Klageruf (2017: 189)

Kein Stilleben.

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Es ist still am Waldrand, selbst Fliegen und Mücken und anderes Getier sind weder zu sehen noch zu hören. Im Baum über mir sitzt ein Vogel; ich höre seine langgezogenen, klagenden Rufe, doch ich weiß nicht, was er ist. Ich sehe ihn auch nicht, nur seine Rufe höre ich. Das Kratzen meines Stiftes auf dem Papier, das Rascheln der Seiten beim Umblättern: All das kommentiert ein langgezogener, in Tonhöhe und Laustärke abnehmender Ruf. Sind es drei, sind es fünf Sekunden, in denen mir die Klage durch Mark und Bein geht? Wie sieht er aus, der Vogel, der alle Traurigkeit der Welt auf sich genommen zu haben scheint? Ist er grau oder schwarz oder braun und unscheinbar? Ist es ein buntes Tier?

Des Vogels Klage klingt in den Wald und über Wiese und Teich, meine kann ich am Abend zuhause nachlesen. Ein lacrima mosa, mein Lacrimosa. Und kaum habe ich diese Worte gedacht, erinnere ich mich an die Tenorstimme des Mozartrequiems und bin versucht, Dies irae, Rex tremende, Confutatis oder eben Lacrimosa anzustimmen und – soweit ich es noch kann – laut hineinzusingen in den Wald, hinauf in den Baum zu dem Vogel, der da noch immer wehklagend, sehnsüchtig ruft. Mag sein, wir sind seelenverwandt.

 

Doch fliegen mag ich nicht …

 

 

Ich schleiche mich davon und sage Danke für’s Lesen.

Der Emil

P.S.: Das Gute am 08.07.2017 waren etwas Fertiggestelltes, ein Schwätzchen, Numiroso am Abend.
 
Die Tageskarte für morgen ist sie Sieben der Stäbe.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu Klageruf (2017: 189)

  1. Es wäre doch schön zu fliegen – über den Dingen zu schweben, alles von einer anderen Perspektive zu betrachten und mal eine andere Haltung einnehmen…

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  2. wildgans sagt:

    Wieso fällt mir dazu das schnulzige Adamolied ein von der Träne, die auf Reisen geht…

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