die Gesamtlänge nicht. Aber ich ging von Löpitz bis zum Ziel ca. viereinhalb Stunden.
 
Positiv waren heute die Idee, den Kindern ein Eis zu spendieren, der Dombesuch, mittelalterliches Quartier.
 
Die Tageskarte für morgen ist der Ritter der Stäbe.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu Irrungen und Wirrungen. Nº 219 (2017)

  1. Du kämpfst dich tapfer durch. Egal welche Steine auf deinem Weg liegen. Das finde ich Klasse. Weiter so.

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  2. Gudrun sagt:

    Am Sonnabend wollte ich dich schon fragen, ob ich mitkommen kann in den Meseburger Dom. Der Bus nach Merseburg fährt fast bei mir vorbei. Aber gut wäre es bestimt nicht gewesen, weil ich dich vielleicht aus deinem Rhythmus oder Zeitplan gebracht hätte.
    Die Zaubersprüche haben es mir besondes angetan. Ich mag die Sprache von damals so gerne hören.
    Du hast dich ganz schön durchgekämpft heute. Respekt, Emil.

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  3. Arabella sagt:

    Soll ich dir eine „Wärmi“ schicken?
    Guten Weg


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  4. Sofasophia sagt:

    Bist du jetzt in einer Herberge? Oder wieder zeltend?

    Ich hoffe, jetzt wirds leichter in dir.

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