Nichts Ungewöhnliches geschieht
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Ein Wundervogel fliegt an meinem Knie vorbei. Den Lufthauch seines Flügelschlages spüre ich auf meinen Zehen. Barfuß streife ich am Rain entlang über die Wiesen. Es dauert eine Weile, ehe ich mich über den immernoch wehenden Hauch wundere. Dann aber sehe ich nach unten. Der Vogel ist noch da, zieht Kreise um meine Beine, die sich im Gehrhythmus bewegen. Er berührt mich nicht und scheint meine Schritte doch zu lenken. Da um diesen Stein herum, dort an einem Kuhfladen vorbei. Als hingen meine Beine an unsichtbaren Marionettenführfäden, die der Wundervogel mit seinen Flügeln bewegt. Doch das ist normal, nicht ungewöhnlich für mich. Ich habe Erfahrungen im fremdgesteuerten Gang, scheint mir. Oder hat das Federbällchen Erfahrung darin, mich zu steuern? Die Richtungsänderung nehme ich kaum wahr, aber ich sehe jetzt meinen Schatten vor meinen Füßen, also muß ich in eine andere Richtung gegangen werden als bisher.
Aus der Ferne höre ich Lachen und Kichern und Singen und Kreischen und Plätschern und Turmspringklatschen, aber ohne Kindergeräusche und ohne sonst wahrnehmbare Mißtöne wie Schimpfen, Verspotten, Trillerpfeifen und Streit. Von dort hinter den Linden und Buchen kommen die Töne, auf die ich gerade zugehe. Das klingt seltsam, viel zu friedlich, um wahrzusein. Träume ich mal wieder nur? Falls das kein Traum ist, dann werde ich bald ein Freibad betreten – falls doch, dann werde ich das Freibad eben beträumen. Aber wegen des Freibades bin ich mir absolut sicher.
Plötzlich sehe ich ein Flußufer vor mir, mit einem weit in das Wasser hineinreichenden Steg, von dem Menschen sich in die kühlenden Wellen stürzen. Ich muß über einige Menschen gestiegen, zwischen vielen Menschen hindurchgegangen sein. Es gibt wirklich nirgends Streit und Unstimmigkeiten. Die Kinder sind ins gemeinsame Spiel mit Sand und Wasser und Matsch vertieft, bauen Burgen und Wasserleitsysteme, lassen Papier- und Rindenschiffchen fahren. Mir fällt noch etwas auf: Grellbuntes Plastespielzeug fehlt völlig. Schaufeln und Gießkannen aus Blech sehe ich, echte Siebe aus Metall und Holz werden mit Sand gefüllt und kräftig geschüttelt. Oben auf den Sandburgen wehen Fähnchen aus Stoff, hie und da sogar Taschentuchflaggen, in denen die Bügelfalte noch deutlich zu erkennen ist.
Allerdings fühle ich mich plötzlich unwohl, fehl am Platze. Erst beim Blick nach unten, auf der Suche nach dem Wundervogel fällt mir auf, daß ich inmitten all dieser nackten Menschen noch immer in Jeans und Polohemd herumstehe. Und ich schäme mich dafür und beginne, im Sand zu versinken. Als der meine Brust einzuengen beginnt, werde ich wach, schweißnaß.
Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.
P.S.: Positiv am 17. Juni 2015 waren Schlafen, wann und wo und wie ich wollte, ein luzider Traum und leckerer Tomatensalat.
Tageskarte 2015-06-18: Die Königin der Stäbe.
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(Namensnennung, keine kommerzielle Verwertung, keine Veränderung).
Kommentar: siehe gestern! 😀 Großartig!!!
ob dich die Irgendlinkreise beflügelt? Wieder so eine tolle Geschichte!!!
Ein luzider Traum …
(Der Anfang war schonmal geträumt und lag zwei Wochen schon notiert neben der Schlafstelle. Ich habe sozusagen Fortsetzung geträumt.)