Wie Neues Bewährtes gefährlich macht (2017: 209)

Steine aus uralten Zeiten.

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Über den tief unten in der Klamm dahinrauschenden Bach führt seit Jahrhunderten eine steinerne Brücke. Niemand weiß mehr, wer sie wann erbaute. So hoch über der Klamm, ohne Kran, ohne Mörtel, verbindet sie die Menschen zu beiden Seiten der Schlucht miteinander. Eines Tages aber wurde sie zu holprig und zu unmodern, und vielleicht auch zu schmal oder zu wenig stabil für den Automobilverkehr. Deshalb wurde nicht weit von der alten, steinernen, eine neue, stählerne Brücke erbaut. Die alte war noch gut genug, um über sie das Baumaterial und dir Maschinen von hier nach da und von dort nach hier zu bringen; doch für den modernen Verkehr war sie nicht geeignet, denn keiner konnte sie berechnen.

Nach der Fertigstellung des Wunderwerkes aus Metall wurden die Zuwege zur alten Brücke abgesperrt. Sie, die jahrhundertelang aushielt, war nun unberechenbar – und Unberechenbares ist unsicher. Nach einiger Zeit begannen in den Fugen zwischen ihren Steinen Gräser und Löwenzahn zu wachsen, die jetzt nicht mehr von Karren-, Fuhrwerks-, Kutschen-, Automobil- und Fahrrädern zerquetscht wurden. Nicht einmal ein einsamer Fußgänger benutzte die steinerne Brücke; sie war ein verbotener, unnützer Koloß geworden.

Als dann die ersten Birken trieben und im Laufe der Jahre zu jungen, kräftigen Bäumen heranwuchsen, sprengten sie allmählich, was jahrundertelang hielt. Eines Nachts stürzte ein Stein aus der Brückenseite hinab in die Tiefe, von niemandem bemerkt. Tage später fiel das ganze Bauwerk mit lautem Getöse in die Schlucht hinab, ließ das Wasser des Baches in der Klamm sich hinter dem Steinehaufen stauen, der lange, sehr lange Zeit hoch oben in der Luft ein vielbenutzter Weg war. Es waren nur wenige Jahre der Nichtbeachtung notwendig, den Einsturz geschehen zu lassen.

Die Stahlbrücke übrigens mußte nach kaum zwanzig Jahren auch erneuert werden …

 

 

Das ist so wahrscheinlich nirgends geschehen. Diese alte Steinbrücke war plötzlich da in ihrer zur Unsicherheit, zur Gefahr gesteigerten Nichtberechenbarkeit.

 

Ich schleiche mich davon und sage Danke für’s Lesen.

Der Emil

P.S.: Das Gute am 28.07.2017 waren gefundene Schlüssel, Blumenkohl und Kartoffeln, leckeres Bier aus einer kleinen Brauerei.
 
Die Tageskarte für morgen ist die Neun der Münzen.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu Wie Neues Bewährtes gefährlich macht (2017: 209)

  1. Schön und traurig zugleich.

    • Der Emil sagt:

      Und vor allem: Daß die Nichtberechenbarkeit zur Unberechenbarkeit zur Gefahr zur unmittelbar bevorstehenden Katatrophe hochgedeutelt wird, ist leider Normalität heutzutage …

      Danke.

  2. Arabella sagt:

    Ich halte jetzt einfach mal meinen Mund.


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  3. Es ist schade das gut bewertes ersetzt wird durch innovatives. Und hinterher festgestellt wird wie schnell es kränkelt. So ist leider die heutige Wegwerfgesellschaft. Oder besser gesagt die profitgeilen Firmen.

  4. Ups, habe doch glatt ein ‚h‘ unterschlagen.

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