Ein Autorenkollektiv denkt nach (171/194)

Wirklich werden für Sonderfälle

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Was ich gestern nachmittag erlebte, benötigt noch einiges an Ver- und Bearbeitung. Allerdings habe ich wiedereinmal festgestellt, daß ich viel zu selten offenen Auges durch mein Großdorf Halle (Saale) unterwegs bin … Ja, richtig gelesen, da steht “…dorf”.

Etwas anderes begegnete mir gestern auf Twitter. Ein Aphorismus, den ich in meine Aphorismensammlung neben Peter Hille, Robet Musil und Marie von Ebner-Eschenbach stelle:

 

 

Selbst immer wirklicher zu werden ist kein Luxusproblem. Je wirklicher wir sind, desto mehr können wir bewirken in dieser Welt der Illusion.

SoSo in diesem Tweet
 

 

 

Gerade ich bin ja sehr, vielleicht sogar viel zu sehr mit der Frage beschäftigt, wie wirklich ich bin. Also ich, Der Emil. Die von mir selbst geschaffene Persönlichkeit, die ich mir wie einen Schutzanzug über meine Ausweisidentität zog. An der ich mich festhalte, auch und gerade dann, wenn es um meine Herkunftsfamilie geht. Manchmal glaube, hoffe ich, daß ich wirklicher bin als der Typ aus meinem Ausweis. Oft bin ich mir dessen sogar ziemlich sicher. Denn Der Emil arbeitet im Radio (kaum jemand weiß dort um meinen “wahren” Namen), Der Emil hat Freunde, Bekannte, seinen Blog (seine Blogs). Der Emil ruft an und bestellt Tische und Taxis und Termine – ’s ist eben auch einfacher zu buchstabieren als das andere. Der Emil stellt sich vor, wenn er neue Leute trifft. Ich lebe diese Persönlichkeit. Nur will mir das zuständige Amt diesen Namen eben nicht wieder in meine Dokumente eintragen. Ich bin ja nicht überregional bekannt und lebe nicht von der Kunst usw. usf.

Nein, keine Angst, hier sitzt und schreibt zwar eine bewußt geschaffene Figur, eine künstlich entstandene Persönlichkeit – aber die ist keine Illusion. Ich bin es selbst. (Wer nachschaut, findet meinen Ausweisnamen auch hier im Blog heraus.) Und ich bin nicht oder zumindest viel weniger eben diese Ausweisperson, als ich Der Emil bin. Und Der Emil versucht ja auch einiges in der Welt zu verändern, z. B. durch meine Weigerung, für Geld, gegen Entgelt zu arbeiten. Und ich stelle fest, daß ich schonwieder viel zu viele Sätze mit “und” beginne. Das würde der andere wahrscheinlich nicht tun.

 

Der Andere. Das klingt seltsam, wenn ich das von mir sage. Wenn ich damit mich meine, also mich als die Person, auf die alle Ausweise von Der Emil ausgestellt sind, mich als denjenigen, der weit über 95% aller Briefe bekommt, die an Der Emil gerichtet sind. Gespalten fühle ich mich nur noch selten, unterdrückt fühlte ich mich noch nie. Ich war immer da und bin immer da. Schließlich habe ich ja auch durchgesetzt, daß im Buchfink eben nicht nur Der Emil vorliest, sondern auch mein Name als Sendungsmacher fällt. Ich bin also keine Illusion, ich bin genauso wirklich wie Der Emil. (Und auch ich bin Blogger.)

Ach ja, da fällt mir gleich nochetwas ein: Der Emil will ja den Jakobsweg gehen und hat darüber gestern hier geschrieben. Sein Plan? Ha! Das ich nicht lache! An Der Emil war noch nicht wieder zu denken, als ich diesen Plan faßte, jawohl. Gut, richtig hingesehen ist es unser – mein – sein – verflucht, welches ist jetzt das korrekte Posessivpronomen? – Plan. Es war meiner und Der Emil hat ihn ausgebaut, vervollständigt, hat sich um das Material gekümmert in den letzten 18 Jahren. Seit 1997, seit es ihn wieder gibt. Seit er für einige Zeit sogar der einzig nach außen existierende von uns beiden war. Ob es ein Vorteil ist, wenn zwei Persönlichkeiten in einer Person wirklich werden wollen und gemeinsam einen gemeinsamen, zumindest aber gleichen Plan durchziehen wollen?

 

Gemeinsames Schlußwort von beiden: Wir haben ganz schön viel nachzudenken über diese beiden Sätze. Und doch sind wir uns einig. Wir sind beide wirklich und wollen etwas verändern in dieser Welt der Illusion. Danke für den Denkanstoß.

 

Der Emil

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

P.S.: Positiv am 19. Juni 2015 waren unerwartete Begegnungen und Entdeckungen, eine neue Aufgabe.
 
Tageskarte 2015-06-20: Die Acht der Schwerter.

© 2015 – Der Emil & Frank Manthey. Eigener Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu Ein Autorenkollektiv denkt nach (171/194)

  1. Sofasophia sagt:

    Der Wortstamm „Wirk“ (engl work) gibt mir zu denken. Wirklichkeit also, was wir erarbeiten?
    Danke dir für das Aufgreifen meines Inputs und dass ich lesend teilhaben darf an deiner Vielschichtigkeit.

  2. Kai Dörfner sagt:

    … ich hab‘ jetzt nicht alles nachgelesen … hast Du den Künstlernamen-Eintrag denn wieder bekommen?

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